Die Halbjahresbilanz der Deutschen Bahn sieht düster aus: der Gewinn bricht ein. Rüdiger Grube kündigt Reformen an – doch es mangelt ihm an Gestaltungswillen, meint StZ-Redakteur Thomas Wüpper.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Auf die Deutsche Bahn und ihre fast 300 000 Mitarbeiter weltweit kommen schwierige Zeiten zu. Der erneute drastische Gewinneinbruch ist ein Alarmsignal, das weder Politiker noch Steuerzahler und Bahnkunden überhören dürfen. Denn ohne grundlegende Reformen wird der größte Transportkonzern der Republik noch tiefer in die Krise rasen – und der Schienenverkehr weiter an Attraktivität verlieren. Bahn-Chef Rüdiger Grube will die gravierenden Ertrags- und Qualitätsprobleme mit einem „Sechs-Punkte-Programm“ bewältigen. Das klingt dynamisch und zielorientiert, ist zunächst aber nur heiße Luft. Über den angekündigten Konzernumbau, Teilprivatisierungen und Ausgliederungen wird frühestens im Dezember entschieden. Was Grube gegen die mächtige Gewerkschaft EVG durchsetzen kann, ist fraglich.

 

Pofallas Nominierung wirft Fragen auf

Als erfolgreicher Sanierer ist der geschickte Taktiker und Verkäufer bisher nicht aufgefallen, eher als gewiefter Strippenzieher. Im politischen Interessengeflecht rund um den Staatskonzern verfügt Grube über beste Kontakte und findet Rückhalt sogar im Kanzleramt. Mit Ronald Pofalla hat der Bahn-Chef den vormals engsten Vertrauten von Regierungschefin Angela Merkel gegen alle berechtigte Skepsis als neuen DB-Vorstand durchgesetzt.

Ausgerechnet für korrekte Unternehmensführung wird der CDU-Mann zuständig sein, der den hoch bezahlten Spitzenjob durch massive politische Einflussnahme bekommen hat – und nicht, weil er seine Qualitäten als Manager nachgewiesen und ein transparentes Auswahlverfahren bestanden hat. Das wirft kein gutes Licht auf die Bahn und ihre Aufseher. Zumal der sehr erfolgreiche bisherige Amtsinhaber Gerd Becht auch noch für viel Geld fast zwei Jahre früher in Ruhestand geschickt wird.

Nötig wäre eine Trennung von Netz und Betrieb

Wenn solche fragwürdigen und teuren Personalentscheidungen an der Spitze frech als Zukunftsprogramm angepriesen werden, zeigt das einmal mehr, wie sehr der Konzern und die Verkehrspolitik insgesamt aus der Spur gelaufen sind. Gut zwanzig Jahre nach der Bahnreform und der Umwandlung der deutschen Behördenbahn in eine weltweit tätige Aktiengesellschaft sind die Fehlentwicklungen längst offensichtlich. Doch die Politik verschleppt geradezu mit Vorsatz die nötigen Reformen, die Kritiker seit Jahren anmahnen.

So brächte eine strikte Trennung von Netz und Betrieb neuen Schwung in den Wettbewerb und bessere Angebote im deutschen Schienenverkehr. Zudem könnte der Konzern die Steuermilliarden für die verrottende deutsche Infrastruktur nicht mehr für die Expansion im Ausland zweckentfremden – wie jahrelang geschehen. Erst jüngst hat die Monopolkommission die Trennung wieder verlangt. Doch die Bundesregierung ignoriert den Rat der Professoren. Stattdessen verschwendet Verkehrsminister Dobrindt Zeit und Kraft für eine wenig sinnvolle Pkw-Vignette und die Freigabe von 25-Meter-Lastern auf deutschen Straßen, lässt die Regierung zudem Fernbusse und Energieabgaben zu, die den Schienenverkehr besonders belasten. So macht die Politik der Bahn das wirtschaftliche Überleben noch schwerer – und verstößt fortgesetzt gegen das oberste Ziel der Bahnreform, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen.

Stuttgart 21 belastet die Bilanz zusätzlich

Solche untauglichen Rahmenbedingungen – und nicht die von Grube vorgeschobenen Streiks der Lokführer – sind neben den hausgemachten Problemen für die kritische Entwicklung der Bahn maßgeblich verantwortlich. Mit Stuttgart 21 soll die inzwischen wieder hoch verschuldete DB überdies ein politisch gewolltes, unterm Strich kaum wirtschaftliches Prestigeprojekt stemmen und dafür mehr als zwei Milliarden Euro aus eigener Kasse investieren. Wie das angesichts der Krisenlage gehen soll, werden schon bald auch die verantwortlichen Politiker beantworten müssen.