Die Zahlen des vergangenen Jahres sind gut. Doch die aktuellen Probleme in der Biovergärungsanlage in Backnang-Neuschöntal überschatten den Jahresabschluss der kreiseigenen Abfallwirtschaftsgesellschaft (AWG).

Backnang - Die Bilanz für das vergangene Jahr ist rekordverdächtig: Die Abfallwirtschaftsgesellschaft (AWG) des Rems-Murr-Kreises hat ihren Jahresgewinn um 43 Prozent auf 47 691 Euro gesteigert – laut eigenen Angaben auf den höchsten Wert seit ihrem Bestehen. Und was finanztechnisch wohl noch viel schwerer wiegt: Der Landkreis habe seinem Tochterunternehmen, das selbst keine Gebühren erheben darf, 1,1 Millionen Euro weniger als Kostenerstattung zuschießen müssen, als ursprünglich im Haushalt eingeplant.

 

Einen großen Anteil an der Erfolgsgeschichte schreibt das Unternehmen der Biovergärungsanlage in Backnang-Neuschöntal zu. Erstmals sei dort über ein Jahr hinweg der komplette Biomüll des Rems-Murr-Kreises verarbeitet worden, heißt es in einer Mitteilung der AWG. Das bei der Vergärung entstehende Biogas sei wie geplant zur Stromerzeugung genutzt worden und habe 1,2 Millionen Euro in die Kassen gespült. Auch auf der stillgelegten Deponie in Kaisersbach seien Stromerlöse geerntet worden. Die dortige Fotovoltaikanlage habe 193 000 Euro eingespielt. Die AWG verdiene so nicht nur Geld, sie „leistet durch eine ressourcenschonende und kostengünstige Abfallwirtschaft einen wichtigen Beitrag zum lokalen Klimaschutz“, sagt der Landrat Johannes Fuchs, der auch der Aufsichtsratsvorsitzende der AWG ist.

Doch gerade die vom Landrat immer wieder gerne als „ökologisches Vorzeigeprojekt“ bezeichnete Backnanger Biomüllanlage ist buchstäblich ins Stocken geraten. Seit Mitte Juni wird in Neuschöntal nichts mehr vergärt. Ausgerechnet eine selbst eigens bei einer Fremdfirma in Auftrag gegebene Versuchsreihe mit biologisch abbaubaren Kunststofftüten hat dort offenbar zu einem technischen Defekt geführt.

Rund 1400 Kubikmeter Biomasse mussten mit Saugbaggern aus den zwei Fermentern gepumpt werden, um die 34 Meter langen Bioreaktoren überprüfen zu können. Eine für den Stillstand der Anlage verantwortlich gemachte Sonde habe man mittlerweile bereits identifizieren können. Allerdings werde es wohl noch ein bis zwei Tage dauern, bis die Behälter komplett geleert sind, sagte der AWG-Sprecher Manfred Siglinger gestern auf Anfrage.

Ein Gutachter soll dann das gesamte Innere auf mögliche Schäden überprüfen. Gibt er die Behälter wieder frei, könne der erste wieder geschlossen und mit einem für die Vergärung erforderlichen „Impfmaterial“ befüllt werden. Danach könne das Material auch in den zweiten Fermenter übergeleitet werden. Bis alles wieder im Vollbetrieb laufe, müsse man indes vom Zeitpunkt der Freigabe an noch mit mindestens sechs Wochen rechnen.

Der Verbraucher werde durch den Störfall im Bioreaktor nicht eingeschränkt, versichert die AWG. Zurzeit werde der Inhalt der braunen Tonnen in Fremdanlagen außerhalb des Kreises geleert. Man habe für den Fall von Überkapazitäten vorsorglich einen Rahmenvertrag mit einem Ludwigsburger Dienstleister abgeschlossen, sagt Siglinger. Das Unternehmen kümmere sich nun darum, dass der Biomüll seine Abnehmer findet. Und auch die Kosten für den außerplanmäßigen Ausfall – gerechnet wird mit insgesamt mindestens 850 000 Euro – würden den Privathaushalten nicht via zusätzlicher Gebühren aufgebürdet. Dafür springe die Versicherung des Verursachers ein.

Der Stadt Backnang, die in unmittelbarer Nachbarschaft eine Klärschlammtrocknungsanlage betreibt, fehlt indes ein Gutteil an Energie. Der Kreis hat der Kommune, auf deren Gemarkung er die Bioanlage betreibt, die kostenlose Nutzung der bei der Vergärung entstehenden Abwärme zugesichert. Ob diese für den Ausfall Schadenersatz geltend machen kann, ist bislang noch nicht geklärt. Bei der Abfallwirtschaftsgesellschaft ist man jetzt erst einmal mit Hochdruck bestrebt, die eigene Anlage so schnell wie möglich wieder zum Gären zu bringen. Über eine Fortsetzung der Tütenversuche denke man zurzeit nicht nach, sagt Manfred Siglinger. „Da haben wir momentan ganz andere Sorgen.“

Probleme mit Störstoffen im Biomüll

Biomüll:
Rund 36 000 Tonnen organischer Abfälle fallen in den Privathaushalten des Rems-Murr-Kreises pro Jahr an. Die braunen Tonnen werden mit acht Spezialmüllwagen geleert und seit dem vergangenen Jahr komplett in der Vergärungsanlage in Backnang-Neuschöntal verwertet. Aus dem Biogas wird Strom erzeugt, der für etwa 3000 Haushalte reicht. Zudem entstehen Flüssigdünger und Komposterde für den Garten- und Landschaftsbau. Die entstehende Abwärme wird der benachbarten Klärschlammtrocknungsanlage der Stadt Backnang kostenlos zur Verfügung gestellt.

Störstoffe
: Ein Problem, mit dem man in der Anlage von Anfang an zu kämpfen hatte , sind Abfälle, die nicht über die braune Tonne entsorgt werden dürfen. Vier bis fünf Prozent des angelieferten Materials sind sogenannte Störstoffe – Zigarettenkippen, Windeln, Staubsaugerbeutel, Gläser oder Metallgegenstände – die aufwendig aussortiert werden müssen. Die AWG hat Aufklärungskampagnen gestartet und einigen Müllsündern zuletzt auch die Rote Karte gezeigt und kontaminierten Biomüll stehen lassen.

Biobeutel:
Nicht nur Kunststofftüten müssen aus der Biomasse entfernt werden, sondern auch solche, die im Handel als kompostierbare Biobeutel verkauft werden. Diese zumeist aus Maisstärke hergestellten Tüten sind zwar tatsächlich kompostierbar, dies aber in einem erheblich längeren Zeitraum als in der Anlage in Neuschöntal üblich. Weil dies dem Verbraucher aber nur schwer zu vermitteln ist, hatte die AWG eine Versuchsreihe gestartet.