Der Baby- und Kinderausstatter aus Bad Waldsee kann seine Verluste reduzieren und schreibt sogar einen kleinen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Nach zahlreichen Schließungen in den vergangenen Jahren werden auch wieder neue Filialen eröffnet.

Bad Waldsee - Im Foyer des Versandhauses Walz treffen Vergangenheit und Gegenwart des Kinderwagens aufeinander: Gleich neben dem neuesten Modell der Walz-Eigenmarke „Baby Cab“ steht der Ur-Kinderwagen des Traditionsunternehmens. Er trägt den Namen „Hansi“ und weckt Erinnerungen an die „goldenen Jahrzehnte“ des oberschwäbischen Unternehmens, dessen Name weit über die Grenzen des beschaulichen Städtchens Bad Waldsee und des Landkreises Ravensburg hinaus bekannt ist. Bis in die siebziger Jahre hinein war Walz noch ein Familienunternehmen, gegründet von Alfons Walz, der 1952 den Baby-Walz-Katalog erfand, um „Müttern mit dem Versand von Stramplern die mühselige Suche nach Baby-Artikeln zu erleichtern“, wie es in der Firmenchronik heißt.

 

Als krasser Kontrast zu diesen Zeiten des Aufbruchs ließe sich nun lang und breit die Geschichte des Niedergangs eines Versandhandelsimperiums beschreiben. Die einzelnen Episoden trügen Überschriften wie Neckermann, Karstadt-Quelle, Arcandor oder Primondo. Unter all diesen, mittlerweile zu großen Teilen von der Bildfläche verschwundenen Handelskonzernen, in deren Besitz sich Walz seit den achtziger Jahren befand, gelang es dem Spezialversender von Baby- und Kleinkindausstattung jedoch stets, sich über Wasser zu halten.

Der Geschäftsführer ist Sanierungsexperte

Vorsitzender der Geschäftsführung der Walz-Gruppe ist seit Herbst 2014 Mike Weccardt. Der bekennende Harley-Fan und frühere Footballspieler, Jahrgang 1962, bezeichnet sich selbst als Restrukturierungs-Experten. Er wurde in den vergangenen zehn Jahren als Berater oder Manager bei verschiedenen Sanierungsfällen zurate gezogen, unter anderem bei der deutschen Warenhauskette Strauss Innovation, beim US-Gitarrenbauer Gibson oder bei Eybl, einem österreichischen Einzelhändler für Sportbekleidung. Frühere Stationen des gebürtigen Pforzheimers, der mehr als 13 Jahre in den USA gelebt hat, waren Nike, Intersport, Douglas und Ernsting’s Family.

Weccardt ist das Gesicht des jüngsten Kapitels der Firmengeschichte, das weder durch Familieneigentümer noch durch strategischen Investoren geprägt war: Seit 2010 haben Finanzinvestoren das Sagen in Bad Waldsee. Zunächst übernahm die Münchener Puccini-Gruppe, eine Tochter der großen US-Private-Equity-Gesellschaft Carlyle, insgesamt sechs Spezialversender mit zehn Marken von Primondo. Darunter war auch das Versandhaus Walz mit seinen Marken Baby Walz, Moderne Hausfrau, Walz vital und WalzKidzz. Puccini rutschte selbst in die Insolvenz und reichte das Unternehmen im Frühjahr 2015 an den britischen Finanzinvestor Alteri weiter, einer Tochter der amerikanischen Apollo Global Management.

Der Londoner Einzelhandels- und Konsumgüter-Investitionsspezialist, wie ihn das Fachblatt „Textilwoche“ einmal genannt hat, übernahm Walz in einer finanziellen Schieflage. „Walz musste seinerzeit sehr hohe Anteile des Firmengewinns an den Investor abgeben – investiert wurde nicht“, heißt es bei Verdi in Ulm. Die Gruppe rutschte in die roten Zahlen. Für 2014 weist der Geschäftsbericht einen Verlust von gut 62 Millionen Euro aus. Die Schließung eines Sortimentbereichs mit Spielwaren und Bekleidung für Acht- bis Zehnjährige führte auch zu Umsatzeinbußen. Der Arbeitgeber baute seit 2012 rund 200 Stellen ab, stieg 2013 aus der Tarifbindung aus und erhöhte die Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich – was mittlerweile unter Geschäftsführer Weccardt „probeweise“ wieder zurückgenommen worden sei, heißt es bei der Gewerkschaft.

Der Sparkurs sah auch die Schließung von rund zwei Dutzend Filialen vor. Heute betreibt das Unternehmen bundesweit noch 43 Geschäfte. Bis zum Jahresende sind allerdings schon wieder drei Neueröffnungen geplant. Eine neue Verkaufsfläche wurde bereits im Mai in Dortmund eröffnet, wo Walz als Lizenz-Partner 700 Quadratmeter in einer Karstadt-Filiale bezogen hat. Eine Premiere, mit der sich gewissermaßen auch ein Kreis für beide Unternehmen schließt, die schon einmal „verwandt“ waren (Karstadt-Quelle). Alle Seiten würden von dieser Kooperation profitieren: Walz bekomme Frequenz auf seine Fläche und ziehe gleichzeitig die jungen Kunden für Karstadt an, erläutert Weccardt.

Zuletzt wurde in den Onlineauftritt investiert

Der jetzige Walz-Besitzer würde langfristiger planen und ihm mehr Spielraum für Investitionen geben, so der Geschäftsführer. 2015 wurde ein überarbeiteter Onlineshop eröffnet, knapp dreieinhalb Millionen Euro wurden dafür sowie für Ladenrenovierungen und IT investiert. In den kommenden beiden Jahren soll das Kartonlager in Bad Waldsee automatisiert werden. 3,6 Millionen Pakete verlassen das Logistikzentrum auf dem Betriebsgelände jährlich, 22 000 Artikel lagern dort. Das Unternehmen erzielt nach eigenen Angaben rund 80 Prozent seiner Umsätze im Versandgeschäft. Neben Baby Walz zählen dazu auch noch Portale und Kataloge wie Moderne-Hausfrau, Walzvital und Mirabeau.

Die Veränderungen machen sich bemerkbar: Im Konzernabschluss für 2015, der seit kurzem im Bundesanzeiger nachzulesen ist, weißt die Gruppe einen Ertrag vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 2,8 Millionen Euro aus; im Vorjahr standen an gleicher Stelle noch ein Minus von 4,2 Millionen Euro. Unterm Strich steht jedoch ein bilanzieller Verlust von 7,9 Millionen Euro. Die Umsätze sanken im Vergleich zu 2014 um 1,2 Prozent auf 267,6 Millionen Euro.

Der Sanierungsfachmann Weccardt, der sich nicht zu schade ist, auf der Weihnachtsfeier im Betriebskindergarten in das Nikolauskostüm zu steigen, sieht sich noch nicht am Ziel und würde gern länger Station in Oberschwaben machen. Das Unternehmen beschäftigte im vergangenen Jahr gut 900 Mitarbeiter. Im Sinne dieser Beschäftigten will Weccardt noch zulegen: Man wolle versuchen, wieder ein attraktiver Arbeitgeber zu werden.