Bei den Literaturtagen in Weinstadt berichtet die syrisch-kurdische Autorin Wajiha Said, wie sie nach Endersbach kam, und Schüler schildern ihre Recherchen zum Thema Flucht.

Weinstadt - Versuchen Sie nicht, Al-Hasaka zu verlassen“, hat der Offizier der Autorin Wajiha Said und ihrem Mann eingeschärft. Als die beiden von diesem Verhör in der Abteilung für politische Sicherheit nach Hause kamen, packten sie ihr Hab und Gut in Kartons und verstauten diese an einem sicheren Ort – soweit es in einem kriegsgebeutelten Land wie Syrien überhaupt sichere Orte gibt.

 

Auch ihre Bücher hat Wajiha Said in Al-Hasaka, ihrer Heimatstadt im Nordosten Syriens, zurückgelassen. Ein Dutzend Werke hatte sie bis zu ihrer Flucht nach Deutschland im vergangenen Jahr veröffentlicht. Geschichten, Romane und Gedichte, welche die 46-jährige kurdische Autorin und Frauenrechtlerin ins Visier des Assad-Regimes rücken ließen, weil sie beispielsweise im Buch „Heißer Atem“ über die Geschichte eines politischen Gefangenen schrieb oder die Situation von Frauen im Gefängnis kritisch schilderte.

Nach Deutschland über die Balkanroute

Über die Balkanroute kamen Wajiha Said, ihr Mann, ihr 19-jähriger Sohn und ihre 21 Jahre alte Tochter nach Weinstadt. „Wir sind zwei Wochen lang durch sechs Länder gelaufen“, erzählte die Schriftstellerin und Arabischlehrerin am Freitagabend in der Mensa des Remstal-Gymnasiums bei einer kurzen Lesung im Rahmen der Baden-Württembergischen Literaturtage in Weinstadt. Wie es zu ihrer Flucht kam und was sie dabei erlebt hat, das alles hat Wajiha Said nach ihrer Ankunft zu Papier gebracht. Denn Schreiben ist seit drei Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens.

„Ich habe im Oktober 2015 damit angefangen“, sagt die Schriftstellerin über das Manuskript ihres noch nicht übersetzten oder veröffentlichten Buchs, das den Arbeitstitel „Durchreisen“ hat. Daraus wurden am Freitagabend Auszüge verlesen – von der Autorin in arabischer Sprache, von Schülern des Remstal-Gymnasiums in einer deutschen Übersetzung.

Schüler interviewen Geflüchtete

Zwei Schüler, Robin und Felix, haben Wajiha Saids Geschichte zudem noch in eigenen Worten wiedergegeben: Im Juli hatten sie mit weiteren Schulkameraden an zwei Schreib-Workshops teilgenommen und danach das Gespräch mit geflüchteten Menschen gesucht, die in Weinstadt untergekommen sind. Am Freitagabend stellten die Workshop-Teilnehmer ihre dabei entstandenen Werke vor und schilderten, wie die Begegnungen mit den Porträtierten im Sommer verlaufen sind.

Auf die Fremden zuzugehen sei nicht einfach gewesen, erzählten mehrere der Jugendlichen, die für ihr Engagement jedoch belohnt wurden: Alle sind von den in den Flüchtlingsheimen Lebenden freundlich empfangen worden: „Sie haben sich über unseren Besuch sehr gefreut“, berichtete eine Schülerin. So sind Berichte über unterschiedlichste Menschen entstanden – von der jungen Englischlehrerin, die aus dem Libanon geflüchtet ist, bis zum siebenjährigen Hassan aus Syrien, der sein halbes Leben auf der Flucht verbracht hat, ein berühmter Fußballspieler werden möchte und sogar schon etwas Schwäbisch kann.

Auch für die Jugendlichen waren die Begegnungen mit den geflüchteten Menschen eine echte Bereicherung. „Es war schön, Zeit mit den Flüchtlingen zu verbringen. Ich will auf jeden Fall noch mal hin“, sagte einer der Schüler.

Das Manuskript ist bei Nacht entstanden

Ihr jüngstes Buch hat Wajiha Said vorwiegend nachts geschrieben. Sie habe ohnehin kaum schlafen können und tagsüber sei es im voll belegten Flüchtlingswohnheim viel zu laut gewesen, berichtete die Autorin über die Entstehung ihres jüngsten Werks, mit dem sie ihre Erlebnisse ein Stück weit verarbeitet hat. Inzwischen ist sie mit ihrer Familie in eine Wohnung in Endersbach umgezogen, in Syrien leben noch ihre Schwester und ein Bruder. „In meinem Land wäre ich vielleicht getötet worden“, schilderte Wajiha Said am Freitagabend dem Publikum ihre Gründe für die Flucht aus Syrien: „Ich bin hier glücklich, aber wenn ich in meiner Heimat sein könnte, dann wäre es vielleicht besser für mich und besser für euch. Wir sind nicht da, weil wir euch Sorgen bereiten wollen.“

Nun hofft Wajiha Said, dass sie für ihr fertiges Manuskript einen Verleger findet, der ihr erstes Buch in Deutschland, ihrer neuen Heimat, veröffentlicht.