Die grün-schwarze Regierung hat sich wieder zusammengerauft: Abschiebungen nach Afghanistan wird es weiter geben. Im Detail bleiben die Einschätzungen aber etwas unterschiedlich - zum Beispiel in der Frage, ob dem Innenministerium Fehler unterlaufen sind.

Stuttgart - Die grün-schwarze Landesregierung will trotz großen Unbehagens in der grünen Partei weiter abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abschieben. Die Koalition einigte sich am Dienstag nach langem Gezerre in Stuttgart auf eine gemeinsame Linie. Demnach soll das CDU-geführte Innenministerium jeden Einzelfall sorgfältig prüfen. Auch sollen gut integrierte Asylbewerber aktiv auf die in einem Bundesgesetz verankerte Möglichkeit hingewiesen werden, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Zudem will sich das Land beim Auswärtigen Amt dafür einsetzen, dass abgeschobene Asylbewerber nach ihrer Rückkehr in Afghanistan besser betreut werden.

 

Hintergrund für die Auseinandersetzung war eine vom Bund geleitete Sammelabschiebung nach Afghanistan am 22. Februar. Baden-Württemberg hatte sich daran mit vier abgelehnten Asylbewerbern beteiligt. In zwei weiteren Fällen stoppten Gerichte aber kurzfristig die zwangsweise Rückführung in das Land am Hindukusch. Die Grünen warfen Innenminister Thomas Strobl (CDU) daraufhin „katastrophale Pannen“ vor. Bei den Grünen gibt es viele, die die Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen möchten. Doch das will die Landesregierung nicht. Denn sie sieht die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob in ein Land abgeschoben werden kann oder nicht, erst einmal beim Bund.

Vorrangig alleinstehende Männer sollen zurückgebracht werden

Darüber, ob dem Innenministerium Fehler passiert sind, gingen die Meinungen am Dienstag auseinander. Minister Strobl sagte: „Nein, es hat keine schwerwiegenden Pannen gegeben im Innenministerium.“ Seine Beamten hätten jeden Einzelfall sorgfältig geprüft und sich auf ältere Gerichtsentscheidungen zu den beiden infrage stehenden Fällen verlassen. Demnach hätten die Männer abgeschoben werden dürfen. „Dass Richter unterschiedlicher Meinung sind, ist eben so.“ Hingegen bekräftigte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz: „Nach unserem Empfinden sind die Verfahren nicht sauber durchgeführt worden.“

Bei einem zur Abschiebung vorgesehenen Afghanen handelte es sich um einen Vater zweier minderjähriger Kinder. Die grün-schwarze Landesregierung hat sich aber in Leitlinien darauf verständigt, dass vorrangig alleinstehende Männer und Straftäter in das Land am Hindukusch zurückgebracht werden sollen. Dazu befragt, meinte Strobl am Dienstag: „Vorrangig heißt nicht ausschließlich.“ Im Fall des Familienvaters sei zudem das Sorgerecht für eines der Kinder nicht ganz klar gewesen. Es habe auch ein Strafverfahren gegen den Mann gegeben, das aber eingestellt worden sei. „Die Familienverhältnisse sind jedenfalls nicht sehr geordnet“, meinte der Innenminister.

Die Grünen sehen es als großen Gewinn an, dass das Land Asylbewerber, die seit langem im Südwesten leben, - hier gut integriert aber eigentlich ausreisepflichtig sind - ausdrücklich auf die Möglichkeit hinweisen muss, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Zuständig dafür ist das Regierungspräsidium in Karlsruhe. Grundlage dafür sind Regelungen im Aufenthaltsgesetz des Bundes. Innenminister Strobl wies aber den Eindruck zurück, als ob dies bislang nicht geschehen sei. „Das ist nichts Neues. Das ist geltendes Recht.“ Er erinnerte daran, dass das Land grundsätzlich dazu verpflichtet ist, ausreisepflichtige Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückzubringen.

Kritik von FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke

Nach Angaben der Grünen-Landtagsfraktion gibt es im Südwesten 2251 ausreisepflichtige Afghanen. Davon seien mehr als 900 länger als sechs Jahre in Deutschland, sagte Fraktionschef Schwarz. Erfüllen sie weitere Voraussetzungen, die das Bundesgesetz nennt, kämen sie theoretisch für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen infrage.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf der Landesregierung vor, Einigkeit bei den Abschiebungen zu zelebrieren und dann den Streit fortzusetzen. Das schade dem Ansehen des Rechtsstaates und sorge bei der Bevölkerung für Politikverdrossenheit. „Der Streit ist gewollt, denn die grünen und schwarzen Wahlkämpfer profitieren von dem Theater, indem sie bei ihrer jeweiligen Gefolgschaft den harten Umgang mit dem Koalitionspartner anpreisen können“, meinte Rülke.