Ein Getränkehändler mit großem Namen und ein Philologe wollen die Kultautomarke Borgward im ganz großen Stil wiederbeleben. Doch Zweifel scheinen mehr als angebracht.

Stuttgart - Christian Borgward und Karlheinz Knöss planen nichts weniger als eine der größten Erfolgsstorys der PS-Branche. Beide haben noch nie eine Fabrik eines Fahrzeugherstellers geleitet, geschweige denn eine Tochtergesellschaft eines Autokonzerns im In- oder Ausland. Dennoch wagen sie es anzukündigen, dass sie aus der untergegangenen Marke Borgward im Raketentempo einen Global Player machen werden. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Borgward und Knöss geniale Gründer sind oder vielleicht doch eher Gestalten, die man mit Don Quijote und Sancho Panza vergleichen könnte, die in Windmühlen Riesen sahen. Wer sind diese Newcomer? Was treibt sie an?

 

Karlheinz Knöss stammt aus der Opel-Stadt Rüsselsheim. Der Philologe war Journalist, heuerte dann bei der deutschen Tochter des schwedischen Autobauers Saab an, wo er die Pressearbeit übernahm. Später wechselte Knöss in die Öffentlichkeitsarbeit des Autoherstellers Daimler, wo man heute aber nicht gut auf ihn zu sprechen ist. In einer Pressemappe, die Borgward zum Genfer Autosalon verteilte, steht: „Als Director of Global Corporate Communications für den Bereich Nutzfahrzeuge war er Vorstandsmitglied und vor allem in strategische Angelegenheiten und M&A-Projekte involviert“.

Einer der mit ihm zusammenarbeitete, aber nicht genannt werden will, meint, diese Formulierung wäre eigentlich fast ein Grund für eine Abmahnung. Als Knöss darauf angesprochen wird, ist es zunächst einmal still am anderen Ende der Telefonleitung. „Das steht da drin? Dann müssen wir das ändern“, sagt er dann und meint, dass dies vielleicht durch eine falsche Übersetzung des Wortes „Executive“ gekommen sein könnte. „Knöss war ein ganz kleines Licht“, sagt der Daimler-Informant zur Position in der Daimler-Hierarchie. „Er wollte uns erklären, wie man Pressearbeit macht, war ein Blender und Aufschneider“. Aber er sei auch ein „Storyteller“, der es schaffe, „aus einem Nichts eine große Sache zu machen – wie jetzt bei Borgward“.

Nach seiner Zeit bei Daimler wurde Knöss freier Berater

Ende 2001 war für Knöss nach zwei Jahren schon wieder Schluss bei Daimler. Er verließ den Autobauer „mit unbekanntem Ziel“, wie ein Mediendienst damals schrieb. Knöss sagt, er habe mit seiner Luzerner Firma V-Max als Berater gearbeitet, bei Restrukturierungen geholfen oder Firmenverkäufen. Im September 2006 trat Knöss dann mit Christian Borgward vor die Presse.

Christian Borgward betreibt einen Getränkehandel mit einem Lieferdienst („Borgward bringt’s) in Wolfsburg und hat einen großen Traum: Er möchte gemeinsam mit Karlheinz Knöss fortsetzen, was sein Großvater Carl F. W. Borgward einst aufgebaut hatte, bevor es krachend einstürzte. „Es waren sehr, sehr viele Steine aus dem Weg zu räumen, erzählte der Wolfsburger Getränkehändler bei diesem Auftritt. Nach langen Verhandlungen habe er inzwischen die nötigen Markenrechte zurückbekommen, die weltweit verstreut gewesen seien. Allerdings fehlte vor neun Jahren noch das nötige Geld – damals war die Rede von einer Milliarde Euro. Auf der Suche nach Geldgebern würden sehr viele Gespräche geführt, international und national. Als Produktionsstandort solle Deutschland „natürlich Priorität“ haben. Näher wollte sich der Visionär nicht äußern – denn dafür sei das Thema zu heiß.

Die Finanzierungshürde soll mittlerweile genommen sein, wie Karlheinz Knöss auf dem Genfer Autosalon versicherte, wo das Duo noch keinen neuen Wagen, sondern nur eine alte Isabella und das neue Markenzeichen zeigen konnte. Statt einem zugkräftigen neuen Modell präsentierten sie erst einmal große Pläne. „Die Wiedergeburt von Borgward ist ein gewaltiges Unternehmen, das in der Automobilindustrie einzigartig ist“, heißt es in der Pressemappe zur Messe. Schritt für Schritt werde ein Global Player aufgebaut.

Das weltweite Headquarter soll in Stuttgart stehen

In völliger Geheimhaltung arbeiten angeblich Entwicklungsteams in der Stuttgarter Region an den zukünftigen Modellen, auch die schon ausgewählten Zulieferer hätten dichtgehalten, sagt Knöss, der stellvertretender Aufsichtsratschef der Borgward AG ist, die bisher in Luzern sitzt. Daraus soll eine Borgward Group AG werden, deren weltweites Headquarter in Stuttgart angesiedelt werden soll – vielleicht zunächst einmal im neuen Bürozentrum City Gate beim Hauptbahnhof, später in der ehemaligen IBM-Zentrale beim Stuttgarter Autobahnkreuz, wie aus einem angeblichen „Konzeptpapier“ hervorgeht, das den „Stuttgarter Nachrichten“ zugespielt wurde. Knöss will sich dazu nicht äußern. Wie er berichtet, sollen weltweit Partner die Wiederbelebung der Marke unterstützen, darunter auch das chinesische Unternehmen Beiqi Foton. Wie genau das gehen soll, ist noch sein Geheimnis.

