Die Stationen in Zuffenhausen, Feuerbach, Weilimdorf und Neuwirtshaus sind nicht alle in bestem Zustand. Sven Hantel, Leiter der Bahnhöfe in Baden-Württemberg, verteilt im Interview Noten.

Stuttgarter Norden – Für die einen sind Bahnhöfe der Startpunkt ihrer Urlaubsreise, für die anderen alltägliche Stationen auf dem Weg zur Arbeit. Der Bahnmanager Sven Hantel spricht über Sauberkeit, Vandalismus und Barrierefreiheit an den vier Stationen im Stuttgarter Norden.
Herr Hantel, wann sind Sie zuletzt Zug gefahren?
Heute nach Ulm. Ich fahre eigentlich jeden Tag Zug oder S-Bahn.

Auch durch den Stuttgarter Norden?
Ja, ich wohne ich Asperg. Dadurch fahre ich täglich mit der S 5 durch Zuffenhausen und Feuerbach.

Dann werfen Sie also regelmäßig aus dem Fenster heraus einen Blick auf die Stationen.
Mehr als das, ich kenne diese Bahnhöfe sehr gut. In Baden-Württemberg sind genau 682 Personenbahnhöfe in meinem Bereich. Es wäre vermessen zu behaupten, dass ich jeden Haltepunkt aus dem Kopf heraus kenne, aber die meisten schon.

Welche Noten von 1 bis 6 geben Sie den vier Stationen im Stuttgarter Norden ?
Alle vier sind klassische S-Bahn-Stationen. Bei einer Notengebung muss man sowohl das Erscheinungsbild als auch die Ausstattung beachten. Der Bahnhof, dem ich in beiden Punkten eine klare Eins geben würde, ist der Bahnhof Neuwirtshaus. Das hat einen einfachen Grund: Als das Porsche-Museum entstanden ist, haben wir die ganze Station modernisiert und gemeinsam mit der Firma Porsche architektonisch so gestaltet, dass es zum Museum passt. Ich finde, das ist uns wirklich gut gelungen.

Worin genau liegt der Vorzug?
Das Besondere ist, dass nichts von der Stange ist. An vielen Dingen können und wollen wir nichts ändern wie zum Beispiel an den Bahnsteigen. Die sehen immer gleich aus. Aber in der Unterführung haben wir eine Gestaltung gefunden, die sich gut einfügt.

Für wie lange ist die Station jetzt gerüstet?
Vom Baulichen her hält sie mindestens die nächsten 50 bis 60 Jahre. Das heißt natürlich nicht, dass wir nicht ständig etwas machen müssen. Bei neuen Stationen arbeiten wir stark präventiv, und in bestimmten Zyklen erneuern wir Bauteile und Ausstattungsgegenstände automatisch.

Welcher der vier Bahnhöfe schneidet am schlechtesten ab?
Noch Feuerbach. Das muss man ehrlicherweise so sagen.

Welche Note geben Sie ihm?
Ein ganz großer Mangel ist, dass Feuerbach noch nicht barrierefrei ist. Aus diesem Grund kann man dem Bahnhof noch nichts anderes geben als eine knappe 4. Es ist notwendig, den Bahnhof umfassend auszubauen. Es gibt in Feuerbach neben den fehlenden Aufzügen zwei Schwierigkeiten: zum einen die zu niedrige Höhe der Bahnsteige, zum anderen liegt der Bahnhof in einer Kurve, wodurch ein Spalt zwischen Bahnsteig und Zug entsteht. Gemeinsam mit dem Verband Region Stuttgart sind wir deshalb mit ÖPNV-Betreuern vor Ort, um Mobilitätshilfe zu leisten.

Wie wollen Sie die Situation verbessern?
Wir planen gerade den stufenfreien Ausbau und wollen ihn 2014 realisiert haben. Wir werden Aufzüge einbauen, einen am Hausbahnsteig am Empfangsgebäude und einen am Mittelbahnsteig.

