Costantino Baratta aus Lampedusa hat elf Flüchtlinge aus dem Meer gezogen. Seine Bürgermeisterin hat ihn als Stellvertreter zur Friedensgala ins Stuttgarter Theaterhaus geschickt.

Stuttgart - Sie ist nicht gekommen: Giusi Nicolini, die streitbare Bürgermeisterin der italienischen Grenzinsel Lampedusa, hat den Fischer Costantino Baratta damit betraut, nach Stuttgart ins Theaterhaus zu reisen, um den mit 5000 Euro dotierten Friedenspreis der Anstifter in Empfang zu nehmen. Vor allem aber, um die Botschaft aus Lampedusa zu überbringen: nämlich dass der Kampf gegen den Terrorismus islamistischer Prägung nicht dazu führen dürfe, „dass wir denjenigen die Aufnahme verweigern, die genau den grausamen Terroristen entfliehen, die Paris getroffen haben“.

 

Es waren praktische Gründe, die die italienische Bürgermeisterin davon abhielten, sich in Stuttgart persönlich ehren zu lassen: In den letzten drei Tagen seien weitere eintausend Flüchtlinge nach Lampedusa gebracht worden, die aus der Meerenge von Sizilien gerettet wurden. Das Lager, das einmal Willkommenszentrum geheißen hatte, sei aber nur für 300 Menschen ausgelegt. Das ist nicht nur für eine 5500-Seelen-Insel eine große Aufgabe. Nicolini ließ die Anstifter wissen, sie danke ihnen aus zwei Gründen: zum einen wegen der „tollen Anerkennung“, das sei „eine Ehre, für mich und für meine Insel“. Zum anderen auch für die Arbeit, andere für die Sache der Flüchtlinge zu sensibilisieren.

Costantino Baratta hat elf Menschen aus dem Meer gezogen

Auch Costantino Baratta hatte eine große Aufgabe zu meistern: Bei dem großen Schiffsunglück am 3. Oktober 2013, bei dem 368 Menschen starben, schaffte es der Fischer, mit seinem Schlauchboot elf Menschen zu retten: zehn Männer und eine Frau aus Eritrea. Wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen seien die Flüchtlinge aus Nordafrika länger als üblich auf der Insel geblieben, nämlich drei Monate. So haben sich der Fischer und seine Frau um sie kümmern und sie kennenlernen können, obwohl das mit der Sprache ziemlich schwierig gewesen sei, übersetzt Ebbe Kögel von den Anstiftern. Dadurch seien sie für die Flüchtlinge zu „Mama Rosa“ und „Papa Costantino“ und ihr Haus zu einer Art internationalem Kommunikationszentrum geworden.

Inzwischen seien die elf Flüchtlinge in Norwegen, Schweden und Deutschland gelandet, berichtet Baratta, der immer noch versucht, Kontakt mit ihnen zu halten.

Auch „Mama Rosa“ hat eine Botschaft: Seit 20 Jahren sei die Insel ein sicherer Landeplatz für diejenigen, die Europa erreichen wollen. Das Zusammenleben mit ihnen habe nie Probleme bereitet, solange ihnen Würde und Recht garantiert worden sei. Gewalt gegen Sachen habe es erst gegeben, als man die Flüchtlinge wie Verbrecher behandelt und das Willkommenszentrum in einen Knast verwandelt habe, erklärt die temperamentvolle Italienerin.

„Mama Rosa“ verlangt humanitären Zugang nach Europa

Sie habe außerdem gelernt, dass jene überladenen Schiffe niemals dazu bestimmt gewesen seien, am Bestimmungsort anzukommen, sondern unterzugehen. Es seien nicht das Meer, die Stürme oder das Pech: sondern es seien die Schleuser, die diese Menschen umbringen – „und wir, mit unseren Gesetzen“ . Deshalb verlangten alle Bewohner von Lampedusa die sofortige Öffnung von humanitären Zugangswegen nach Europa.

Heidrun Friese, Professorin für Interkulturelle Kommunikation (TU Chemnitz), rühmte die große Gastfreundschaft der kleinen italienischen Insel, die auch auf das Ethos der Fischer zurückgehe: Diese fragten nicht nach Herkunft, Name und Nationalität der Verunglückten und nähmen sie ohne zu zögern gastfreundlich auf. Baratta berichtet 2011, beim tunesischen Frühling, sei Chaos auf der Insel gewesen. 9000 Leute waren da, aber die Hilfsorganisationen waren nur auf 2000 Esser vorbereitet. Da hätten sich eben die Insulaner gekümmert und den Hungrigen mit Brot, Pizza und Früchten über die Runden geholfen.