Das nach mehreren Entgleisungen gesperrte Gleis 10 am Stuttgarter Hauptbahnhof kann wieder befahren werden. Das Eisenbahnbundesamt (Eba) hat den Betrieb unter Auflagen genehmigt. Nun sollen endlich auch die S-Bahnen wieder pünktlich fahren.

Stuttgart - Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) hat die seit Sommer 2012 nach drei Zugentgleisungen gesperrten Gleise 8 und 10 am Dienstagabend unter Auflagen wieder frei gegeben. Das hat die Bahn am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum Thema S-Bahn in Stuttgart erklärt. Auf beiden Gleisen dürfen aber nur gezogene Züge fahren, also mit einer Lokomotive am Kopf des Zuges oder mit Triebköpfen an beiden Enden wie bei ICEs oder S-Bahnen. Dank dieser „erfreulichen Nachricht“ werde sich der Zugverkehr auf dem Hauptbahnhof bei den Fern-, Regional- und S-Bahnen in zwei bis drei Tagen wieder normalisieren, erklärte Christian Becker, Fahrplan-Manager bei der DB Netz AG. So werde die Kapazitätseinschränkung von 30 Prozent auf dem Hauptbahnhof aufgehoben. Der Grund für die Gleissperrungen seien „Fehlfunktionen bei Wagenpuffern“ gewesen. Der Eba-Bescheid sei am Dienstagabend nach 18 Uhr eingegangen.

 

Um die Pünktlichkeit der im Berufsverkehr stark verspäteten S-Bahnen zu steigern, hat der Schienenkonzern am Mittwochabend auch ein neues Entlastungskonzept für die S-Bahn beim Land beantragt. Dieses sieht Einschnitte bei den Regionalzügen vor. „Mit der Freigabe der beiden bis jetzt gesperrten Gleise kann die Pünktlichkeit der S-Bahn dramatisch gesteigert werden“, so Becker. Durch die neue Lage müsse das geplante Entlastungskonzept wohl nur teilweise umgesetzt werden.

Eisenbahnbundesamt wartet auf weitere Nachweise

Das Eba teilte auf Anfrage mit, dass die DB Netz AG sicherstellen müsse, dass die frei gegebenen Gleise nur von gezogenen Zügen benutzt würden. „Eine uneingeschränkte Freigabe der Unfallstelle war auf Grundlage der vorgelegten Nachweise nicht möglich“, sagte eine Sprecherin der Kontrollbehörde. „Es liegt weiterhin in den Händen der Bahn, den Nachweis zur sicheren Betriebsführung zu vervollständigen.“

Becker kündigte auch an, dass die Bahn nach der Teilfreigabe er Gleise durch das Eba nun im Sommer damit beginnen werde, Prellböcke und Bahnsteige im Gleisvorfeld um 120 Meter nach vorn zu verschieben, um das Baufeld für den Tiefbahnhof frei zu machen. Dabei müssten wieder zwei Gleise gesperrt werden. Das Entlastungskonzept werde dann helfen, so Becker. Es liegt der Region bis jetzt aber nicht vor.

Verkehrsdirektor noch verhalten optimistisch

„Ich freue mich über die Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes“, sagte Jürgen Wurmthaler, der Verkehrsdirektor beim Verband Region Stuttgart (VRS), der Aufgabenträger der S-Bahn ist. „Ich jubele aber erst, wenn die S-Bahnen wieder genau nach Fahrplan unterwegs sind.“ Wurmthaler hatte zuvor deutlich seinen Unmut über die erheblichen Verspätungen bei der S-Bahn geäußert. „So darf es nicht weitergehen, die Verhältnisse sind nicht akzeptabel. Das vergangene Jahr hat uns ernsthafte Sorgenfalten ins Gesicht getrieben“, sagte er. Seit Beginn der Untersuchungen im Jahr 2003 habe es keine so schlechten Pünktlichkeitswerte bei der S-Bahn gegeben. „Vor allem in den Hauptverkehrszeiten liegt die Bahn deutlich unter den mit uns vereinbarten Zielwerten“, betonte Wurmthaler. Im vergangenen Jahr seien lediglich 75 Prozent der Züge in der Hauptverkehrszeit mit Verspätungen unter drei Minuten angekommen: „Besonders krass ging es im Oktober nach den Zugentgleisungen auf den Hauptbahnhof nach unten.“

