Die Stadt Backnang feiert ihre erste urkundliche Erwähnung vor 950 Jahren mit einer Ansprache des Ministerpräsidenten und einem großen Volksfest in der Stadt, dem Murr-Spektakel.

Backnang - Beim Festakt zum 950. Geburtstag der Stadt Backnang hat am Sonntagvormittag das Städtische Blasorchester den Besuchern zur Begrüßung ordentlich den Marsch geblasen. Selbiges hat anschließend auch scherzhaft der Oberbürgermeister der Stadt, Frank Nopper, in seinem Grußwort getan – zum Beispiel an die Adresse des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der anlässlich der Feier zur ersten urkundlichen Erwähnung der Stadt im Jahr 1067 als Festredner angereist war.

 

Doch bevor der Landesvater loslegen durfte, stellte der Backnanger Rathauschef bei einem kurzen Ausflug in die Geschichte erst mal lokalpatriotisch-selbstbewusst klar: „Das 885 Jahre jüngere Land ist aus unserer Perspektive der Weisheit und Reife von 950 Jahren historisch betrachtet eigentlich noch gar nicht existent.“ Umso bitterer, dass ausgerechnet das 65 Jahre junge Land die Stadt Backnang „nicht immer gut behandelt“ habe, sagte Nopper im Hinblick auf „den historischen Irrtum, die Kreishauptstadt nach Waiblingen zu legen“. Und das, obwohl Backnang „ein Muster an Landestreue“ sei, sagte Nopper – und schob angesichts des jüngsten behördlichen Wirbels um den neu geschaffenen Annonay-Garten nach: „Abgesehen von kleineren Scharmützeln um den Hochwasserschutz“.

Baden und Württemberg in einer Stadt vereint

Dem Landrat Richard Sigel bescheinigte Nopper „landrätliches Wohlverhalten“ – der erste Mann im Landkreis war mit einem BK-Kennzeichen am Auto zum Festakt gereist. Wenig Aussicht auf Erfolg hat aber vermutlich die Forderung des Backnanger OBs, der Landrat solle die Verwüstung Backnangs durch den Winnender Stadtherrn Heinrich von Neuffen anno 1235 endlich sühnen und „via Kreisumlage einen gerechten Finanzausgleich schaffen“.

Eine alte Stadt in einem jungen Land, das von einem mittelalten Ministerpräsidenten regiert werde – das passe doch alles bestens zusammen, befand Winfried Kretschmann in seiner Rede. Dass Backnang erst badisch, dann württembergisch wurde – und zwar nicht aufgrund von Kriegen, sondern von Heiraten – mache die Stadt natürlich zur baden-württembergischen Stadt schlechthin, sagte der Ministerpräsident: „Welche Stadt kann das schon von sich sagen?“

„Ein Löwe“ von Oberbürgermeister

Obendrein sei der Oberbürgermeister in der Landeshauptstadt als „Löwe von Backnang“ bekannt, „denn Sie haben wie ein Löwe für das Krankenhaus gekämpft. Aber gegen einen Fuchs kann manchmal auch ein Löwe nichts ausrichten“, sagte Kretschmann und hatte die Lacher auf seiner Seite. Nun habe Backnang zwar keine eigene Klinik mehr, gebürtige Backnanger würden also rarer, aber es sei ja Hoffnung in Sicht – in Form des Geburtshauses, das demnächst eröffne. „Und die Stadt arbeitet sicher schon fieberhaft an einem Programm zur Förderung von Hausgeburten und zu Lasten der Kreisumlage.“

Ernstere Töne gab es auch zu hören. „Streit gehört zu einer lebendigen Demokratie, aber zivilisiert miteinander zu streiten ist wichtig“, mahnte der Ministerpräsident. Solidarität, Nächstenliebe und Engagement könnten nicht verordnet werden, „das muss von unten wachsen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei Backnang vielen Flüchtlingen zur Heimat geworden – auch dem späteren Bundespräsidenten Horst Köhler. Nun sei das wieder der Fall. „Heimat wird nicht weniger, wenn wir sie mit anderen teilen. Im Gegenteil: dann wird uns oft erst bewusst, was wir an ihr haben.“