Sie waren mit Lady Gaga auf Tour, auf Festivals spielen sie zwischen Metallica und Slayer: Jetzt war die genresprengende japanische Band Babymetal zu Gast im LKA.

Stuttgart - Brachial bearbeit Aoyama Hideki die Double-Bass-Drums seines Schlagzeugs im LKA Longhorn. Tieftönende Gitarrenriffs dröhnen von der Bühne. Szenetypisch in Kutten und Band-Shirts gekleidete Zuschauer formen ihre Hände zum Teufelsgruß. Bevor Su-Metal, Yui-Metal und Moa-Metal die Bühne betreten, erscheint der Auftritt von Babymetal fast wie ein normales Metal-Konzert.

 

Doch die drei sehr jungen, kleinen Japanerinnen sorgen alleine durch ihre Erscheinung für einen Bruch. Mit ihren dunkel-silbern glänzenden Röcken, den kindlichen Pony-Frisuren und schwarzen Handschuhen wirken sie wie aus einem japanischen Zeichentrickfilm entsprungen. Die Band – zwei Gitarren, Schlagzeug, Bass – hält sich dezent im Hintergrund, versteckt hinter weiß bemalten Gesichtern und langen schwarzen Kutten. Der Applaus des Publikums ist von Beginn an frenetisch. Dabei haben Babymetal noch keine Zeile gesungen.

Bei „Gimme Chocolate“ entfaltet sich dann das Konzept der Band. Statt Growls, dem aggressiven Geknurre der Metaller, ertönen kindlich-piepsige und leicht schiefe Mädchen-Gesänge. Die Band spielt eine Mischung von Thrash-, Death- und Nu-Metal mit einzelnen Techno-Einsprengseln, einer guten Prise japanischem Pop und bisweilen gar etwas Hip-Hop. Dazu liefern die drei Japanerinnen eine astreine Pop-Choreografie ab, die so gar nicht zum musikalischen Geknüppel passen möchte. Das ist skurril, doch durchaus unterhaltsam.

Man darf die Band als Metaller gut finden

Babymetal findet in der Metal-Szene entsprechend Beachtung: Guns’n’Roses-Gitarrist Slash lobt sie, mit Rob Halford von Judas Priest standen sie bereits auf der Bühne. Und selbst Shane Embury von Napalm Death schätzt die Band, weil sie eine jüngere Generation zum Heavy Metal führe. Man darf diese Band als Metaller offensichtlich ganz ironiefrei gut finden. Über die Bedeutung von Babymetal wird zwar heftig gestritten. Doch dem bis ins letzte Detail durchdeklinierten Genre kann ein so irritierend schillerndes Projekt sicher nicht schaden.

Von der Idee künstlerischer Autorenschaft muss sich allerdings verabschieden, wer das Phänomen Babymetal verstehen möchte. Entstanden ist die Band aus der sogenannten Idol-Szene Japans. Dort werden junge Mädchen von Unterhaltungsfirmen gecastet und zu Stars geformt. Verehrt werden sie vor allem für ihr hübsches, kindliches Aussehen, weniger für ihre künstlerischen Fertigkeiten. Auch Sakura Gakuin war eine solche Idol-Band aus Zehn- und Fünfzehnjährigen, die ausgetauscht werden, wenn sie das Schulmädchen-Alter überschreiten. Als Suzuka Nakamoto alias Su-Metal 2013 zu alt für Sakura Gakuin war, entschied sich das Management, Babymetal zu gründen.

Von Heavy Metal hatten die drei Idol-Sängerinnen da noch keine Ahnung. Mittlerweile, so versicherten sie dem Fachmagazin „Rock Hard“, würden sie diese Musik schätzen. Das klassische Metal-Handzeichen der Teufelshörner verwechselten sie aber zunächst mit einem Fuchs, der kurzerhand zum Symbol von „Babymetal“ wurde. Er prangt an diesem Abend auf vielen Band-T-Shirts, vereinzelt sind gar Fuchs-Masken im Publikum zu sehen. Überhaupt sind viele junge Menschen ins LKA gekommen, darunter klassische Metalfans, aber auch Nerds, die auf einer Comic Convention kaum auffielen. Die drei schüchtern wirkenden Sängerinnen in ihren Manga-Kostümen bilden eine Art Schnittstelle zwischen beiden Subkulturen.

Die Fans feiern sie mit Sprechchören

Die Fans feiern sie dafür mit ausgiebigen „Babymetal“-Sprechchören, frenetischem Applaus und einem waschechten Moshpit vor der Bühne, den die Band mit der Aufforderung „make a big circle" selbst angestoßen hat. Dass der Auftritt recht formelhaft und wenig leidenschaftlich wirkt, der Sound bisweilen verwaschen ist und der Gesang oft leicht neben dem Ton liegt, scheint die Besucher hingegen nicht im Geringsten zu stören.

Auch dass nach einer Stunde bereits Schluss ist. Artig bedanken sich die drei Sängerinnen noch für die Aufmerksamkeit. Zugaben gibt es aber keine. Dafür am Ende dieses ungewöhnlichen Metal-Konzerts viele schwitzende, glückliche Gesichter unter den Fans.