Der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Barthle aus dem Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd ist seit ein paar Tagen Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium – das weckt speziell im Südwesten Begehrlichkeiten.

Schwäbisch Gmünd - Gut schaut er aus, der neue Herr Staatssekretär. Ein Lächeln im Gesicht, leger gekleidet, in Hausschuhen. Es ist einer der ganz, ganz wenigen Tage, die Norbert Barthle von früh bis spät daheim bei seiner Familie im idyllisch gelegenen Örtchen Lindach verbringt, einem Stadtteil von Schwäbisch Gmünd.

 

Barthle ist jetzt 63 Jahre alt, seit 1998 der im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd direkt gewählte Bundestagsabgeordnete. Der Pädagoge und ehemalige Mitarbeiter des Kultusministeriums in Stuttgart war bis vor ein paar Tagen haushaltspolitischer Sprecher seiner CDU/CSU-Fraktion und selbst während der sitzungsfreien Wochen oft in Berlin – die Finanzkrise fordert eben ihren Tribut. Jetzt ist Barthle der neue Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, der Nachfolger von Katharina Reichle, die ziemlich überraschend einen neuen Posten in der Wirtschaft angenommen hat.

Der „schwäbische Hausmann“

Stets hat Norbert Barthle mit Argusaugen darauf geachtet, dass die Steuergelder maß- und sinnvoll ausgegeben werden. Das ist ihm mal besser, mal weniger gut gelungen, schließlich ist so ein Sprecher nicht der Alleinentscheider. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hat ihn als „schwäbischen Hausmann“ bezeichnet, in Anlehnung an die sprichwörtliche schwäbische Hausfrau, die von der Kanzlerin in manchen Reden zur Finanzkrise gepriesen worden ist, weil diese so sparsam wirtschafte. Ein schwäbischer Hausmann also – dieses Attribut hat Barthle gut gefallen. Zumal er seinen beiden mittlerweile 18- und 22-jährigen Söhnen einst versprochen hatte, dass die Bundesregierung noch während seiner Zeit als Chefhaushälter der Union einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen werde. Diese Zusage habe er eingehalten. Auf dem neuen Posten wolle er noch mal so richtig durchstarten, sagt Barthle an diesem Wintertag in Lindach und nippt am Cappuccino.

Ein großer Teil seiner Arbeit galt in den vergangenen Jahren nicht allein dem Haushalt, sondern der Eurorettung. In den Jahren 2010 bis 2012, dem Höhepunkt der Eurokrise, verging kaum ein Tag, an dem Barthle nicht mit Europa beschäftigt war. Als einer von drei Unionspolitikern gehörte der Schwabe dem geheim tagenden Sondergremium des Bundestages zur Eurorettung an: Dieser Ausschuss ist dafür gedacht, im Falle der Zuspitzung der Eurokrise rasch zu entscheiden. Das Sondergremium wurde bisher zwar kaum gebraucht, während des Urlaubs musste Barthle aber jederzeit erreichbar sein.

Barthle stimmte sich immer eng mit Schäuble ab

Weil er als Interviewpartner in der Eurokrise gefragt war, wurde Barthle auch überregional bekannt. Ob Rettungskredite für Griechenland, Portugal oder Irland – Barthle fiel die Aufgabe zu, für die Unionsfraktion die Vertragstexte zu bewerten und Empfehlungen für seine Kollegen im Parlament abzugeben. Der Bundestag organisiert seine Arbeit so, dass ein Abgeordneter nicht alle Themenbereiche überblicken muss. In der täglichen Arbeit verlässt sich die Fraktion auch auf die Expertise der Fachpolitiker. Geholfen hat dem Haushälter, dass er das Vertrauen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) genießt. Beide gehören der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe an. Barthle stimmte sich immer eng mit Schäuble ab. In Beratungen mit der Fraktion wusste Schäuble, dass er sich auf den Haushaltspolitiker verlassen konnte. Vereinzelt wird in der Fraktion die Meinung vertreten, Barthle hätte die Regierung stärker treiben müssen. Schließlich hat das Parlament das letzte Wort. Doch Barthle ist kein Mann des öffentlich ausgetragenen Streits. Konflikte löst er im Stillen.

In seine neue Tätigkeit muss er sich erst noch einarbeiten. Doch das dürfte schneller gehen als beim Start als haushaltspolitischer Sprecher – davon ist er überzeugt. Und nein, ein Politiker müsse keinesfalls ein Fachmann mit einschlägigem Studium sein, um durchzublicken. Barthle hat Germanistik, Sport und Philosophie auf Lehramt studiert – aber viele Fachleute bescheinigen ihm, dass er sich bestens auskenne in der Welt der Finanzen. Der neue Herr Staatssekretär ist jetzt zuständig für alle Straßenbauvorhaben in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland sowie unter anderem für die Themen Luftfahrt, Mobilität und Radwege.

Wünsche aus dem Wahlkreis

Die allermeisten Anfragen, die ihn zurzeit erreichen, betreffen aber die Straßen im Südwesten. In nahezu jedem Glückwunschschreiben werde ihm mindestens ein Projekt genannt, für das er sich unbedingt ganz besonders stark einsetzten müsse. In seinem Wahlkreis ist das der Weiterbau der Bundesstraße 14 in Richtung Backnang. Noch allerdings sagt Barthle dazu: „Ich kann nichts versprechen.“

Künftig wird er vermutlich nicht mehr so oft in den Hauptnachrichtensendungen zu sehen sein, denn ob irgendwo eine neue Straße eingeweiht wird, das interessiert die Masse der Menschen weniger als beispielsweise die neuesten Entwicklungen in Griechenland. Ist der neuen Posten also ein Abstieg? Keinesfalls, sagt er. „Für meine Wähler ist der Wechsel ein Akt der Gerechtigkeit.“ Ungezählte Menschen hätten ihn nach der Wahl angesprochen und gefragt, weshalb er – mit einen Spitzenergebnis von rund 56 Prozent – nicht aufsteige, sein Konkurrent von der SPD, Christian Lange aus Backnang, mit einen miesen Resultat aber Staatssekretär im Justizministerium geworden sei. Angela Merkel habe ihm bereits im Wahlkampf signalisiert, dass er eigentlich „dran sei“. Doch in der Politik müsse eben alles passen – Mann oder Frau? Katholik oder Protestant? Das Herkunftsbundesland. Viele Leute fragten ihn: „Was ist ein Staatssekretär?“ Norbert Barthle antwortet dann immer mit der britischen Bezeichnung: Er sei quasi Vizeminister.

Finanziell betrachtet ist der neue Posten ein Aufstieg

Für Baden-Württemberg könnte der neue Staatssekretär im Verkehrsressort manches leichter machen. Die Landespolitik hat dort nun einen direkten Ansprechpartner. Bei der CSU gehört es schon zur Tradition, dass sie im Verkehrsministerium ihre Leute unterbringt. Sie stellt dort den Minister. Natürlich hat Barthle dort nun die baden-württembergischen Interessen im Blick.

Finanziell betrachtet ist der neue Posten jedenfalls ein Aufstieg, das sagt Barthle so zwar nicht, aber er bestätigt, dass er nun „etwas mehr“ verdiene. Außerdem habe er jetzt einen persönlichen Fahrer. Über mehr Zeit für sich, sein Hobby Skifahren und für die Familie dürfte er indes kaum verfügen. Ein ganzer Tag daheim in Lindach? Das wird auch künftig die ganz große Ausnahme bleiben.