Nach 2010 werden erstmals die Bafög-Sätze wieder angepasst. Die große Koalition lässt sich das eine Menge Geld kosten: 825 Millionen Euro.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) übersetzt die Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Bafög) in eine schlichte Gleichung: Sechs Nullrunden = zwei ganze Bachelor-Generationen ohne Erhöhung, twittert DGB-Vize Elke Hannack. Sie ist Mitglied der CDU. Doch ihre Parteifreunde im Bundestag kommen zu ganz anderen Schlüssen. Für den Stuttgarter Bildungspolitiker Stefan Kaufmann ist die Reform „ein großer Wurf“. Wir erläutern hier die Details der Novelle:

 

Warum braucht es eine Reform?

Die Fördersätze und die Einkommensgrenzen für Eltern von Bafög-Studenten wurden 2010 letztmals geändert. Seitdem sind die Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen, vor allem die Mieten in Universitätsstädten. Schon im Januar 2012 bezifferte der jährliche Bafög-Bericht der Bundesregierung den Anpassungsbedarf auf fünf Prozent. Seit 2010 haben sich die Verbraucherpreise laut Statistischem Bundesamt um 7,4 Prozent erhöht. Weitere Steigerungen bis zum Wintersemester 2016, wenn die Reform Kraft treten soll, sind dabei noch nicht berücksichtigt. Korrekturbedarf gab es auch bei anderen Regeln sowie beim Antragsverfahren, das mit bürokratischen Auflagen überfrachtet war.

Was ändert sich?

Studenten erhalten künftig maximal 735 Euro (bisher: 670). Die Fördersätze steigen im Schnitt um sieben Prozent, der Höchstsatz wird sogar um 9,7 Prozent angehoben. Im Durchschnitt erhalten Bafög-Studenten bisher monatlich 448 Euro staatliche Hilfe. Etwas mehr als ein Drittel der Bafög-Empfänger bekommt den Höchstsatz. Studenten, die bereits Nachwuchs haben, erhalten für jedes Kind einen Zuschlag von 130 Euro (bisher: 113 Euro für das erste, 80 Euro für jedes weitere Kind). Wer Bafög bekommt, darf künftig bis zu 450 Euro mit Nebenjobs verdienen, ohne dass dies bei der Förderung angerechnet wird (bisher: 400 Euro). Damit gilt das gleiche Limit wie bei Minijobs. Auch eigenes Vermögen in geringem Umfang schmälert die staatliche Hilfe nicht, etwa für den Fall, dass der Bafög-Empfänger ein Auto besitzt. Bisher lag der Freibetrag bei 5200 Euro, in Zukunft gelten 7500 Euro. Die Freibeträge für die Eltern-Einkommen werden um sieben Prozent erhöht. Der Grundfreibetrag für das Elterneinkommen liegt derzeit bei 1605 Euro monatlich; dazu kommen 485 Euro für jedes Kind, das zu versorgen ist.

Wer bekommt Bafög?

Aktuell erhalten 630 000 Studenten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Dazu kamen im Jahr 2012 noch 308 000 Berufsschüler. Wegen der neuen Fördersätze werden weitere 110 000 Studenten in den Genuss von Bafög kommen. Bisher haben bundesweit 28 Prozent der Studenten ihr Studium mit staatlicher Hilfe finanziert. In Baden-Württemberg liegt der Anteil bei 20 Prozent. In Thüringen ist er im Ländervergleich mit 40 Prozent am höchsten. Die Eltern eines Bafög-Studenten verdienen im Schnitt knapp 40 000 Euro. Bei den Eltern der Studenten, die den Höchstsatz erhalten, beträgt das durchschnittliche Jahreseinkommen gut 21 000 Euro. Studenten erhalten Bafög in der Regel zur Hälfte als Zuschuss und zur Hälfte als zinsloses Darlehen. Von diesem Darlehen müssen maximal 10 000 Euro zurückgezahlt werden.

Was kostet die Reform?

Der Staat hat 2012 insgesamt 3,3 Milliarden Euro für Bafög aufgewendet. Bisher finanzierten die Länder 35 Prozent davon, künftig übernimmt der Bund die kompletten Kosten. Er entlastet die Länder damit um 1,17 Milliarden Euro jährlich. Die Ausweitung des Bafög kostet ihn 825 Millionen Euro.

Wann gelten die neuen Regeln?

Die Reform soll zum Wintersemester 2016 in Kraft treten. Am 20. August wird das Kabinett das neue Regelwerk beschließen. Am 19. September wird sich der Bundestag erstmals damit befassen. Drei Monate später soll der Bundesrat entscheiden. Dahinter steht allerdings noch ein Fragezeichen. Denn die Bafög-Reform ist Bestandteil eines größeren Bildungspakets, gegen das es Vorbehalte bei den Ländern gibt.

Wovon leben die anderen Studenten?

Laut Studentenwerk verfügte der akademische Nachwuchs im Sommersemester 2012 über durchschnittlich 864 Euro im Monat. Ein Viertel hat mehr als 1000 Euro. 87 Prozent werden von den Eltern unterstützt. Im Schnitt überweisen diese monatlich 476 Euro. Knapp zwei Drittel der Studenten arbeiten während des Studiums und verdienen dabei im Schnitt 323 Euro monatlich. Ein knappes Viertel wird auch von Verwandten oder Bekannten finanziell unterstützt, allerdings meist in geringem Umfang. Nur vier Prozent der Studenten erhalten ein Stipendium, im Durchschnitt sind das 336 Euro monatlich. Sechs Prozent finanzieren ihr Studium zum Teil mit Krediten. Studenten, die ihr Studium ausschließlich durch Jobs finanzieren, haben am meisten Geld: 966 Euro im Schnitt.