Der Wechsel des Bahn-Managers Andreas Moschinski zum Konkurrenten Abellio bewegt die Gemüter. Die DB Regio hatte ihn offenbar schon kaltgestellt, als er abgeworben wurde. Der Öffentlichkeit erzählte man anderes.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Meldung in der neuen Ausgabe von „Regio Aktuell“ machte rasch die Runde in der Nahverkehrsbranche. In wenigen Zeilen informierte die Bahn-Tochter DB Regio dort über einen Führungswechsel in Baden-Württemberg: Zum 1. Juli habe David Weltzien den Vorsitz der Regionalleitung in Stuttgart samt Marketingbereich übernommen. Er komme von der DB Regio Bayern, wo er für Personal und die S-Bahn München zuständig gewesen sei. Weltzien folge auf Andreas Moschinski-Wald, hieß es abschließend, „der nach 15 erfolgreichen Jahren auf eigenen Wunsch eine neue Aufgabe bei der DB Regio übernahm“.

 

Der Satz ließ Branchenkenner aufhorchen, weil er gleich drei fragwürdige Behauptungen enthielt. Erfolgreich war Moschinski (53) wohl über die Jahre, aber zuletzt nicht mehr: Da versemmelte die DB Regio in seiner Verantwortung die Ausschreibung der Stuttgarter Netze. Nur wegen eines Formfehlers, der sonst keinem Teilnehmer unterlief, verlor die Bahn als eigentlich günstigster Bieter die lukrativen Strecken an die Konkurrenten Abellio und Go Ahead.

Die Mär von der „neuen Aufgabe“

„Auf eigenen Wunsch“ verließ der DB-Regio-Chef seinen Posten wohl auch nicht: die Bahn-Tochter, hört man aus Unternehmenskreisen, habe ihm vielmehr den Stuhl vor die Tür gestellt. Offiziell sagt sie dazu, wie generell zu Personalsachen, nichts. Welche „neue Aufgabe“ Moschinski intern übernommen haben soll, wird schon gar nicht verraten. Kein Wunder. Anfang September wurde bekannt, dass der Manager die Seiten wechselt: Im November übernimmt er den Vorsitz der Geschäftsführung der neu firmierten Abellio Baden-Württemberg GmbH – just jenem Wettbewerber, der von dem folgenschweren Patzer der DB Regio bei der Ausschreibung profitierte. Man freue sich sehr, einen „so erfahrenen Bahnmanager“ gewonnen zu haben, jubilierte der Deutschland-Chef des Bahnbetreibers mit niederländischem Mutterkonzern.

Seither wird die Personalie im Südwesten ausgesprochen kritisch erörtert. Instinktlos, befremdlich, anrüchig – so klingt es, hinter vorgehaltener Hand, aus der Landespolitik. Weder auf Abellio noch auf Moschinski werfe es ein gutes Licht, wie der Ex-DB-Mann letztlich zum Nutznießer seines Fehlers werde. Auch seine indirekten Spitzen gegen die Bahn wurden genau registriert. Dass er die „Start-Up“-Atmosphäre, den „Spirit“ und die „ganz neue Geschwindigkeit“ bei Abellio lobte, mache deutlich, was dem Staatskonzern aus seiner Sicht alles fehle. Der müsse sich daran gewöhnen, verkündete Moschinski auch noch, dass er „kein Monopol auf das Spitzenpersonal“ mehr habe.

Auf Wettbewerbsverbot verzichtet

Tatsächlich hätte die Bahn den nahtlosen Wechsel zur Konkurrenz unterbinden können – mit einem Wettbewerbsverbot, wie es bei Managerverträgen gängig ist. Für die Dauer der Sperre zahlt der alte Arbeitgeber dabei mindestens die Hälfte des Salärs weiter. Doch solche Klauseln sind bei dem Schienenkonzern offenbar unüblich, auch bei Moschinski gab es wohl keine. Offiziell sagt eine DB-Sprecherin dazu so wenig wie zur Frage nach möglichen Regressforderungen.

Sollte es bei der verpatzten Ausschreibung zu schuldhaften Pflichtverletzungen gekommen sein, wäre die Bahn womöglich verpflichtet, Schadenersatz zu verlangen. Ob das geprüft wurde? Kein Kommentar. Moschinski hatte zwar die Verantwortung für den Formfehler übernommen („ich habe dies sehr bedauert“), aber diesen vermutlich nicht persönlich begangen. Was in Stuttgart verbockt wurde, was in der DB-Regio-Zentrale in Frankfurt – dieses „schmutzige-Wäsche-Waschen“, meint ein Branchenkenner, erspart sich die Bahn mit dem Abgang ihres BW-Chefs.

Nachfolger mit Draht in Konzernspitze

Glaubt man Insidern, dann war der Wechsel zu Abellio auch keine „Fahnenflucht“. Als die Niederländer auf Moschinski zugingen, wohl zu dessen eigener Überraschung, war sein Karriereende bei der DB Regio offenbar schon besiegelt; mit Sprachregelungen wie in „Regio Aktuell“ wurde das indes noch kaschiert. Für Abellio ist der Ex-Bahn-Mann in mehrerlei Hinsicht interessant. Er verfügt über gute Kontakte in Baden-Württemberg – und über einen guten Ruf bei den Bahn-Beschäftigten. Ihm wird zugetraut, möglichst viele Ex-Mitarbeiter zu dem Konkurrenz-Unternehmen zu lotsen. Das ist wichtig in einer Branche, in der Personalmangel samt daraus resultierender Zugausfälle eines der drängendsten Probleme ist.

Moschinskis Nachfolger David Weltzien, bisher in Bayern tätig, muss sich in Baden-Württemberg erst noch bekannt machen. Bahn-intern gilt er hingegen als vernetzt bis in die Konzernspitze: Er und der Vorstand Berthold Huber seien sich persönlich eng verbunden, sogar als Trauzeugen und Taufpaten, verlautet aus Belegschaftskreisen. Offiziell sagt die Bahn zu solchen „privaten Angelegenheiten“ nichts, aber eine Klarstellung ist ihr doch wichtig. „Der Konzernvorstand Verkehr und Transport“ –das ist Huber - „hat nichts mit der Berufung eines Regionalleiters der DB Regio AG zu tun.“