Die Wirtschaftsjunioren werben am Backnanger Max-Born-Gymnasium für das Unternehmertum, sie warnen indes auch vor einer unüberlegten Existenzgründung. Armin Dobler und seine Schüler sind zufrieden, manche Lehrer wollen die Türe aber lieber nicht öffnen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Premiere an einer allgemeinbildenden Schule: Thomas Kneißler von den Rems-Murr-Wirtschaftsjunioren (WJ) steht früh am Morgen vor gut zwei Dutzend Schülern des Backnanger Max-Born-Gymnasiums. Zusammen mit Oliver Kettner von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Waiblingen will er mit den Jugendlichen, die in gut einem Jahr ihr Abitur machen, über Wirtschaft sprechen, über die Tücken und Chancen einer Existenzgründung, über sein eigenes Unternehmen, die Firma Horizont Personalmanagement. Kneißler, der sich vor gut drei Jahren selbstständig gemacht hat, referiert nur ein paar Minuten lang, dann beginnt ein Dialog zwischen den Schülern und den Herren von der Handelskammer – die Wirtschaftsjunioren sind die Nachwuchsorganisation der IHK.

 

Bis dato waren die WJ nach eigenen Angaben fast immer abgeblitzt bei den Schulen. Einzig an den Berufsschulen seien sie gelegentlich zu Gast. Darüber hatten Kettner und der neue Vorsitzende der Wirtschaftsjunioren, Steffen Kohlberger, kürzlich in einem Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung geklagt. Man könne den Eindruck gewinnen, dass viele Lehrer und Schulleiter Angst vor dem Kapitalismus hätten.

Größtes Problem die Finanzierung des Unternehmens

Der Lehrer Armin Dobler, der die Elftklässler am Max-Born-Gymnasium im Fach Wirtschafts unterrichtet, wiederum hatte sich über diesen Zeitungsbericht geärgert – und nach einer kurzen Denkpause zum Telefon gegriffen und die Wirtschaftsjunioren flugs in den Unterricht eingeladen. Deshalb stehen die Herren Kneißler und Kettner jetzt vorne am Pult.

Oliver Kettner berichtet, dass für viele Existenzgründer das größte Problem die Finanzierung des neuen Unternehmens sei. „Wie haben Sie das gemacht?“, will eine Schülerin von Thomas Kneißler wissen. Er habe vorher als Angestellter Geld gespart, die Familie habe ihn unterstützt. Er benötigte also keine Bank. Mit einem Startkapital von 45 000 Euro und dem Übergangsgeld, das von Arbeitsamt kommt – ein paar Monate lang 60 Prozent des letzten Nettogehalts – sei die Gründung der Personalvermittlung gelungen. Aber wohl nur, weil sich der Jungunternehmer zwei Jahre lang kein Gehalt auszahlen musste. Heute beschäftige er zwei Mitarbeiter.

„Arbeit macht Arbeit, das Trikot schwitzt nicht von alleine“

Nächste Frage: „Wie ist ihr neues Unternehmen eigentlich bekannt geworden?“ In erster Line mit Hilfe von Unternehmernetzwerken, wie beispielsweise den Wirtschaftsjunioren, berichtet der Gast im Unterricht. Das A und O seien persönliche Gespräche. Während der ersten eineinhalb Jahre habe er allerdings fast rund um die Uhr gearbeitet, zunächst von daheim aus, später im ersten kleinen Büro. Im Jahr 2013 hätten er und seine Mitarbeiter 22 Personen vermittelt, 2014 seien es 25 gewesen – Horizont kümmere sich in ersten Linie um heiß begehrtes Spitzenpersonal, zum Beispiel um Systemadministratoren.

Eine Schülerin fragt nach Tipps für die Gründung. Wer den Sprung in die Selbstständigkeit wagt, der müsse für sein Vorhaben „brennen“. Und noch etwas: „Arbeit macht Arbeit, das Trikot schwitzt nicht von alleine.“ Ein Unternehmer müsse extrovertiert sein, auf Menschen zugehen, sich selbst gut organisieren und andere motivieren können. Wer „nur“ eine super Idee im Kopf habe, diese aber nicht erklären könne, der werde wohl scheitern. Oliver Kettner sagt, dass rund die Hälfte aller Neugründer nach spätestens fünf Jahren aufgeben, im Gastronomiebereich sogar schon oft nach nur zwei Jahren. Erfahrungsgemäß seien jene Existenzgründer erfolgreicher, die zunächst parallel zu einer Festanstellung anfingen. Dann sei der Druck nicht so groß.

Kritik von Gewerkschaftern

Manche Gewerkschafter wollen nicht, dass Unternehmer auf Schüler losgelassen werden. Sie befürchten, dass die Jugendlichen einseitig informiert werden, dass einzig die Interessen der Wirtschaft angesprochen werden. Während der etwa zweistündigen Visite von Oliver Kettner und Thomas Kneißler am Max-Born-Gymnasium entsteht dieser Eindruck nicht. Die beiden erwähnen auch jene Probleme an, die womöglich gegen einen Sprung in die Selbstständigkeit sprechen. Oft, sagt Kettner, scheitere entweder das Unternehmen oder die Familie des Gründers, weil dieser zu stark zeitlich eingespannt sei.

Ob er nichts vermisse, fragt eine Schülerin Thomas Kneißler. „Nein, eigentlich nicht“, vielleicht die Kantine des ehemaligen Arbeitgebers. Dass er oft nicht wisse, wie viel Geld im nächsten Monat rein komme, das indes belaste ihn mitunter. „Ich schlafe manchmal später ein.“ Aber das gehe wohl jedem Unternehmer so. Oliver Kettner sagt, er werbe auch deshalb für das Unternehmertum, „weil uns ohne Gründer die Arbeitsplätze ausgehen“. Wie sieht Thomas Kneißler seine berufliche Zukunft? Er wolle auch künftig „anständig mit den Menschen umgehen, klar, ich will auch Geld verdienen – aber nicht um jeden Preis.“ In ein paar Jahren hätte er gerne zehn bis 15 Mitarbeiter, dann müsse er gar nicht mehr so viel arbeiten, denn „gute Leute soll man sich entfalten lassen“.

Geschäftstüchtige Schüler

Die Stunde ist zu Ende. Die Wirtschaftsjunioren dürften zufrieden sein. Der Lehrer und die Schüler sind es auch. Und, ist es gut, wenn Wirtschaftsvertreter in den Unterricht kommen? „Auf jeden Fall“, sagt der Schüler Kai Langenekert, „man kann inspiriert werden“. Und dann packt er schnell noch ein paar Produkte aus, die die Schülerfirma verkauft – Oliver Kettner und Thomas Kneißler erwerben jeder ein Brettspiel zum Preis von zehn Euro.