Der Münchner Autozulieferer Knorr-Bremse prüft nach der Haldex-Übernahme weitere Akquisitionen. Die IG Metall kritisiert, Knorr-Bremse beute aus, verlagere und handle wie eine Heuschrecke.

München - Ein Weltmarktführer von Bremssystemen für Züge und Lastwagen lässt sich von nichts und niemandem aufhalten. Beim Münchner Familienkonzern Knorr-Bremse gilt das sowohl für Gewerkschaften als auch für Kartellämter. Letztere prüfen seit Monaten die Übernahme des schwedischen Bremsenspezialisten Haldex, bei dem die Münchner den Friedrichshafener Konkurrenten ZF in einem heftigen Bieterwettstreit ausgestochen haben. Deshalb musste Knorr-Bremse die Haldex-Angebotsfrist jüngst bis Mitte Juni verlängern, was Konzernchef Klaus Deller aber nicht aus der Ruhe bringt.

 

Mitte 2017 werde der Zukauf perfekt gemacht, für den nach schwedischem Recht keine weitere Fristverlängerung möglich ist, versicherte Deller bei der Vorlage der Bilanz in München. Sollte bis zum Stichtag 16. Juni wider Erwarten noch keine Einigung mit den EU- und US-Kartellbehörden erreicht sein, gebe es aber auch einen Notfallplan. Gefährdet sei die Haldex-Übernahme auch dann nicht. Darüber hinaus bleibe die Akquisitionspipeline gefüllt. Es seien neue Zukäufe auch über das Haldex-Niveau hinaus noch in diesem Jahr denkbar.

Der Konzern hat 2016 sieben Firmen zugekauft

Die Schweden hat Knorr-Bremse mit 580 Millionen Euro bewertet. Sieben Firmen hat der Familienkonzern voriges Jahr zugekauft, von denen außer Haldex alle unter Dach und Fach sind. Absehbar eine Milliarde Euro Umsatz werde das demnächst beisteuern, rechnete Deller vor. Eine weitere oder auch zwei Milliarden Euro mehr Erlös könnten neue Zukäufe bringen.

Knorr-Bremse stehe damit in einer Phase externen Wachstums nachdem es aus eigener Kraft zuletzt nicht rund lief. Voriges Jahr sind die Konzernumsätze um rund sechs Prozent auf 5,5 Milliarden Euro gesunken, weil wichtige Märkte wie China und die USA schwächeln. Marktanteile habe man aber nicht verloren, betonte Deller. Der Jahresüberschuss sei dagegen um 15 Prozent auf 550 Millionen Euro geschrumpft. Umso wichtiger sei es deshalb, dass die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibe. Hier zu Lande zielt das vor allem auf den Standort Berlin, wo allein gut 1200 aller gut 5000 heimischen Beschäftigten arbeiten – noch jedenfalls. Denn das Werk der Berliner Tochter Hass & Wrede mit 125 Arbeitsplätzen wird geschlossen und das Geschäft ins Ausland verlagert. „Das ist alternativlos“, sagt Deller.

Die IG Metall bezeichnet Knorr-Bremse als Ausbeuter

Von weiteren rund 300 Beschäftigten der jüngst zugekauften Berliner Powertech verlangt Knorr-Bremse ultimativ eine unbezahlte Ausweitung auf 42 Wochenarbeitsstunden nachdem die Beschäftigten dort ohnehin schon zur Sanierung ihres Betriebs einer Ausweitung von 35 auf 38 Wochenarbeitsstunden zugestimmt hatten. „Bei uns sind 42 Stunden die Regel“, stellt Deller für den Familienkonzern bundesweit klar. Das sei so, seit Knorr-Bremse 2004 den Arbeitgeberverband verlassen habe, was die Münchner hier zu Lande zu einem führenden Feinbild von Gewerkschaften macht. Zur Bilanzvorlage wurde deshalb auch von der IG Metall vor den Werkstoren protestiert. Knorr-Bremse beute aus, verlagere und agiere wie eine moderne Heuschrecke, finden Gewerkschafter. Zutiefst asozial sei das Verhalten als Arbeitgeber und die Unternehmenskultur antiquiert bis angstbasiert. Gleichzeitig gehe der Konzern mit vollen Kassen auf Einkaufstour.

Deller sieht das ganz anders. Sozial sei, was Arbeitsplätze in Deutschland hält und das tue Knorr-Bremse weitgehend. Das eigene Personal finde das auch gut im Gegensatz zu Gewerkschaften und der Presse, die immer nach etwas Negativem suche. Management wie Unternehmerfamilie würden sich dabei aber nicht beeindrucken lassen und Knorr-Bremse zum Systembieter für selbstfahrende Lkw ausbauen. Technologisch seien elektrifizierte Laster, die ohne Fahrer auskommen auch nicht mehr weit von Zügen entfernt, sodass beide Unternehmenspfeiler immer mehr zusammenwachsen. Eine derart umfassende Systemkompetenz wie Knorr-Bremse sie mittlerweile aufweist, habe sonst kein Konkurrent weltweit im Haus. An der Wachstumsstrategie halte man jedenfalls fest und am Führungsstil sowieso.