Ein psychisch Kranker ist am Dienstag aus einer Bad Schussenrieder Klinik geflohen. Die Polizei sucht nach dem 30-jährigen Mann.

Lokales: Christine Bilger (ceb)
Stuttgart - "Das ist keine gute Nachricht." So reagierte ein Mitglied der tamilischen Gemeinde Lebendiges Wort, als am Dienstag die Flucht des Mannes bekannt wurde, der im April 2005 in der Christuskirche in Zuffenhausen bei einem Treffen der Gemeinde ein schockierendes Blutbad angerichtet hatte. Bei einem Amoklauf mit einem Samuraischwert und einem Messer hatte der damals 25 Jahre alte Ranjithakumar V. eine Frau getötet und drei Menschen schwer verletzt. Das Stuttgarter Landgericht wies ihn nach der Tat wegen Totschlags in eine psychiatrische Klinik ein, weil bei ihm eine paranoide Schizophrenie festgestellt worden war und er deshalb als schuldunfähig galt.

In Bad Schussenried hatte der 30 Jahre alte Klinikinsasse, der aus Sri Lanka stammt, am Samstag Ausgang. Er kehrte nicht zurück, vermutlich aus Angst vor einer Abschiebung aus Deutschland, so die Polizei. Der Ausgang war genehmigt worden, weil V. nicht mehr als gefährlich gegolten habe, teilte der Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie, Heiner Missenhardt, mit. "Es gab keinen Abschiebebeschluss, sondern nur die Einschätzung seines Anwalts, dass es bald dazu kommen könnte", so Missenhardt. Der Asylantrag sei schon vor der Tat und vor dem Klinikaufenthalt abgelehnt gewesen. V. hatte damals den Status der Duldung. Deswegen hätten für den Patienten strengere Sicherheitsvorkehrungen gegolten, als bei seinem guten Heilungsverlauf üblich.

"Die Behandlung ist mustergültig verlaufen"


Gegen 12 Uhr war den Mitarbeitern der Anstalt in Bad Schussenried am Samstag aufgefallen, dass der Patient nicht zum Mittagessen erschienen war. Gegen 17 Uhr informierten sie die Polizei, die kurz darauf auch die Stuttgarter Ordnungshüter informierte. "Es ist bekannt, dass Ranjithakumar V. Eltern und Geschwister hier in der Gegend hat, zu denen er Kontakt hielt", sagt der Polizeisprecher Jens Lauer. Die Fahnder informierten V. Familie, die in einer Kommune auf den Fildern lebt, und baten sie, sich zu melden, falls der Entflohene sich an sie wenden sollte. Man habe aber noch keine Hinweise von den Verwandten erhalten. Auch zum Anwalt des Mannes habe die Polizei Kontakt aufgenommen. Den Mitgliedern der tamilischen Gemeinde, die die Tat damals in der Christuskirche in Zuffenhausen erlebt hatten, teilte die Polizei nichts über die Flucht mit. "Wir gehen nicht davon aus, dass er dorthin zurückkehrt und da weitermacht, wo er damals aufgehört hat", so Lauer.

In der Klinik habe es keine Hinweise auf eine Flucht gegeben, hieß es gestern. "Die Behandlung ist mustergültig verlaufen, das Krankheitsbild ist völlig abgeklungen", sagt der Klinikchef. Der Patient habe Psychopharmaka bekommen und einen Vorrat für eine Woche aus der Klinik mitgenommen. Ohne die Medikamente bestehe die Möglichkeit, dass die Krankheit bei dem 30-Jährigen allmählich wieder ausbreche. Wegen der möglichen Abschiebung habe die Klinik den Mann länger behalten, als es seinem positiven Heilungsprozess entspreche. "Eigentlich hätte er bei seinem Fortschritt schon in eine betreute Einrichtung umziehen können. Aber durch das ausländerrechtliche Verfahren hat sich das verzögert", sagt der Chefarzt. Dadurch habe er auch erst seit eineinhalb Jahren unbegleiteten Ausgang auf dem Klinkgelände gewährt bekommen.

Die Tamilen sind noch nicht in ihr Gotteshaus zurückgekehrt


Die Polizei hofft auf Hinweise von den Kontaktpersonen des 30-Jährigen. Er soll zur Zeit seiner Flucht eine grüne Cargo-Jacke, eine blaue Jeans und eine schwarze Kappe getragen haben. Ranjithakumar V. ist 1,79 Meter groß, dunkelhäutig und hat dunkle Haare und dunkle Augen und trägt einen Kinnbart.

Die Gemeinde in Zuffenhausen will sich zur Flucht des Mannes nicht äußern. Die Tamilen in der Region haben kein Verständnis dafür, dass er Ausgang bekam, auch wenn er als geheilt gilt. Nach dem Überfall ist die Gemeinde Lebendiges Wort in benachbarten Kirchen untergekommen. Bis heute können sie ihre Gottesdienste nicht mehr in der Christuskirche in der Zuffenhäuser Cheruskerstraße feiern - so tief sitzt immer noch der Schock bei den rund 80 Gemeindemitgliedern.