Was ist mit den Bahnsteigen selbst?
Diese sollen danach modernisiert und erhöht werden, das wird der nächste Meilenstein. Aber da sind wir in der Planung noch nicht so weit wie bei den Aufzügen. Das hängt damit zusammen, dass wir bei Stuttgart 21 massiv in den Bahnhof und die Gleise eingreifen – künftig führt der Tunnel ja von Feuerbach unter dem Killesberg hindurch zum neuen Bahnhof. Darum müssen wir unsere Maßnahmen in Feuerbach mit dem Projekt in Einklang bringen. Ursprünglich sollten auch die Aufzüge erst nach der Realisierung von Stuttgart 21 gebaut werden. Jetzt haben wir das baulogistisch so eingetaktet, dass wir schon deutlich früher mit dem Bau der Aufzüge beginnen können.

Und nach der Sanierung bekommt Feuerbach auch die Note Eins?
Eine Eins mit Stern. Auch im historischen Empfangsgebäude wollen wir in den nächsten Jahren das Serviceangebot verändern. Da sind wir aber noch in der Konzeptphase. Wir merken natürlich, dass für die Kunden nicht nur das Thema Verkehrsstation eine wichtige Rolle spielt, sondern auch, was es im Empfangsgebäude für Angebote gibt. Da muss man sagen, die sind in Feuerbach etwas in die Jahre gekommen. Wichtig ist mir die Feststellung, dass wir auch in Feuerbach in den vergangenen Jahren viel getan haben. Zum Beispiel wurden die Bahnsteigdächer saniert, die Fahrgastinformation wurde verbessert und die Ausstattung modernisiert.

Schauen wir nach Zuffenhausen.
Aus meiner Sicht besteht dort kein grundlegender Modernisierungsbedarf. Es gibt ein Gebäude auf dem Bahnsteig, das genutzt wird durch einen Café-Shop und ein Reisezentrum mit Fahrkartenverkauf. Der Bahnhof ist barrierefrei ausgebaut. Wir haben den Aufzug am Gleis gerade komplett modernisiert und die Dächer am Bahnsteig saniert.

Note?
Eine 2. Er ist nicht ganz so neu wie der in Neuwirtshaus.

Wie sieht es in Weilimdorf aus?
Das ist der klassische S-Bahn-Standort. Zwei Bahnsteige, ein kleines Empfangsgebäude, ein kleiner Backkiosk auf dem Bahnsteig, barrierefrei – das passt. Der Bahnhof ist in Ordnung.

Geben Sie ihm eine Note.
Auch eine 2.

Ist Vandalismus an den vier Stationen ein Problem?
Alle vier Bahnhöfe sind keine Vandalismusschwerpunkte, dort müssen wir nicht ständig nach dem Rechten schauen. Aber natürlich haben wir Graffiti und auch mal Verschmutzungen, gerade am Wochenende, wenn viele Leute unterwegs sind.

Welche Kosten entstehen dadurch?
Wir wenden für Stationen pro Jahr je nach Infrastruktur – wie viele Aufzüge und Bahnsteige gibt es, haben wir ein Empfangsgebäude – einen fünf- bis sechsstelligen Betrag auf. In der Summe sind unter anderem die Instandhaltung, die Reinigung, aber beispielsweise auch Sicherheitsleistungen enthalten.

Wie sind die Zahlen für die Bahnhöfe im Stuttgarter Norden?
Das ist abhängig von den spezifischen Gegebenheiten der Bahnhöfe. In Weilimdorf mit zwei Bahnsteigen ist die Reinigung etwas anderes als in Feuerbach oder Zuffenhausen. Wenn Sie Aufzüge haben, müssen sie mehr für die Energie aufwenden und in die Wartung investieren. Ein Aufzug schlägt mit rund 15 000 Euro an Betriebskosten pro Jahr zu Buche.

Beteiligt sich die Stadt am Unterhalt der Bahnhöfe?
Vom Grundsatz her ist die Unterhaltung, Reinigung und Instandhaltung Sache der Bahn, in Einzelfällen betreiben Städte die Aufzüge.

