Nach den Ermittlungspannen bei der NSU-Mordserie regelt nun auch Baden-Württemberg den Einsatz von V-Leuten gesetzlich. Außerdem sollen Parlamentarier künftig Informationen über das Treiben der Spitzel einfordern können. Die Grünen sind noch nicht zufrieden.

Stuttgart - Als Reaktion auf die NSU-Mordserie bekommt der Verfassungsschutz im Südwesten strengere Regeln für den Einsatz sogenannter V-Leute. Die vier Fraktionen im Landtag haben sich dafür auf gesetzliche Regeln geeinigt. „Es ist ein großer Schritt, dass vier Fraktionen gemeinsam sehen, dass es Regelungsbedarf gab und sich auf Regelungen geeinigt haben“, sagte der Leiter der interfraktionellen Arbeitsgruppe, Sascha Binder (SPD), am Dienstag und bestätigte damit einen Bericht der „Südwest Presse“. Außerdem soll es künftig ein Parlamentarisches Kontrollgremium für die Arbeit des Verfassungsschutzes geben. Die Grünen sehen die neuen Vorgaben für die V-Leute jedoch nicht als endgültige Regelungen an.

 

Bei den neuen Richtlinien stützen sich die Parlamentarier auf das derzeit diskutierte Gesetz im Deutschen Bundestag zum Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Leuten) durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. V-Leute sind Mitglieder einer Gruppierung beispielsweise im rechten Milieu, die den Behörden gegen Bezahlung über einen längeren Zeitraum Informationen geben. Wie viele V-Leute es im Südwesten gibt, will das Innenministerium nicht sagen.

Nach den neuen Regeln dürfen V-Leute nicht minderjährig sein und nicht finanziell abhängig von ihrer Tätigkeit für den Verfassungsschutz. Sie dürfen nicht an einem Aussteigerprogramm teilnehmen sein. Ehemalige Häftling sind als V-Leute ausgeschlossen. Außerdem muss der Einsatz von V-Leuten „unverzüglich“ beendet werden, wenn sie „einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht“ haben, heißt in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, ohne konkretere Angaben.

Die Grünen bezeichnen die Einigung der vier Fraktionen aber nur als Zwischenschritt. Sie hatten sich nicht mit ihrem Vorhaben durchsetzen können, V-Leute ausschließlich im Kampf gegen gewaltbereite Extremisten einzusetzen. Am Dienstag sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Uli Sckerl: „Die für Februar 2016 erwarteten Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses werden letztlich für uns maßgeblich für den weiteren Umgang mit V-Leuten sein.“

Baden-Württemberg folgt mit seinen Vorgaben Nordrhein-Westfalen

Die FDP sieht die Notwendigkeit von V-Leuten dagegen nicht nur in gewaltbereiten Gruppierungen. „Nur so kann die zunehmende Radikalisierung extremistischer Zusammenschlüsse frühzeitig erkannt werden“, sagte der innenpolitische Sprecher Ulrich Goll. Aktuell regelt eine interne Dienstvorschrift des Landesamtes für Verfassungsschutz den Einsatz und die Auswahl von V-Leuten. Bereits bisher erfolgt laut Innenministerium die Abschaltung von V-Leuten, die eine schwere Straftat begangen hatten. So soll der Gründer des Ku-Klux-Klans in Schwäbisch Hall nicht mehr als V-Mann tätig gewesen sein, nachdem seine Aktivitäten bekanntgeworden waren.

Darüber hinaus will der Landtag am Mittwoch über das neue „Gesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes“ beraten. Der Landtag soll ein Parlamentarisches Kontrollgremium erhalten, das umfassend über die Arbeit des Verfassungsschutzes auch mit Blick auf die Arbeit der V-Leute informiert werden soll. Künftig sollen die Parlamentarier auch Informationen zu laufenden Ermittlungen einfordern können, ebenso wie Akteneinsicht. Am Donnerstag sollen im Ständigen Ausschuss per Änderungsantrag die Regelungen zu den V-Leuten in das Gesetz eingefügt werden.

Baden-Württemberg folgt mit seinen Vorgaben Nordrhein-Westfalen. Das Land hatte 2013 nach eigenen Angaben als bundesweit erstes Land den Einsatz von V-Leuten gesetzlich geregelt. Thüringen hat wiederum vor wenigen Wochen entschieden, künftig grundsätzlich auf V-Leute zu verzichten.

Die Regelungen sind eine Reaktion auf das Versagen der Behörden bei der Aufklärung der Mordserie des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrundes“. Dem NSU werden die Morde an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmen sowie der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn zur Last gelegt.