Der einstige Dekan Dieter Eisenhardt hat die Heimatmedaille des Landes erhalten. Er ist der Vater des Herrenberger Glockenmuseums. Aber nicht nur das. Der heute 80-Jährige widmete sich auch der Brauchtumsforschung und trat für eine offene, kommunikative Kirche ein.

Herrenberg - Ein herzliches Hallo schallt Dieter Eisenhardt entgegen, als er an diesem Morgen die Werkstatt der Bauhütte im Herrenberger Dekanat betritt. Der Dekan im Ruhestand ist stets ein gern gesehener Gast bei den Ehrenamtlichen, die den weiteren Ausbau des Glockenmuseums der Stiftskirche voranbringen. Das kommt nicht von ungefähr, denn Dieter Eisenhardt ist es zu verdanken, dass es diese besondere Sammlung überhaupt gibt. Die grüne Finanzstaatssekretärin Gisela Splett hat jüngst zehn Persönlichkeiten des Landes mit der Heimatmedaille Baden-Württemberg ausgezeichnet. Auch Dieter Eisenhardt hat sie entgegennehmen dürfen.

 

1990 eröffnete das Glockenmuseum

Als Eisenhardt im Jahr 1986 als Dekan nach Herrenberg gekommen war, hatte ihn die große Glockenstube unter der barocken Haube der Stiftskirche, im Volksmund „Die Glucke im Gäu“ genannt, fasziniert. Unter dem breiten Turmdach öffnet sich ein zweistöckiger Raum, wie er in dieser Größe in Gotteshäusern selten zu finden ist. Eisenhardt kam damals auf die Idee, auf der Grundlage der fünf dort vorhandenen Geläute ein Glockenmuseum einzurichten.

Vier Jahre später wurde es eröffnet: zunächst mit elf Glocken. Aus dem Fundus der evangelischen Landeskirche und über die Vermittlung einer Gießerei sowie eines Glockenexperten kamen sukzessive immer weitere dazu. „Inzwischen haben wir 31 läutbare Glocken“, sagt der 80-Jährige stolz. Und noch dazu seit dem Jahr 2012 ein Carillon mit 50 fest installierten Glocken, die meist in den Sommermonaten an Samstagen geläutet werden. Alle anderen Glocken erklingen an jedem ersten Samstag im Monat zu einem Konzert, das mit dem Einläuten des Sonntags endet. „Oft sind es 80 bis 120 Besucher, die zur Stiftskirche kommen“, sagt Eisenhardt. Er freut sich auch über die zahlreichen Gäste im Museum, die dort die „Glocken nicht nur anfassen können, sondern deren Klangwellen auch selbst spüren, wenn sie ertönen“.

50 Glocken selbst gestaltet und geziert

Der einstige Backnanger Pfarrer kann sich noch erinnern, dass ihm im Alter von acht Jahren bewusst wurde: „Die Laute sind nicht bloß Bim-bam.“ Sie riefen zu Fest- und auch zu Trauergottesdiensten oder „helfen, um zur Ruhe zu kommen“, erklärt der 80-Jährige. Und die Glocken selbst erzählen auch eine Geschichte, von der die Museumsgäste erfahren.

Rund 50 Glocken habe er auch selbst gestaltet und geziert. Darunter ist die große Glocke der Böblinger Stadtkirche. Die brennende Stadt hat er eingraviert mit Flammen, welche an die Bombennacht von 1943 erinnern. Die Ritztechnik hat sich Eisenhardt nach und nach angeeignet und auch den Herrenbergern eine Glocke gewidmet: die Dominika. Sie wurde 1999 als Milleniumsglocke gegossen, und der damals scheidende Dekan verewigte die in Herrenberg geborenen Heinrich Schickhardt, den Hofbaumeister, und den Theologen Johann Valentin Andreae. Die Dominika trägt die Inschriften „Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ und als Glocke, die nur an Sonntagen geläutet wird: „Du sollst den Feiertag heiligen.“

Eisenhardt hat selbst eine Glockensammlung

Die Verdienste Eisenhardts gehen aber weit über die Geburt des Glockenmuseums hinaus. Er machte die Kirche zu einem Kommunikationsort, unternahm Kunstfahrten und lud auch Künstler zu Ausstellungen ein. Er betrieb Geschichts- und Kulturforschung und leistete Integrationsarbeit für die zahlreichen Zugereisten in Herrenberg. Doch die Glocken sind und bleiben seine Leidenschaft. Er selbst hat auch ein kleine persönliche Sammlung. Und an diesem Morgen verfolgt er mit dem Besuch in der Bauhütte auch einen besonderen Zweck. Er holt bei Fritz Hanßmann, dem langjährigen Bauhüttenleiter, zwei weitere Exemplare ab. Der rührige Theologe hat ihm dafür auch etwas mitgebracht – eine Tafel Schokolade.

Ausbildung an einer Missionsschule

Theologe
: Dieter Eisenhardt, 1936 in Ludwigshafen geboren, absolvierte nach dem Gymnasium in Calw von 1955 bis 1959 eine theologische Ausbildung an der Missionsschule in Unterweissach (Rems-Murr-Kreis). Dort war er von 1964 an nach dem Vikariat in Dobel (Kreis Calw) Pfarrhelfer. 1965 wurde er in die evangelische Landeskirche berufen und war von 1972 bis 1978 Pfarrer in Oberbrüden (Gemeinde Auenwald im Rems-Murr-Kreis). Anschließend war er bis 1986 Pfarrer an der Matthäuskirche in Backnang (Rems-Murr-Kreis). Danach wirkte er bis zum Ruhestand im Jahr 2000 als Dekan in Herrenberg.

Museum:
  Das Glockenmuseum ist bis Ende Oktober mittwochs von 14.30 bis 17 Uhr, samstags von 14.30 bis 18 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 11.30 bis 17 Uhr geöffnet. Von November bis März gelten andere Öffnungszeiten. Nähere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 0 70 32/52 49.