Der Vielleicht-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fordert den Umbau großer Geldhäuser wie der Deutschen Bank. Eine komplette Zerschlagung großer Geldhäuser lehnt er aber ab.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Mit der Forderung nach einem „Rückzug aus der Staatshaftung für Banken“ hat der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am Mittwoch den Wahlkampf eröffnet. Der mögliche Kanzlerkandidat der SPD will das „Erpressungspotenzial“ der Branche verringern. Steinbrück spricht aus Erfahrung: Zu Zeiten der Großen Koalition musste er Geldhäuser wie die Commerzbank mit Milliarden stützen, weil eine Pleite unabsehbare Folgen für die Wirtschaft gehabt hätte.

 

Um für die Zukunft eine Abwicklung auch großer Institute zu ermöglichen, schlägt Steinbrück deren Aufspaltung vor: Das Investmentbanking soll organisatorisch vom klassischen Geschäft mit Einlagen und Krediten getrennt werden. Institute wie die Deutsche Bank müssten dazu in eine Holding mit verschiedenen Tochtergesellschaften umgebaut werden. Verzocken sich die Investmentbanker am Kapitalmarkt, so könnte diese Tochtergesellschaft ohne Schaden für die Realwirtschaft abgewickelt werden.

Vorschläge sind unter Experten umstritten

„Das ist eine Fiktion“, meint Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Schließlich habe im Herbst 2008 ausgerechnet der Zusammenbruch einer reinen Investmentbank, Lehman Brothers, das weltweite Finanzsystem erschüttert. Dagegen sieht Ulrich Blum, Professor für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung an der Universität Halle-Wittenberg, in Steinbrücks Holding-Modell durchaus Vorteile. Es würde sicherstellen, „dass man Risiken nicht verschieben kann“, sagte Blum der Stuttgarter Zeitung. Verluste der Investmentbank könnten dann nicht durch Rückgriff auf Spareinlagen ausgeglichen werden. Wenn klar sei, dass eine Pleite die Sparer nicht treffen werde, schwinde auch der Handlungsdruck für die Politik.

Vor einer kompletten Zerschlagung großer Geldhäuser in reine Investment- und Geschäftsbanken schreckt Steinbrück allerdings zurück. „Die notwendige Abschirmung des Einlagen- und Kreditgeschäfts darf nicht so weit gehen, dass große Banken ihre Dienstleistungen für die Realwirtschaft nicht mehr in vollem Umfang wahrnehmen können“, argumentiert er.

Zu den Dienstleistungen der Banken für die Realwirtschaft zählen nämlich nicht nur die klassische Kreditvergabe, sondern auch die Organisation von Börsengängen oder die Absicherung gegen Geschäftsrisiken, die beispielsweise durch Wechselkursschwankungen entstehen. Auch umstrittene Geschäfte wie der Handel mit Rohstoffen erfüllen für viele Unternehmen einen wichtigen Zweck: Sie können an der Börse Monate vor dem eigentlichen Liefertermin den Kauf oder Verkauf eines Rohstoffs zu einem bestimmten Kurs vereinbaren und sich so gegen Preisschwankungen absichern. Das gleiche Prinzip greift bei Wechselkursschwankungen am Devisenmarkt.

Burghof: „Banken müssen Risiken eingehen“

Bei einer vollständigen Trennung von Investment- und Geschäftsbanken bekämen die Unternehmen nicht mehr alle Leistungen aus einer Hand, warnt Finanzexperte Burghof. „Sie müssten sich für den Kapitalmarktzugang dann an eine Bank wenden, die sie weniger gut kennen.“ Obendrein nützten hohe Erträge der Investmentbanken auch den Privatkunden: „Die Banken müssen Risiken eingehen, denn so erzeugen sie Zinsen für die Kunden, die anders nicht zu erzielen sind.“ Um Exzesse wie vor der Krise zu verhindern, sei in erster Linie eine stärkere Unterlegung riskanter Geschäfte mit Eigenkapital notwendig. Entsprechende Reformen sind in Arbeit, 2013 treten unter dem Titel Basel III international schärfere Eigenkapitalvorschriften in Kraft.

Wirtschaftsforscher Blum hält die neuen Regeln für unzureichend. Er kritisiert insbesondere, dass Banken Geschäfte mit Euro-Staatsanleihen auch künftig nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen – trotz Schuldenkrise. Auch dass Kredite der Banken untereinander nicht besichert werden müssen, sei problematisch. Blum glaubt, wenn die Risiken auf dem Interbankenmarkt verringert würden, wäre der Untergang einer reinen Investmentbank wie Lehman für das Finanzsystem in Zukunft tatsächlich zu verkraften. Allerdings würde damit die Geldversorgung der gesamten Wirtschaft gebremst: „Wir müssen uns fragen: Wieviel Risiko ist uns die Kapitalisierung der Volkswirtschaft wert?“