Häufig empfinden Menschen Bahnhöfe als Angsträume. Was tun Sie dagegen?
Objektiv betrachtet ist der Aufenthalt in einem Bahnhof sicher, sogar sicherer als in vielen anderen öffentlichen Räumen. Auch unsere Kundenbefragungen sagen, dass das subjektive Sicherheitsempfinden tagsüber kein Problem ist. Schwieriger wird es nachts, aber das ist ein Phänomen, das es nicht nur bei der Bahn gibt. Oftmals fühlen sich die Kunden in Unterführungen unsicher. Hier setzen wir auf gute Beleuchtung.Wenn wir feststellen, dass es Probleme gibt, sind wir sehr dahinter her, mit unserem eigenen Sicherheitsdienst und mit Unterstützung der Landes- oder Bundespolizei örtlich präsent zu sein. In Feuerbach ist ein Vorteil, dass wir die ÖPNV-Betreuer vor Ort haben. Die sind zwar nicht unmittelbar für die Sicherheit zuständig, aber oft hilft einfach die öffentliche Kontrolle. In Weilimdorf gibt es einen Backshop am Gleis. Immer, wenn Sie öffentliche Kontrolle gewährleisten können, nimmt gefühlte Unsicherheit ab.

Fallen die vier Stationen bei der Kriminalitätsrate besonders auf?
Nein, in dem Punkt sind diese Bahnhöfe nicht auffällig.

Wie viele Fahrgäste sind im Stuttgarter Norden unterwegs?
In Neuwirtshaus haben wir pro Tag 4300 Ein-, Aus- und Umsteiger; in Weilimdorf sind es 5500. Das sind deutlich weniger als in Zuffenhausen oder Feuerbach, wo wir 21 000 Menschen am Tag zählen.

Wie viele Züge machen pro Tag Station?
In Feuerbach und Zuffenhausen sind es werktags um die 320 bis 330 Züge von drei Linien, in Neuwirtshaus und Weilimdorf etwa 130 der Linie S 6.

Bahnhöfe haben oft ein Schmuddel-Image: viel Dreck, Müll, Gestank. Was tun Sie dagegen?
Dieser Ruf hängt Bahnhöfen irgendwie nach, aber bei Kundenbefragungen bewegen sich die Bewertungen zu Sauberkeit zwischen der Note 2 und 2,5. Das sind für hochfrequentierte Stationen, die mehr als 80 Jahre alt sind, gute Werte, die auch aus der täglichen Reinigung der Stationen resultieren. Ein weiterer Baustein, um unsere Bahnhöfe nachhaltig in einem guten Zustand zu halten, sind Bahnhofspatenschaften, bei denen Einzelpersonen, Gruppen oder Schulklassen sich um „ihren“ Bahnhof kümmern. Die Paten halten Kontakt zum Bahnhofsmanagement, melden Schäden oder beseitigen kleine Schmierereien. In Zuffenhausen arbeiten wir mit der Rilke-Realschule als Bahnhofspate zusammen. Die Schüler streichen zum Beispiel die Unterführung, wir stellen das Material. Dadurch bekommen die Jugendlichen ein anderes Bewusstsein zum Bahnhof.

Wie haben sich Bahnhöfe allgemein in den vergangenen 20, 30 Jahren verändert?
In diesem Zeitraum ist deutschlandweit viel in den Bahnhöfen passiert. Wenn Sie noch vor 15 Jahren zum Beispiel namhaften Handelsfirmen angeboten hätten, ein Geschäft im Bahnhof aufzumachen, hätten die gesagt: Kommt überhaupt nicht in Frage, wir gehen doch mit unserem Image nicht in einen Bahnhof. Das hat sich komplett geändert.

Wie sieht die Zukunft aus?
Barrierefreiheit ist das entscheidende Thema. In Baden-Württemberg sind mittlerweile 75 Prozent der Bahnhöfe barrierefrei. Ziel ist, dass es alle sind, aber wir wissen auch, dass wir das nicht in den nächsten fünf Jahren schaffen. Bei größeren Bahnhöfen sind das Investitionssummen zwischen fünf und zehn Millionen Euro. Insgesamt investieren wir zusammen mit unseren Partnern im Südwesten jedes Jahr 60 bis 70 Millionen Euro in die Bahnhöfe.