Die Bahn räumte ein, dass sich die Bilanz der S-Bahn in Sachen Pünktlichkeit erheblich verschlechtert habe. „Auch wir sind mit den Werten nicht zufrieden“, sagte Hans-Albrecht Krause von der DB Regio AG, der Betreiberin der Stuttgarter S-Bahn. Man habe aber bei den Kundenbefragungen in Sachen Pünktlichkeit mit der Note 2,8 die gleiche Bewertung wie 2011 bekommen. „Die Note dürfte aber bei der nächsten Kundenbefragung klar in den Keller gehen“, räumte Krause ein.

Keine Entschädigungszahlungen

Jürgen Wurmthaler teilte am Mittwoch ebenfalls mit, dass die DB Regio keine Entschädigung zahlen müsse für die Verspätungen. Für die ausgefallenen oder stark verspäteten Züge – insgesamt handelt es sich um rund 148 000 Zugkilometer – überweist der VRS aber 940 000 Euro weniger. Die sogenannte Pönale, eine Vertragsstrafe für weniger stark verspätete Züge, ist dagegen wegen der Unwägbarkeiten durch die Stuttgart-21-Baumaßnahmen seit einiger Zeit auf 62 000 Euro gedeckelt; der Verband erhält dadurch weniger Geld als ihm wegen der Verspätungen eigentlich zustünde – ihm entgehen 138 000 Euro.

Einen Ausgleich für die Fahrgäste werde es nicht geben, teilte Hans-Albrecht Krause gestern im Verkehrsausschuss mit: „Aus vertraglicher Sicht ist dieses Mal nichts möglich.“ Die Probleme seien auch nicht so groß gewesen wie bei der Rampenstörung im Jahr 2010. Er kündigte aber ein Maßnahmenpaket an: Die Bahn sei dabei, die Betriebsabläufe auf der Stammstrecke zu optimieren, um einen reibungslosen S-Bahn-Verkehr zu gewährleisten. Dabei soll auch zusätzliches Personal an den Bahnsteigen eingesetzt werden. Sven Hantel von der DB Station und Service kündigte an, dass die Information der Reisenden noch 2013 in einer Hand vereinigt werden soll, um darin deutlich besser zu werden.

Harsche Kritik an der Bahn

Die Grünen-Regionalrätin Eva Mannhardt kritisierte scharf, dass drei Monate nach dem Auftreten der Probleme keine Lösung aufgezeigt worden sei, um die S-Bahn während der Stuttgart-21-Bauarbeiten vor Störungen zu schützen. „Wir bestehen auf schriftlichen verbindlichen Zusagen der Bahn. Allein mit hübschen Versprechungen ist es nicht getan“, sagte sie. Auch das Management im eingetretenen Störfall funktioniere überhaupt nicht.

Die anderen Fraktionen im Verkehrsausschuss lasen der Bahn ebenfalls die Leviten. Rainer Ganske (CDU) zeigte sich sehr verärgert, dass am Schluss immer die S-Bahn unter den Problemen zu leiden habe, nie aber Regional- oder Fernzüge. „Weitere Leistungen werden wir künftig nur bestellen, wenn wir darauf vertrauen können, dass die S-Bahn funktioniert“, so Ganske. Bernhard Maier (Freie Wähler) sagte, man solle die Situation aber nicht dramatisieren – das schade dem Ruf des Nahverkehrs. Im Übrigen waren sich Maier und Ganske einig, dass die Störungen bei der S-Bahn nichts mit Stuttgart 21 zu tun hätten. Dem widersprachen die Grünen massiv.