Der Schriftsteller Michael Kleeberg eröffnet an diesem Montag die 34. Baden-Württembergischen Literaturtage.

Böblingen - Zu einem Treffpunkt für Leseratten werden Böblingen und Sindelfingen in den kommenden Wochen. Die beiden Städte richten gemeinsam die Baden-Württembergischen Literaturtage aus. Diese beginnen an diesem Montag mit der Verleihung des Böblinger Kulturpreises an den Schriftsteller Michael Kleeberg. In einem Interview hat er uns vorab verraten, was ihn mit der Region verbindet.

 
Herr Kleeberg, Bob Dylan hatte im vergangenen Jahr keine Zeit, den Literaturnobelpreis entgegenzunehmen. Sind Sie am Montag bei der Verleihung des Kulturpreises dabei?
Nun , Bob Dylan hat vielleicht noch ein paar andere wichtige Termine. Ich bin nur Michael Kleeberg. Und ich werde selbstverständlich da sein. Schon, weil ich ja auch die Eröffnungsrede für die Baden-Württembergischen Literaturtage halten werde.
Sie haben schon viele wichtige Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg. Welche Bedeutung hat da ein eher kleiner Preis wie der Böblinger?

Ich habe mich sehr über diese Auszeichnung gefreut. Und sie berührt mich emotional ganz anders als beispielsweise der Hölderlin-Preis. Denn es verbindet mich viel mit Böblingen. Hier habe ich entscheidende Jahre meines Lebens verbracht, die ersten Erfolge genossen, die ersten Niederlagen erlebt, den ersten Liebeskummer gehabt. Eigentlich ist es ja fast komisch, dass ich, der ich als Halbstarker damals nichts zum Kulturleben der Stadt beigetragen habe, nun diesen Preis erhalte. Aber für mich ist das schön.

Wann haben Sie genau in Böblingen gelebt?
Wir zogen 1968 hierher, kurz vor meinem neunten Geburtstag. Sieben Jahre später zogen wir dann nach Hamburg.
Von der schwäbischen Provinz in eine Weltstadt. War das hart?
Das war ein richtiger Kulturschock. Ich kam aus Böblingen aus einer vollkommen gleichwertigen Gesellschaft in eine, in der nur Geld und Statussymbole zählten. In Böblingen galt man etwas, wenn man ein guter Sportler war, in Hamburg, wenn man Hochdeutsch konnte und die richtigen Makenjeans trug.
Waren Sie denn ein guter Sportler?
Nicht in der richtigen Sportart. Ich war Fechter. Man galt aber etwas, wenn man ein guter Fußballer, Leichtathlet, Turner war.
Und wie kamen Sie mit den hanseatischen Kultur klar?
Ich erhielt einen Crashkurs Hochdeutsch. Es dauerte eine Weile, bis man mir den schwäbischen Zungenschlag ausgetrieben hatte. Und meine neue Peergroup stattete mich erst mal mit den richtigen Hemden aus. Dann ging es.
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Böblingen?

Es war eine sehr prägende Zeit. Eine der schönsten Erfahrungen war für mich die Entdeckung der großen Musik, die ich im Schulchor des Albert-Einstein-Gymnasiums machte. Dort war ich drei Jahre lang Mitglied im Chor. Erst später ist mir aufgefallen, wie sehr die Stadt, oder besser die Region auch mein Schreiben geprägt hat.

Inwiefern?
Die Kraft der Fakten gegen die Rhetorik, die Wahrnehmung der rauen Realitäten in der Stadt, das hat mich geprägt. Ich wollte nie ein Schwätzer-Autor sein, der ungenau recherchiert. Dies ist sozusagen in meine DNA eingegangen. Geprägt hat mich auch die Landschaft der Region.
Wie?
Auch das ist mir erst viele Jahre später bewusst geworden, als ich in Paris lebte. Damals kaufte ich mir ein Ferienhäuschen im Burgund. Ich liebte die Landschaft mit dem Wein, den Hügeln und den Gewässern. Irgendwann ging mir auf, dass das daran lag, dass es ganz ähnlich aussieht wie in vielen Gegenden Schwabens, wo ich gelebt habe. Bevor wir nach Böblingen zogen, habe ich ja in Friedrichshafen gelebt und in Bitz auf der Schwäbischen Alb.
Haben Sie noch Kontakte in die Region?
Ich bin mindestens einmal im Jahr in Böblingen. Ich habe immer noch Kontakt zu Freunden aus meiner Schulzeit.
Wie sehr hat sich die Stadt seit damals verändert?
Die Frage ist eher, wann hat sich diese Stadt nicht verändert. Es wurde, glaube ich, ständig gebaut. Die einzige Ecke, die sich meines Wissens nicht verändert hat, ist der Schlossberg mit der Kirche darauf.
Dafür gab es vor Jahren auch mal Pläne, die nicht umgesetzt wurden.
Die Bahnhofstraße sah in meiner Jugendzeit ganz anders aus als heute. Auch der Bahnhof wurde, glaube ich, dreimal umgebaut. Und dann entstand, während wir in Böblingen wohnten, dieser Beton-Sparkassenbau. Die Stadt war in ständiger Entwicklung.
Noch eine etwas pikante Frage: Wie halten Sie es als Böblinger mit der Nachbarstadt Sindelfingen?
Das ist heikel. Aber eigentlich hatte ich nicht sehr viele Berührungspunkte mit Sindelfingen. Wir wohnten ja auf dem Rauhen Kapf, am anderen Ende. Aber ich bin sehr gerne ins Sindelfinger Freibad gegangen. Das war noch etwas spektakulärer als das Böblinger Bad.