Die ersten Maschinenbauer und Autozulieferer im Südwesten bekommen die Auswirkungen der VW-Abgasaffäre zu spüren. VW kürzt teils die Investitionsbudgets.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Stuttgart - Der VW-Abgasskandal schlägt nach und nach auch auf die Maschinenbauer und Autozulieferer in Baden-Württemberg durch. „Wir hören von Unternehmen immer wieder, dass die Investitionsbudgets bei VW knapper, Investitionen geschoben oder Projekte storniert werden“, sagt Dietrich Birk, Geschäftsführer des Verbands Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Baden-Württemberg. Das Gesamtausmaß sei allerdings noch nicht abschätzbar, denn der Abgasskandal werde VW noch länger beschäftigen. Birk weiß allerdings auch von einigen wenigen Unternehmen, die durch den Abgasskandal stärker ins Geschäft mit VW gekommen sind. Dabei gehe es um Projekte in der Motorenentwicklung, um die Abgasproblematik beim Diesel über Effizienzsteigerung in den Griff zu bekommen.

 

Autohersteller sind für den Maschinenbau wichtige Kunden

Für die Maschinenbauer im Land sind die Autohersteller wichtige Kunden. Je nach Teilbranche liege die Abhängigkeit von der Autobranche bei 30 bis 90 Prozent, sagt Birk. Vor allem für die Hersteller von Werkzeugmaschinen und Präzisionswerkzeugen sind die Autobauer wichtige Kunden. Man könne allerdings noch nicht quantifizieren, inwieweit VW-Aufträge wegbrechen. Die Unternehmen im Südwesten seien durch die stabile Entwicklung bei Porsche und Mercedes sowie durch die Nähe zu BMW sicherlich insgesamt breiter aufgestellt, was die Abnehmer angehe, so dass das Risiko leichter zu managen sei, sagt Birk. Lieferanten in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen seien dagegen stärker betroffen, weiß Birk aus Gesprächen.

Während Anlagenbauer Dürr davon spricht, dass das Volumen mit VW mittlerweile „geringer ist als vor dem Abgasskandal“, weil VW abwäge, welche Investitionen getätigt würden und welche nicht, will sich Maschinenbauer Trumpf zu dem Thema nicht äußern. Nach früheren Angaben von Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller macht Trumpf zwar nur knapp zehn Millionen Euro seines Umsatzes direkt mit VW, aber „wir sind durch die Zulieferer betroffen“, hatte sie im Herbst letzten Jahres eingeräumt. Ein harter Sparkurs von VW bei den Zulieferern und damit Trumpf-Kunden würde auch in Ditzingen durchschlagen.

Verunsicherung bei den Kunden

Bei der Maschinenfabrik Heller in Nürtingen spürt man eine gewisse Verunsicherung bei den Kunden, weil sie die Folgen noch nicht abschätzen könnten. So werde die eine oder andere Investitionsentscheidung geschoben. Heller selbst sei kein bedeutender Lieferant von VW, sagt Heller-Chef Klaus Winkler. Es sei viel Psychologie im Spiel, denn im Zusammenhang mit dem Abgasskandal gehe es um unvorstellbare Dimensionen und das erhöhe den Druck im System, sagt er.

Beim Anlagenbauer Eisenmann in Böblingen gehört Volkswagen zu den wichtigsten und größten Kunden. „Natürlich spüren wir da die Auswirkungen des Abgasskandals“, sagt Thomas Hibinger, Vertriebsleiter des Geschäftsbereichs Automotive Systems. VW investiere zwar nach wie vor in Infrastruktur, neue Produkte und neue Märkte. Aber Neuinvestitionen würden stärker auf den Prüfstand gestellt und selektiert, teilweise würden sie in Erhaltungsmaßnahmen umgewandelt. Im Durchschnitt bleibe der Umsatzanteil aber auf gleichbleibendem Niveau, so Hibinger.

