Am Donnerstag wurde zum ersten Mal der Gerlinger Lyrikpreis verliehen. Knapp 140 Bewerbungen gab es, gewonnen hat der Heidelberger Dichter Rainer René Mueller.

Gerlingen - Donnerstagabend in Gerlingen. Die Stadtbücherei wappnet sich mit heller Beleuchtung gegen das Dunkel, das sie umgibt. Zwischen den Regalen gibt es schon lange keine freien Plätze mehr – was insofern nicht allzu viel bedeutet, als es von vorneherein nicht viele Stühle gab. Nun drängen sich die Leute auch auf den Treppen nach oben und unten. Es ist der Abend, an dem zum ersten Mal der Gerlinger Lyrikpreis verliehen wird. Den mit 5000 Euro dotierten Preis wird später der Heidelberger Dichter Rainer René Mueller bekommen, zunächst aber führt Petra Schmidt-Hieber in den Abend ein.

 

Es ist mucksmäuschenstill, als die ehemalige Lehrerin ohne Mikrofon erzählt, warum sie den Preis mit ihrer Stiftung ins Leben gerufen hat. Schmidt-Hieber, die früher Französisch und Deutsch unterrichtet hat, erzählt von ihrer Liebe zu Gedichten und deren Auswendiglernen. Sie erzählt auch von der schwierigen Situation, in der sich viele Dichter ihr zufolge befinden: „Die meisten können von der Lyrik nicht leben.“ Es sei auch schwierig, einen Verlag zu finden. „Ich möchte einem Stiefkind der Literatur zu etwas mehr Gehör verschaffen“, sagt sie.

Unter 137 Einsendungen – die Bewerber mussten in Baden-Württemberg wohnen und bereits Texte veröffentlicht haben – hat die fünfköpfige Jury Rainer René Mueller ausgewählt. Hans Thill, Jurymitglied und Autor und Übersetzer, würdigte Muellers Werk als „ebenso verträumt wie sperrig“ und als „kühne Konstrukte, die Sprache strapazierende Textgebilde“. Rainer René Muellers Texte, so Thill, seien „auf befremdliche Weise schön“, auch habe der Lyriker Mut „zur Aufschürfung des Worts“. Rainer René Muellers Gedichte, so Thill, hätten „ihre eigene Zeit“.

„Etwas ganz Besonderes für die Stadt“

Mueller selbst, der 1949 in Würzburg geboren wurde, sah sich in der „glücklichen Verlegenheit, sich wirklich bedanken zu können“. Der jüdische Dichter sagt von sich selbst, er sei „in einer Sprache der Vertreibung aufgewachsen“, das Thema Gewalt spiegelt sich auch in der Sprache seiner Gedichte wider.

Die Etablierung des Gerlinger Lyrikpreises freut auch die Stadtverwaltung. Das sei, sagte die Erste Beigeordnete Martina Koch-Haßdenteufel, „etwas ganz Besonderes für die Stadt“. Mit Lyrik habe sich die Stadt bisher nicht schmücken können. Lyrik sei in „unserer kurzlebigen Gesellschaft von Dauer“ – Gedichte, so Koch-Haßdenteufel, würden Menschen verbinden, im Kopf bleiben und Freude machen.