Einige Literaturkritiker mögen klagen, dass ihre hochkomplexen Lieblingsbücher am Markt nicht ankommen. Fantastisches aber wird nach wie vor in Mengen weggeschmökert. Kai Meyer ist einer der erfolgreichsten deutschen Fantasten – und hat zur Eröffnung des Festivals Dragon Days erzählt, wie er arbeitet.

Stuttgart - Kai Meyer macht einen entspannten Eindruck, die Selbstdarstellungsnummer des zerquälten Dichtergenies überlässt er anderen. Der Siebenundvierzigjährige hat schon viel veröffentlicht – „mindestens 55 Romane, aber ganz genau weiß ich das selbst nicht“, kokettiert er bei der Eröffnungsveranstaltung des Fantastikfestivals Dragon Days in der Stadtbibliothek ein wenig – und notiert beständig neue Ideen. Aber das Publikum wird seiner Werke nicht müde. Meyer ist einer der erfolgreichsten deutschen Genreautoren, in mehr als dreißig Sprachen wurden seine Bücher schon übersetzt.

 

Wie man denn einen Verlag finde, kommt die Frage eines wohl Suchenden aus dem Publikum, und Meyer antwortet griffig: „Agenten helfen!“ So angenehm pragmatisch ist sein ganzes Herangehen ans Schreiben, das er als Handwerk vorstellt. Als Inspiration benötigendes, Lust schaffendes Handwerk, wohlgemerkt.

Lieber keine „Jerry Cotton“-Karriere

In dem von Moderator Björn Springorum gut gelenkten Gespräch erzählt Meyer, der mal ein Volontariat als Zeitungsjournalist absolviert hat, auch von seinen Anfängen als Heftromanschreiber. Er bekam die Muster so gut und fix in den Griff, dass er mit Anfang zwanzig das Angebot erhielt, Hauptautor der Krimireihe „Jerry Cotton“ zu werden. Aber an älteren Kollegen sah er die Verschleißerscheinungen, die eine jahrelange Dauerproduktion formelhafter Texte notwendig mit sich bringt.

Und so lehnte Meyer lieber ab. Sein Herz gehörte sowieso schon damals der Fantastik. Er recherchierte und schrieb dann aber, wieder ganz Pragmatiker, zunächst ein True-Crime-Buch, weil ein Verlag danach verlangte, legte ein paar Krimis nach, weil man ihm die als Nächstes zutraute, und kam so an den Punkt, beim Lektorat Wunschprojekte durchsetzen zu können.

Abgeschlossene Einzelbücher sind in der marktgängigen Fantastik eher die Ausnahme. Auch Meyer schreibt oft Mehrteiler, etwa die Trilogie „Die Seiten der Welt“, „Nachtland“ und „Blutbuch“. Auf Springorums Frage, ob es ihm schwerfalle, sich aus einer erfundenen Welt zu lösen, antwortet er knackig: „Gar nicht. Es reicht irgendwann mal, dann möchte ich was anderes haben.“ Das klingt ehrlich und gar nicht abschätzig gegenüber dem eigenen Schaffen, weckt eher Neugier. Weitere Einblicke in fantastische Werkstätten bieten die Dragon Days noch bis Dienstag, etwa am Samstag, 29. Oktober, ab 19 Uhr in der Liederhalle beim „Star Wars & Gollum-Abend“ u.a. mit dem Tolkien-Illustrator Alan Lee; am Sonntag, 30. Oktober ab 20 Uhr im Museum am Löwentor beim „Game Of Thrones“-Abend u.a. mit dem VFX-Spezialisten Jörn Gr0ßhans; und am Montag, 31. Oktober ab 20.30 Uhr im Metropol beim „The Walking Dead“-Event u.a. mit dem Comiczeichner Charlie Adlard.