Im 24. Backnanger Jahrbuch erzählt der Historiker Gerhard Fitz vom Leben einer „Wiederholungstäterin“ im 17. Jahrhundert. Die Frau hatte mehrmals unehelichen Verkehr und wurde zur Strafe des Landes verwiesen. Ihr Glück im Unglück: Württemberg war damals nicht allzu groß.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Es ist noch gar nicht so sehr lange her, dass Sex vor der Ehe ein Tabu war. Keine Frage, uneheliche Kinder wurden schon immer geboren, doch mindestens bis in die 1950er-Jahre hinein waren nicht verheiratete Frauen mit Kindern geächtet. Die Männer und Erzeuger hingegen waren meistens fein raus.

 

Noch mal 300 Jahre vorher war die sogenannte Scortation – im württembergischen Recht ein Terminus für unehelichen Geschlechtsverkehr – noch eine schlimme Straftat. Von so einer wiederholten Scortation Mitte des 17. Jahrhunderts erzählt Gerhard Fritz im jetzt erschienen Backnanger Jahrbuch 2016. Der Historiker hat in alten Akten ein Gnadengesuch der „Wiederholungstäterin“ Margaretha Bernhard aus Bruch (heute ein Teilort der Gemeine Weissach im Tal) gefunden. Adressat des Gesuches war der Herzog von Württemberg, Eberhard III. Die Frau, die drei uneheliche Kinder geboren hatte, war als Strafe für den außerehelichen Verkehr des Landes verwiesen worden. Dabei hatte sie noch Glück gehabt, man könnte sagen: Glück im Unglück. Denn sie hatte nicht allzu weit weg ziehen müssen, nach Langenberg, das zum Kloster Adelberg gehörte. Württemberg war klein anno dazumal.

Eine Hure, hieß es, bringe Unheil über ihr ganzes Dorf

In dem Prozess im Jahr 1642 war Margaretha Bernhard als besonders belastende Tatsache vorgeworfen worden, dass sie drei uneheliche Kinder zur Welt gebracht hatte, sogenannte Bastarde. Zwei Geburten und drei Kinder: das machte sie nach den Vorstellungen jener Zeit zu einer Hure. Ob sie womöglich vergewaltigt wurde, ob die Väter sich schlicht aus dem Staub gemacht hatten – das interessierte niemanden. Eine Hure, so die damalige Vorstellung, bringe Unheil über ihr ganzes Dorf.

Fünf Jahre später wurde die Täterin aber begnadigt. Warum nur? Die reuige Sünderin hatte ihre Strafe akzeptiert, das Land verlassen. Die Kinder waren verstorben, und sie hatte, wie es so (un)schön heißt, anständig gelebt. Noch wichtiger für den Herzog und für Württemberg indes war, dass der Dreißigjährige Krieg und die Pest mehr als die Hälfte der Bevölkerung hinweggerafft hatten. In Backnang, so Fritz in seinem Essay, sei die Bürgerzahl sogar um „unglaubliche“ 63 Prozent zurückgegangen. Und „angesichts dieses Albtraums“ sei es naheliegend gewesen, dass das Herzogtum jeden Menschen brauchte. Margaretha brachte ja sogar einen Mann mit, und es sei zu erwarten gewesen, dass aus der Ehe Kinder hervorgingen und damit die dringend benötigten Untertanen für das siechende Herzogtum.

OB Nopper: Lebendige Geschichtsschreibung

Im Backnanger Jahrbuch beleuchten mehrere Autoren die unterschiedlichsten lokalen Themen. Der Stadtarchivar Bernhard Trefz zum Beispiel schreibt über Feldpostkarten von Großaspacher Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, und Antje Hagen über „soziale Verantwortung eines Unternehmens“ am Beispiel der Sozialprogramms der Backnanger Spinnerei Adolff. Das Unternehmen hat in den 1970er-Jahren mit seinen Tochterwerken rund 8000 Mitarbeiter beschäftigte, 1991 musste aber Konkurs angemeldet werden. OB Frank Nopper sagt mit Blick auf das Buch, dass Backnang „durch lebendige Geschichtsschreibung immer vertrauter werde“.