Der ADAC hat 77 Modelle mit einem verschärften Test überprüft. Die Ergebnisse: Verbrauch und Schadstoffausstoß sind deutlich höher als von den Herstellern angegeben.

München - Aus Schaden wird man klug, heißt es im Volksmund. Was die Automobilindustrie und ihre Verbrauchs- sowie Schadstoffangaben im Jahr zwei nach Auffliegen des VW-Abgasskandals betrifft, sieht es indes anders aus. Das legen jüngste Tests des ADAC nahe. „Die Ergebnisse waren alarmierend“, sagt ein Sprecher des Münchner Automobilclubs. Unter die Lupe genommen hat der ADAC seit September 2016 bislang 77 Autos nach dem neuen und verschärften Ecotest des Automobilclubs. Dieser signalisiert branchenweit kein Umdenken bei realitätsfernen Verbrauchs- und Schadstoffangaben. Dabei hat der ADAC nach dem neuen, ab September 2017 geltenden Labortestverfahren mit dem Kürzel WLTC gemessen und das um realitätsnahe Komponenten angereichert.

 

Diese sind ein Autobahnzyklus, der im WLTC nicht enthalten ist und Messungen auch mit warmen Motor. Der WLTC sieht einen Kaltstart vor. Bei Wagen, die danach in der empfehlenswerten Kategorie liegen, hat der ADAC zudem auf der Straße gemessen. Dabei konnten am Ende überhaupt nur zwei von 38 Diesel-Fahrzeugen empfohlen werden. Aber auch bei Benzinern haben die Tester große und teils bislang unbekannte Differenzen zu den Herstellerangaben enthüllt. In die Irre führen zudem oft die Angaben zum Stromverbrauch von Elektroautos, auch wenn das nicht unmittelbar Schadstoffausstoß am Auto nach sich zieht.

Der ADAC ist alarmiert

Alarmiert ist der ADAC, weil neuerdings auch Benziner mit erhöhten Feinstaubwerten im Ecotest besonders negativ auffallen. Der Partikelausstoß neuer direkteinspritzender Benziner liege im Schnitt um das Dreieinhalbfache höher als der von Vorgängermodellen, betont Dino Silvestro, der Leiter der ADAC-Fahrzeugtests. Betroffen seien nicht nur hoch motorisierte Modelle, sondern weit verbreitete Fahrzeuge wie der VW Tiguan oder der Opel Corsa. Beim Opel wurden erstmals auch erhöhte Stickoxid-Emissionen entdeckt, was bei Benzinern bislang kein Thema war.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) relativiert die Kritik des ADAC und verweist auf technische Neuerungen, die demnächst speziell bei Feinstaub greifen sollen. So werde ein Partikelfilter für Otto-Motoren mit der ab Herbst geltenden neuen Gesetzgebung zum Standard bei neu zugelassenen Benzinern mit Direkteinspritzung, die der ADAC brandmarkt. Schon heute würden solche Filter von vielen Herstellern eingesetzt. Das Feinstaubproblem bei Benzinern werde sich mit der flächendeckenden Verwendung von Partikelfiltern demnächst erledigen, verspricht auch ein großer Autokonzern.

Diesel mit Euro 5 schneiden teils besser ab als Diesel mit Euro 6

Bemerkenswert findet Silvestro, dass Diesel-Autos der Euro 5-Norm im Schadstoffausstoß teils besser abschneiden als solche mit Euro 6-Norm. Das werfe auch ein Schlaglicht auf die in Stuttgart als erster deutscher Großstadt geplanten Diesel-Fahrverbote, die auch andernorts drohen. Denn hier sollen Euro 6-Diesel im Gegensatz zu Euro 5-Dieseln weiter fahren dürfen. Große Abweichungen zwischen dem eigenem Test und Herstellerangaben hat der ADAC zudem bei Plug-in-Hybriden mit kombiniertem Elektro- und Verbrennungsmotor festgestellt. So gibt BMW für einen 225xe auf 100 Kilometern 2,0 Liter Spritverbrauch an. Der ADAC hat im gemischten Betrieb mit 6,3 Litern mehr als das Dreifache ermittelt. Ist die Batterie leer, was nach rund 30 Kilometern passiert, steigt der realistische Verbrauch sogar auf 7,6 Liter.

Die allgemein großen Differenzen zwischen den Herstellerangaben und dem ADAC-Test erklärt der Automobilverband damit dass sich der Test des Clubs in den Randbedingungen vom offiziell vorgeschriebenen Testverfahren unterscheide und weit über den gesetzlichen Anforderungen liege. Hinsichtlich Partikelgrenzwerten hätten alle vom ADAC getesteten Modelle die derzeit gültigen Vorgaben eingehalten. BMW verhalte sich beim Hybrid-Modell gesetzeskonform, stellt auch Silvestro klar. Die offiziellen Testmethoden würden aber Hybridfahrzeuge bevorzugen, was Hersteller nutzen, um ihren Flottenverbrauch – allerdings nur auf dem Papier – zu senken. Gleichwohl können auf diese Weise EU-weit drohende Strafen wegen zu hoher Flottenverbräuche umgangen werden. Die Verbrauchsangaben bei Hybridautos seien branchenweit teils absurd niedrig, findet der ADAC-Experte.

Auch bei reinen Stromern würden sie Verbraucher in die Irre führen. Weil Hersteller nur angeben, wie viel Strom ein Elektroauto im Betrieb saugt, aber Verluste beim Laden unberücksichtigt lassen, würde der reale Stromverbrauch um bis zu einem Fünftel zu niedrig veranschlagt. Die Messungen des ADAC seien nicht falsch, bestätigt man bei einem großen deutschen Autokonzern. Speziell die Abweichungen zwischen Herstellerangaben und realem Verbrauch bei Plug-In-Hybriden seien groß. Das liege aber wie in allen anderen Fällen an dem von Behörden offiziell vorgeschriebenen Messzyklus. „Den haben wir nicht erfunden“, rechtfertigt sich ein Experte des Autobauers.