Hochfliegende Pläne und ein Partner in China

Diese Partnerschaft ist alles andere als naheliegend, denn Foton ist eigentlich ein Lastwagenhersteller, produziert allerdings auch Geländewagen. Gemeinsam mit Daimler stellt Foton in China schwere Lastwagen der Markt Auman her. Foton gehört zu BAIC, einem schwer durchschaubaren Konglomerat aus Staatsunternehmen, hinter dem die Stadtregierung von Peking steht. Jede Provinz oder größere Region in China hat ein Industriekonglomerat wie BAIC. Der Pekinger Industrieriese stellt neben Lastwagen und Personenwagen auch Maschinen her. Durch Joint-Ventures unter anderem mit Daimler, General Motos und Hyundai hat sich BAIC zu einem der fünf wichtigsten Autohersteller entwickelt.

Für Personenwagen ist eigentlich die Tochtergesellschaft BAIC Motor zuständig, an der Daimler beteiligt ist. Unter dem Dach von BAIC Motor ist auch das Gemeinschaftsunternehmen in Peking angesiedelt, das Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz herstellt. Daimler wurde vorab von Foton über die Pläne des chinesischen Partners informiert, teilt ein Sprecher des Stuttgarter Unternehmens mit. Zugleich betont er jedoch: „Es gibt keine Verbindung von Daimler zur Wiederbelebung der Marke Borgward“. Foton selbst will sich nicht zu dem Projekt „Baowo“ äußern, wie Borgward in China heißt.

Wenn es nach den Plänen von Christian Borgward und Karlheinz Knöss geht, wird der Aufbau geradezu explosionsartig verlaufen. Bis 2020 sollen weltweit schon 800 000 Autos verkauft werden, bis 2025 doppelt so viele. Damit würden so viele Wagen der Marke Borgward verkauft wie von Mercedes-Benz heute. Zugleich sollen bis 2020 jedes Jahr zwei neue Modelle auf de Markt kommen. Kann das gelingen?

Zweifel an der Plausibilität der Pläne

„Da passt gar nichts zusammen“, lautet das vernichtende Urteil von Ralf Kalmbach, der beim Beratungsunternehmen A.T. Kearney weltweit für die Autobranche zuständig ist. So schnell könne die Fertigung nicht hochgefahren werden, so Kalmbach, zudem sei es schwer, externe Investoren für solche Milliardenprojekte in der Autoindustrie zu finden, weil diese zyklisch und in der Regel renditeschwach sei. „Ich bin bass erstaunt über diese vollmundigen Ankündigungen“, sagt der erfahrene Berater und wirft die Frage auf, ob es sich dabei womöglich um eine „große Ente“ handle.

Über das Unternehmen Borgward

Stuttgart - Der Name Borgward habe auch heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Untergang des Bremer Automobilimperiums, nichts an Strahlkraft verloren, schreibt der Journalist und Autor Ulf Kaack in seinem vor drei Jahren erschienen Buch über den Aufstieg und Fall des Unternehmens. Der Gründer Carl Friedrich Wilhelm Borgward stammte aus einer Hamburger Kohlenhändler-Familie mit 13 Kindern. Borgward, so Kaack, galt als hemdsärmeliger Selfmademan, begnadeter Konstrukteur und innovativer Techniker. Aus einer kleinen Bremer Kühlerfabrik habe er mit Ehrgeiz und Konsequenz im Laufe der Jahrzehnte ein global agierendes Unternehmen geformt, das die Marken Borgward, Goliath und Lloyd unter einem Dach vereinte.

Ein erster großer Erfolg war der so genannte Blitzkarren. Zum Starten musste das Vehikel angeschoben werden, gestoppt wurde der Motor, indem er „abgewürgt“ wurde. Bei Handwerkern und Kleingewerblern habe der Blitzkarren reißenden Absatz gefunden.

Ende der Zwanzigerjahre übernahm Borgward mit einem Teilhaber die Aktienmehrheit des in Schwierigkeiten geratenen Hansa-Lloyd-Werke, 1937 war Borgward dort Alleinherrscher und gab seinem Imperium den Namen Hansa-Lloyd-Goliath Werke Carl F. W. Borgward.

Vom Hit Isabella zum Flop Arabella

Nach dem Krieg wurde die Borgward Isabella zu einem großen Verkaufserfolg. Der Konzern verdiente mit Personen- und Lastwagen gutes Geld in den Zeiten des Wirtschaftswunders. Doch es habe auch schwere strategische Fehlentwicklungen gegeben, die schließlich 1961 zur Pleite führten. „Die Wurzeln der Insolvenz liegen in der viel zu schnell entwickelten und 1959 mit vielen Kinderkrankheiten auf den Markt gebrachten Lloyd Arabella“, urteilt Kaack. Der Verkauf stockte, Getriebeschäden und Wassereinbrüche schadeten dem Image und verursachten hohe Garantiekosten. Hinzu kamen ein Einbruch der Exporte in die USA und eine wenig schmeichelhafte „Spiegel“-Story mit dem Titel „Der Bastler“. Die letzte Isabella aus Bremen trug vorne ein Schild mit der Aufschrift: „Du warst zu gut für diese Welt“. Nach der Pleite übernahm Daimler-Benz das Werk im Bremer Stadtteil Sebaldsbrück, wo heute mehrere Pkw-Baureihen von Mercedes-Benz vom Band laufen. hap