Ihr Baby hat sie alleine im Badezimmer zur Welt gebracht. Direkt nach der Geburt hat die 30-Jährige das Neugeborene getötet. Dem Landgericht Heilbronn erklärt sie warum.

Steinheim - Sie schäme sich und erlebe die Tatnacht „wie in Nebel und in Zeitlupe“. Mit diesen Worten hat die 30-jährige Angeklagte aus Steinheim vor dem Heilbronner Landgericht ihre Schuldgefühle beschrieben. Es geht um die Tötung ihres Neugeborenen durch Ersticken – geschehen in der Nacht zum 17. September in der Steinheimer Wohnung. Das Geständnis, vorgelesen vom Anwalt, weist die Richtung des Prozesses, bei dem zunächst das Motiv der Mutter beleuchtet worden ist.

 

Ihr Lebensgefährte habe von der Schwangerschaft nichts gewusst

Verzweiflung hat die zweifache Mutter offenbar zur Tat getrieben. Sie habe ihre Schwangerschaft vor ihrem 47-jährigen Lebensgefährten lange geheimgehalten, weil das Kind „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nicht von ihm stamme, heißt es in dem Geständnis. Sie habe befürchtet, der Lebensgefährte würde sie verlassen, sodass sie mit ihren beiden Kindern alleine weiterleben müsse. Der 30-Jährigen gelang es, ihre Schwangerschaft monatelang zu verbergen. „Ich wollte das Kind selbst heimlich zur Welt bringen“, teilt die Angeklagte mit. Das Neugeborene wollte sie dann an der Baby-Klappe eines Krankenhauses in Stuttgart abgeben – und es nach acht Wochen wieder abholen, um es dann eventuell zur Adoption freizugeben.

Die Realität holte die Frau jedoch in der Nacht zum 17. Februar ein. Das Kind kam früher als erwartet zur Welt. Unter Erbrechen und Durchfall sowie großem Blutverlust gebar sie im Badezimmer das Kind. Die 30-Jährige räumte vor Gericht ein, dass sie dann ein Tuch auf das Baby hielt, damit niemand im Haus dessen Schreie hören konnte. Sie sei sich nachträglich bewusst, dass sie damit die Tötung des Kindes in Kauf genommen habe.

Sexuell habe das Paar eher selten verkehrt

Wie es dazu kommen konnte, dass der Lebensgefährte so lange von der Schwangerschaft nichts gemerkt hat, war einer der Punkte, die den Vorsitzenden Richter besonders interessierten. Deshalb befragte er auch den 47-Jährigen. Dieser gab an, tatsächlich lange nichts bemerkt zu haben, da seine Partnerin auch zu dieser Zeit sehr schlank erschien. Auch sexuell habe er kaum mit ihr verkehrt, sagte er auf Nachfrage. Über die Schwangerschaft sei es dann aber wenige Wochen zuvor zu einem Gespräch gekommen. Dabei habe er offen gelassen, ob er weiter mit seiner Lebensgefährtin zusammenbleiben wolle. Warum die Angeklagte das Kind schließlich dennoch allein gebären wollte, brachte der erste Prozesstag noch nicht ans Tageslicht.

In der Nacht hatte der Lebensgefährte seine Partnerin nur „Husten“ gehört. Es sei normal, dass sich bei Erkältungen die Partner aus dem Schlafzimmer zurückzögen, so seine Aussage vor Gericht. „Ich bin nachts gegen 1  oder 2 Uhr noch einmal aufgewacht und habe gefragt, ob alles in Ordnung ist“, sagte er. Erst als er gegen 6.30  Uhr aufgestanden sei, habe er Bluttropfen im Badezimmer und mit Blut getränkte Handtücher bemerkt. Er habe seine Lebensgefährtin „käseweiß und schon halb weg“ vorgefunden, die Kinder in die Küche gebracht und per Telefon einen Notruf ausgelöst.

Schon seit ihrer Kindheit leide die Angeklagte unter Depressionen

Die Angeklagte, die bereits drei Schwangerschaftsabbrüche hinter sich hat, gab an, schon seit ihrer Kindheit unter Depressionen zu leiden. Man habe ihr immer wieder viel Arbeit aufgelastet, erzählte die Angeklagte aus ihrer Familiengeschichte und ihren beiden gescheiterten Beziehungen, aus der ihre beiden ersten Kinder hervorgegangen waren. Zu wenig Aufmerksamkeit habe auch im Zusammenleben mit ihrem Lebensgefährten in Steinheim eine wesentliche Rolle gespielt, sodass sie sich überfordert gefühlt habe.

Ja, er habe wohl zu wenig getan, äußerte sich der 47-Jährige selbstkritisch. Er habe die Kinder weiterhin bei sich und hoffe, dass das Jugendamt sie auch beide bei ihm lasse. „Die Kinder freuen sich auch immer, wenn sie ihre Mutter sehen“, sagte er. Die Angeklagte sitzt im Gefängnis.

Über das Strafmaß könnten zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen gemacht werden, erklärte der Staatsanwalt nach der Verhandlung unserer Zeitung. Für Totschlag sehe die Gesetzgebung jedoch normalerweise fünf bis 15 Jahre Haft vor. Bei einer „verminderten Schuldfähigkeit“ seien es ein bis zehn Jahre. Es könnte aber auch eine komplette Schuldunfähigkeit erkannt werden.