Mit der Wahl von Franz-Josef Paefgen sind die Aufseher des Zulieferers aus Friedrichshafen wieder handlungsfähig. Die Zukunft von Vorstandschef Stefan Sommer bleibt unklar.

Stuttgart - Der Autozulieferer ZF hat einen neuen Aufsichtsratschef: Franz-Josef Paefgen wird ab sofort dem Kontrollgremium des Friedrichshafener Unternehmens vorstehen. Paefgen wurde in einer außerordentlichen Sitzung des Gremiums am Montag gewählt. Nötig geworden war die Wahl, weil sein Vorgänger Giorgio Behr (69), der nach den ursprünglichen Plänen eigentlich erst Ende März 2018 sein Amt abgeben wollte, vor wenigen Tagen nun hingeschmissen hat. Damit gehört er dem Aufsichtsrat nun noch vier Wochen als einfaches Mitglied an. Bei der Wahl Paefgens war Behr am Montag nicht mehr anwesend. Die Entscheidung „reflektiert meinen Wunsch, Veränderungen nicht im Wege zu stehen“, schrieb er zuvor in einem Brief an die Mitarbeiter. Er sprach sich aber auch für eine konsequente Verjüngung des Aufsichtsrats aus.

 

Nach einer Verjüngung des Aufsichtsrats sieht es vorerst allerdings nicht aus. Paefgen ist 71 Jahre alt. „Die Gesellschafter begrüßen die Berufung von Paefgen mit seiner ausgewiesenen Expertise an der Spitze des Kontrollgremiums“, sagte Andreas Brand, der Oberbürgermeister von Friedrichshafen, nach der Sitzung. Brand, der an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung studiert hat, ist Vorsitzender der Zeppelin-Stiftung, die 93,8 Prozent an ZF hält.

Paefgen kennt die Autobranche

Der Maschinenbauer und Ökonom Paefgen, der in der Nähe von Düsseldorf geboren wurde, kennt die Autoindustrie. Sein Vater hatte eine Autowerkstatt. Paefgen selbst begann seine Karriere bei Ford, später wechselte er unter anderem zu Audi. Zwischen 1995 und 2002 gehörte er dem Audi-Vorstand an, fünf Jahre davon saß er dem Führungsgremium vor. Seit 2008 ist er auch ZF-Aufsichtsratsmitglied. „ZF hat die Herausforderung der Automobilindustrie mit einer Langfriststrategie erfolgreich angenommen und in den vergangenen Jahren eine erfolgreiche Entwicklung genommen. Diesen Kurs wollen wir fortsetzen“, kündigte Paefgen nach seiner Wahl an.

Er dürfte einiges an Expertise mitbringen. Auch als Audi-Vorstand stand er vor Herausforderungen. Damals schloss Audi im Premiumsegment zu Daimler und BMW auf – mit Modellen wie A4, A6 und dem Kompakten A3. Die VW-Tochter investierte zu der Zeit kräftig in neue Technologien. Eine Erfahrung, die ihm nun zugute kommen dürfte. Erfahrungen sammeln konnte er damals auch in Sachen Diplomatie. Bei Audi musste er sich schließlich mit Ferdinand Piëch, dem langjährigen VW-Patriarchen, auseinandersetzen.

Zerrüttet

Derzeit gehen die Wogen im ansonsten eher beschaulichen Friedrichshafen hoch. Das Verhältnis zwischen dem Oberbürgermeister Brand und ZF-Chef Stefan Sommer ist schwer belastet, wie von vielen Seiten zu hören ist. Die Zukunft Sommers am Bodensee, dessen Vorstandsvertrag erst vor Kurzem bis 2022 verlängert wurde, scheint fraglich zu sein, heißt es aus Unternehmenskreisen. ZF selbst äußert sich nicht. Auch eine diesbezügliche Meldung an den Kapitalmarkt gibt es bisher nicht. ZF ist zwar nicht börsennotiert, dennoch hat das Unternehmen viele Investoren.

Stefan Sommer, seit 2012 an der Spitze von ZF, hat ein rasantes Expansionstempo hingelegt. In seiner Amtszeit hat sich der Umsatz auf über 35 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Die Zukäufe – etwa der US-Konkurrenz TRW – waren vor allem fremdfinanziert; doch die Schuldentilgung verläuft planmäßig, teilweise sogar vorzeitig. Sommer plante nun weitere Akquisitionen; der Kauf des Bemsenherstellers Wabco scheiterte wohl am Aufsichtsrat. Brand dagegen schwebte eine deutlich höhere Dividende vor. Das brachte das Fass offensichtlich zum Überlaufen.

„Es ist wichtig, dass jetzt Ruhe einkehrt“

„Es ist wichtig, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt und wir uns auf das Geschäft und den anstehenden Transformationsprozess in der Automobilindustrie konzentrieren“, so Paefgen nach der Wahl. Wie diese Worte zu verstehen sind, bleibt unklar. Die Wahl von Paefgen stärke Sommer, urteilt Willi Diez, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Der frühere Audi-Chef habe einerseits die fachliche Kompetenz, um den Expansionsdrang von Sommer möglicherweise etwas zu bremsen, und andererseits beherrsche er die Moderatorenrolle. Aber kann ein Moderator noch etwas ausrichten? Vielleicht gibt es am Dienstag Klarheit, dann ist nämlich Betriebsversammlung in Friedrichshafen. Brand hat – eine Tradition im Haus ZF – sein Kommen angekündigt.