Traditionelle Backstuben sterben aus. Großbäckereien beherrschen den Markt. Sie beliefern im großen Stil den Einzelhandel. Außerdem kämpft die Branche mit dem Nachwuchs – immer weniger junge Menschen wollen Bäcker werden.

Stuttgart - Gibt es in Ihrer Nähe einen Bäcker, der selbst backt? Mit dieser Frage wollte das Wochenmagazin „Die Zeit“ im November seine Online-Leser animieren, ihre Stamm- oder Lieblingsbäckerei in eine virtuelle Deutschlandkarte einzutragen, samt den Backwaren, die ihnen dort am besten schmecken. Am Ende wies die Karte mehr als 2500 Punkte auf, hinter jedem stand eine klassische Bäckerei, in der noch echte Handarbeit betrieben wird. Wer seine Postleitzahl eingibt, sieht auf einen Blick, wie weit die nächste traditionelle Backstube entfernt ist. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks zählte für das Jahr 2013 knapp 13 200 Meisterbetriebe. Zehn Jahre zuvor waren es noch 17 500; in den fünziger Jahren gab es allein im alten Bundesgebiet 55 000 Handwerksbäckereien. Heute werden stattdessen an jeder Tankstelle Brötchen und Croissants verkauft, frische Backwaren sind längst im Lebensmitteleinzelhandel angekommen und immer mehr Discounter backen sich ihr Brot selbst.

 

Die kleinen Handwerksbetriebe gibt es kaum noch

Der Präsident des Zentralverbandes, Peter Becker, schätzt die Lage in der Branche trotz der Konzentration als „normal“ ein. Zwar sinke die Zahl der kleinen Handwerksbetriebe weiter, doch gleichzeitig blieben die Zahl der Verkaufsstellen sowie der Branchenumsatz relativ konstant. Die durchschnittliche Bäckerei beschäftigt heute 21,5 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von einer Million Euro. Insgesamt arbeiten mehr als 280 000 Menschen in der Produktion und den bundesweit gut 43 000 Verkaufsstellen. Die Branche erwirtschaftete 2013 knapp 13,2 Milliarden Euro Umsatz. Als besorgniserregend empfindet Becker die sinkende Zahl der Auszubildenden. Haben sich 2007 bundesweit noch 37 000 junge Menschen für eine Ausbildung in einer Bäckerei entschieden, waren es 2013 nur noch 23 000. „Die Akademisierungswelle muss aufhören und der Wert einer dualen Ausbildung wieder besser erkannt werden“, fordert er.

Becker betreibt selbst eine Bäckerei in Hamburg mit sieben Verkaufsstellen. Dreimal hat er im Laufe seines Berufslebens den Betrieb eines Kollegen übernommen, der in den Ruhestand gegangen ist. Die ungeklärte Nachfolgefrage führe oft zur Schließung. „Der Spaßfaktor an der Selbstständigkeit geht verloren“, sagt Becker. Grund dafür seien neben den anspruchsvollen Arbeitszeiten und dem Konkurrenzdruck die ständig wachsenden Auflagen. Als Beispiele nennt er die Kennzeichnung von Zutaten und die neuen Aufzeichnungspflichten beim Mindestlohn.

Der Mindestlohn führt zu neuen Schwierigkeiten

Die neue Lohnuntergrenze könne vor allem in den neuen Bundesländern dazu führen, dass Bäckereien die Preise erhöhen oder Mitarbeiter entlassen müssten, sagt Becker. Um trotz aller Widrigkeiten am Markt zu bestehen, gebe es zwei Wege: entweder die Betriebe wachsen oder sie heben sich durch Spezialitäten und besondere Angebote von den Wettbewerbern in ihrer Umgebung ab. „Es gibt immer noch viele kleine Betriebe, denen das gelingt“, so Becker.

Auf der anderen Seite scheint das Wachstum kaum Grenzen zu kennen: Die beiden größten deutschen Backwarenhersteller sind die Harry Brot GmbH aus Schenefeld bei Hamburg mit 4000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 910 Millionen Euro (2013) sowie die Düsseldorfer Lieken AG (Lieken Urkorn, Golden Toast) mit 4100 Beschäftigten und einem Umsatz von 815 Millionen Euro (2013). Beide haben eine Reihe von Produktionsstandorten und beliefern in großem Stil den Einzelhandel mit Backwaren. Harry Brot betreibt zudem den Discounter Back-Factory. Ihre Wurzeln haben die beiden Großbäckereien jeweils in einem kleinen Handwerksbetrieb; bei Lieken gehen diese ins Jahr 1922 zurück, bei Harry Brot sogar bis 1688.

In Baden-Württemberg ist K&U der Branchenführer

Bekannter als die beiden Branchenriesen ist in Baden-Württemberg die Bäckerbub-Gruppe mit ihren K&U-Bäckereien sein. Die Tochter von Edeka Südwest mit Sitz in Neuenburg am Rhein beschäftigt etwa 4000 Menschen. Mit rund 700 Verkaufsstellen und 250 Millionen Euro Jahresumsatz gehört K&U ebenfalls zu den Top-5 auf dem Markt. Der Name leitet sich aus dem Zusammenschluss der Firmen KaWu (Karl Wucherer) aus Reutlingen, Knupfer aus Mannheim und der Stadtbäckerei Usländer aus Freiburg zur K&U Bäckerei GmbH ab. Auch die Wurzeln der alteingesessenen Reutlinger Bäckersfamilie Wucherer lassen sich bis ins Jahr 1688 zurückverfolgen.