Sorge bei den Zulieferern nimmt zu

Immer mehr Zulieferer zeigen sich besorgt, was womöglich auf sie zukommt. „Die Frage ist doch, wie hoch fallen die Strafen für VW aus und wie viel Geld holt sich der Konzern bei den Zulieferern“, sagt einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Der Kostendruck sei jetzt schon enorm, die Spielräume weitgehend ausgereizt, das wisse auch VW – und trotzdem werde der Konzern die Hand aufhalten. VW hatte bereits zur Jahresmitte seine Lieferanten im Zuge des Abgasskandals auf härtere Zeiten eingestimmt. Darüber hinaus hat VW-Konzernchef Matthias Müller als Lehre aus dem Zulieferer-Streit mit der Prevent-Gruppe, der für Produktionsausfälle bei VW gesorgt hat, angekündigt, dass man die Lieferantenverträge durchleuchten werde. Hinter vorgehaltener Hand fürchten viele noch geringere Abnahmepreise und damit einen Verschärfung des Kostendrucks. Ein anderer Zulieferer meint gar, das Problem sei „eher der Diess als der Diesel“.

Gemeint ist damit Herbert Diess, der im Juli 2015 von BMW in den VW-Konzernvorstand gewechselt ist. Er gilt als Sparfuchs und ist angetreten, um die renditeschwache Pkw-Kernmarke von Volkswagen auf Vordermann zu bringen. Doch dann kam der Abgasskandal dazwischen und ihm die Rolle des Krisenmanager zu – gegen den nun mittlerweile auch ermittelt wird. Dessen Handschrift sei schon spürbar, heißt es in der Zulieferbranche. Inwieweit die viel zitierte Partnerschaft zwischen Hersteller und Lieferant punkten kann, steht auf einem anderen Blatt. Beide sind aufeinander angewiesen – immerhin entfallen rund 75 Prozent der Wertschöpfung eines Autos auf die Zulieferer, die ohne entsprechende Gewinnspannen keine Vorleistungen für Innovationen stemmen können.

Mahle weltweit in jedem zweiten Pkw vertreten

„Der Kostendruck war immer hoch“, heißt es beim Autozulieferer ZF. VW ist für den Friedrichshafener Konzern ein großer und wichtiger Kunde. Umsatzgrößen will man aber nicht nennen. ZF spricht aber von weitgehendst stabilen Abrufzahlen. Man könne weder eine Abkehr von VW noch vom Diesel insgesamt spüren, sagt ein Sprecher. Anders dagegen sieht es bei Mahle. Der Stuttgarter Autozulieferer will sich zwar nicht zu einzelnen Kunden, aber zum Diesel äußern. Bei Mahle gibt man sich noch gelassen. Rein rechnerisch sei Mahle weltweit in jedem zweiten Pkw vertreten und damit sehr breit und unabhängig aufgestellt, sagt ein Sprecher. Einen Rückgang beim Diesel beobachte man in Europa schon seit 2011 – damals lag der Anteil bei 56 Prozent gegenüber 49 Prozent im ersten Halbjahr 2016. Auch der Bosch-Konzern, dessen Software für die Motorsteuerung Volkswagen zu Manipulation verwendet haben soll, will sich nicht zum Thema VW äußern. Wie kürzlich berichtet scheinen aber die Negativschlagzeilen beim Diesel – durch den VW-Abgasskandal und die Debatte um Feinstaub-Belastungen - erstmals konkrete Auswirkungen auf die Beschäftigung zu haben. Wegen der verhaltenen Nachfrage wurden in Stuttgart-Feuerbach im Laufe des Jahres 60 befristete Verträge nicht verlängert.

Der Dichtungsspezialist Elring-Klinger aus Dettingen/Erms, der gut sieben Prozent seines Umsatzes mit VW macht, sieht sich mit zahlreichen Abnehmern breit aufgestellt und spürt noch nichts von sinkenenden Aufträgen von VW. Mit geringeren Aufträgen dagegen kalkuliert man beim schwäbischen Mittelständler SHW Automotive in Aalen-Wasseralfingen. Der Zulieferer macht rund 40 Prozent seines Umsatzes mit VW und hat sich auf Rückgänge eingestellt. Wegen „zurückhaltender Dispositionen einzelner Kunden“ hat SHW die Umsatzprognosen für dieses und nächstens Jahr um jeweils etwa 30 Millionen Euro zurückgenommen. Der Großteil entfällt auf geringere Bestellungen von VW. Schreckensszenarien will aber keiner in der Branche heraufbeschwören. Es liegt allerdings auf der Hand, dass Lieferanten, die einen höheren VW- beziehungsweise Dieselanteil haben, stärker betroffen sind. Konzerne die Autohersteller weltweit beliefern, haben weniger zu befürchten.