Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit ist niedrig und die Konsumenten haben recht häufig viel Geld in der Tasche. Klingt nach idealen Geschäftsbedingungen für Geschäftsinhaber - oder?

Stuttgart - Baden-Württembergs Einzelhändler nehmen trotz der guten Konjunktur nur etwas mehr Geld ein als zuvor. Der Umsatz sei in den ersten sieben Monaten 2017 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur um 0,7 Prozent gestiegen, teilte der Handelsverband Baden-Württemberg am Dienstag in Stuttgart mit. Der Bundesschnitt lag mit 2,8 Prozent deutlich besser. Die Werte sind real, die Inflation ist also schon herrausgerechnet.

 

Verbandschef Hermann Hutter vermutete, dass der schwache Zuwachs strukturell bedingt ist - im Südwesten gibt es nach seiner Darstellung recht viele kleine Städte, die an Anziehungskraft eingebüßt haben und wo selbstständige Einzelhändler zu kämpfen haben.

Die Zahl ist insofern überraschend, weil Baden-Württemberg normalerweisedeutlich besser abschneidet als der Bund - die Einwohner im Südwesten verdienen relativ gut und geben daher mehr Geld aus als Einwohner anderer Bundesländer. 2016 lag Baden-Württemberg erstmals nach langer Zeit unter dem Deutschlandwert, nun ist es abermals so.

Schwaches Plus liegt auch an hohem Niveau

Das hierzulande nur schwache Umsatzplus liegt Hutter zufolge wohl auch daran, dass man schon auf einem hohen Niveau ist - also weiteres Wachstum schwerer zu erzielen sei als anderswo. Es gebe im Südwesten „eine gewisse Sättigung“ beim Konsumenten, sagte Hutter. Hinzu komme, dass Sondereffekte wie Einkaufstourismus aus der Schweiz etwas weniger stark ins Gewicht fielen als zuvor.

„Der Handel hat keine einfache Zeit“, sagte der Verbandspräsident. „Die Digitalisierung ist voll im Lauf, da muss sich der Handel neu positionieren.“ Er appellierte an die Landesregierung, Firmen stärker unter die Arme zu greifen. So sollte auch künftig ein sogenannter Digitalisierungsbonus gezahlt werden. Hierbei bekommen Firmen zum Beispiel für die Einrichtung eines Online-Shops staatliche Hilfen.

„Wir sehen das Thema Online mit gemischten Gefühlen“, sagte Harald Hepperle, Chef des Spielwaren-Händlers Kurtz. Es sei zwar klar, dass Kunden sowohl online als auch in stationären Geschäften einkaufen wollten. Für seine Branche sei das aber ein Lernprozess.

Der Ausbau des digitalen Vertriebsweges ist auch aus der Sicht von Hutter alles andere als ein Selbstläufer. „Da zahlt man nicht nur Geld, sondern auch Lehrgeld.“ Das „Multichannel“-Konzept - also die Kombination von digitalen und stationärem Vertrieb - sei der beste Weg.

Baden-Württembergs Einzelhandel hat knapp eine halbe Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Die 40 000 Handelsfirmen kommen den Angaben zufolge auf einen Jahresumsatz von 90 Milliarden Euro.