Hebammen in Existenznot: Der schrumpfende Versicherungsmarkt treibt immer mehr Hebammen aus der Geburtshilfe. Eltern schlagen Alarm und tragen ihre Verzweiflung auf die Straße.

Hebammen in Existenznot: Der schrumpfende Versicherungsmarkt treibt immer mehr Hebammen aus der Geburtshilfe. Eltern schlagen Alarm und tragen ihre Verzweiflung auf die Straße.

 

Karlsruhe - Viele werdende Eltern im Südwesten suchen händeringend nach einer Hebamme. Es werde zunehmend schwieriger, jemanden zu finden, der eine Schwangere vor, während und nach der Geburt betreue, sagte Cerstin Jütte, Vorstandsmitglied des Karlsruher Elternvereins Happy Birthday. Wegen hoher Versicherungsbeiträge ziehen sich immer mehr Frauen dieser Berufsgruppe aus der Geburtshilfe zurück. „Die Eltern sind fassungslos, wütend auf die Politik und enttäuscht.“

In ganz Deutschland gingen Eltern am Samstag auf die Straße, um ihre Solidarität mit den Hebammen zu zeigen und die Bundespolitik zum Handeln aufzurufen. In Stuttgart waren es rund 250 Menschen. Die Demonstration verlief ohne größere Zwischenfälle, wie ein Sprecher der Polizei sagte. Auch in Karlsruhe und Ravensburg machten sich Menschen für die Berufsgruppe stark. „Wir treten für unser Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes ein und für die Begleitung durch eine Hebamme“, betonte Jütte.

Die Vorsitzende des Hebammenverbandes, Jutta Eichenauer, sagte: „In Baden-Württemberg verzeichne ich gerade einen wahnsinnigen Hebammenmangel. Mich rufen verzweifelte Eltern an, die sagen: „Wir suchen eine Hebamme und finden keine.““ Die Freiberuflichkeit lohne sich für die Berufsgruppe einfach immer weniger. Die Haftpflichtbeiträge seien so hoch, dass eine freiberufliche Hebamme die Summe erst mit zehn bis 20 Geburten erwirtschaftet habe. „Und dann kann sie erst anfangen, Geld zu verdienen“, sagte Eichenauer.

Hebammenverbände müssen neue Haftpflichtversicherung finden

Weil sich die Versicherungstarife in den vergangen Jahren vervielfacht haben, sehen die freiberuflichen Hebammen ihre berufliche Existenz in Gefahr. Das Problem hat sich noch verschärft: Einer der wenigen Versicherer, die überhaupt noch Angebote für freiberufliche Hebammen haben, will sich zum 1. Juli 2015 aus diesem Markt zurückziehen. Mit diesem Schritt der Nürnberger Versicherungsgruppe ist die Zukunft des Berufsstandes noch unsicherer als zuvor.

Die Hebammenverbände müssen eine neue Haftpflichtversicherung finden - bislang bekommen sie nach eigenen Angaben nur Absagen. Die Versicherer verweisen auf immense Kosten für Geburtsschäden infolge von Behandlungsfehlern. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat den Hebammen Hilfe zugesagt, die Details sind aber noch offen.

„Die Sorgen der Hebammen sind mehr als begründet“, sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums. „Da ist in der Tat der Bund gefragt, und das kann auch nur der Bund lösen.“ Einen Hebammenmangel gibt es nach Kenntnis des Ministeriums bislang nur in einzelnen Regionen im Südwesten. Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) erklärte: „Die Tätigkeit freiberuflicher Hebammen ist für uns unverzichtbar. Deshalb muss alles versucht werden, um diese bedrohliche Situation zu entschärfen.“ Eine Möglichkeit ist dem Sprecher zufolge ein steuerfinanzierter Haftungsfonds.