Der Allgemeinmediziner Lutz-Dietrich Schweizer sagt, er bekomme zu wenig Honorar und schließt deshalb seine Praxis in Backnang. Der Auslöser für diesen Schritt sei die Kürzung seines Honorars um 25 000 Euro gewesen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Lutz-Dietrich Schweizer ist kein gewöhnlicher Mediziner. Der Mann, der für die Christliche Initiative Backnang im Gemeinderat der Murrstadt sitzt, zieht die Motivation für seine Arbeit als Mediziner und als Kommunalpolitiker aus seinem Glauben. Der Ausdauersportler und Vater von vier Kindern hat mitunter kühne Vorstellungen von einer gerechteren, besseren Zukunft. Beispiel Backnanger Betreuungsgeld: Eltern, die ihre Sprösslinge nicht in einer Kinderkrippe unterbringen mögen, sollten von der Kommune finanziell unterstützt werden, das fordert er immer wieder. Wer den 61-jährigen Allgemeinmediziner kennt, weiß indes: Dieser Mann steht mit beiden Beinen im Leben – was er beispielsweise mit seinen vielen Marathonläufen bewiesen hat.

 

Seit Jahren betreut der Hausarzt, der in Backnang seine Praxis betreibt, auch Patienten, die es schwer haben, bei Medizinerkollegen unterzukommen: weil sie drogensüchtig sind oder waren, weil sie oft psychosoziale Betreuung benötigen oder weil sie aus anderen Gründen schwieriger sind als der Durchschnittskranke. Kürzlich hatte er als einziger Arzt im Raum Backnang begonnen, auch Cannabis-Arzneimittel zu verschreiben. Das war auch wieder so eine Entscheidung, die Widerspruch provoziert. Bereits vor gut zehn Jahren hat Schweizer gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass er wegen der „dürftigen Honorierung“ seiner Arbeit womöglich eines Tages die Praxis für immer zusperren müsse.

„Unsere Patienten brauchen mehr und teurere Medikamente“

Jetzt ist es so weit. Die Praxis, die er zusammen mit einem bei ihm angestellten Kollegen betreibt, werde Mitte dieses Jahres aus betriebswirtschaftlichen Gründen dicht gemacht. Die sogenannte Gemeinsame Prüfeinrichtung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und der Krankenkassen habe ihm 25 000 Euro an Honorarforderungen gestrichen. Ihm werde vorgeworfen, zu viele Medikamente verordnet zu haben. „Unsere Patienten“, sagt Schweizer, „brauchen aber mehr und teurere Medikamente als der Durchschnitt der Patienten anderer Allgemeinärzte“. Diese Tatsache erkenne die Kassenärztliche Vereinigung leider nicht an.

Seit vielen Jahren wehre er sich auch vor Gericht gegen solche Kürzungen seiner Einkünfte. Zurzeit liefen rund 40 Verfahren, die ältesten reichten rund zehn Jahre zurück. Bis dato habe er immer Recht bekommen, so Schweizer. Als ihm im Herbst 2018 die 25 000 Euro gekürzt worden seien, habe ihm die Bank das Konto gesperrt. Daraufhin habe er ein Haus verkauft, „um akut aus der Krise zu kommen“. Sein Steuerberater habe ihm schon vor längerer Zeit gesagt: So könne es nicht weiter gehen. Wegen der jetzt angekündigten Schließung der Praxis nach gut 31 Jahren fragen sich die Patienten, wie es mit ihnen nun weiter geht. Schweizer spricht von einem „Riesenproblem“, denn Patienten, die mehr Betreuung und Medikamente benötigen als der Durchschnitt, würden von vielen Ärzten nicht so gerne betreut. Zudem arbeiteten viele Ärzte bekanntlich längst am Limit, könnten keine weiteren Patienten annehmen, selbst wenn sie wollten.

Ein „Riesenproblem“ für viele Patienten

Ein Sprecher der KV erklärt auf Anfrage, dass er sich „zu dem konkreten Fall nicht äußern“ könne. Im übrigen habe der Gesetzgeber, nicht die KV, beschlossen, dass „ein Arzt gegebenenfalls in Regress genommen werden kann“. Besonderheiten der Arztpraxen, die sich aus den Erkrankungen der Patienten ergeben, würden allerdings berücksichtigt. In Zweifelsfällen entscheide die Prüfstelle. Ein betroffener Arzt könne aber immer Widerspruch einlegen.

Schweizer sagt, um seine Zukunft und die seiner Angestellten mache er sich keine allzu großen Sorgen. Im Medizinbereich werde Personal händeringend gesucht. Er selbst werde halbtags als kassenärztlich zugelassener Psychotherapeut in Backnang arbeiten. Ferner sei er dabei, sich auf Teilzeitstellen zu bewerben. Die ersten Gespräche seien ganz gut gelaufen. Schweizer: „Der Markt ist auf meiner Seite.“