Europas bislang größter Hersteller von Schienefahrzeugen streicht in seinen deutschen Werken bis 2019 jeden vierten Job. Der Stellenabbau soll aber ohne Kündigungen über die Bühne gehen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Nach monatelangen harten Verhandlungen haben sich Europas größter Bahnhersteller Bombardier Transportation (BT) und der Gesamtbetriebsrat geeinigt. Demnach wird es bei der Streichung von mehr als einem Viertel der noch 8500 Stellen in den sieben deutschen Werken bis Ende 2019 keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Die neue Betriebsvereinbarung ist bis Ende 2020 gültig.

 

Damit sei der Weg frei, die Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit „zügig umzusetzen“, sagte der Deutschlandchef des kanadischen Konzerns, Michael Fohrer. BT mit Sitz in Berlin ist mit 37 000 Beschäftigten die Bahnsparte und in mehr als 60 Ländern vertreten. Das börsennotierte Unternehmen geriet vor allem wegen Problemen beim Flugzeugbau in schwere Turbulenzen, aber auch die Herstellung von Schienenfahrzeugen gilt als zu wenig profitabel.

In den sieben deutschen Werken werden 2200 Stellen wegfallen

In den sieben deutschen Werken sollen 2200 Stellen wegfallen. Am stärksten betroffen sind Görlitz (Sachsen), wo Doppelstockwagen gebaut werden, und das wichtigste deutsche Werk Hennigsdorf bei Berlin, wo bis 2019 die Großserienfertigung von Zügen nach mehr als 100 Jahren auslaufen soll. Bombardier Transportation konzentriert die Endmontage im sächsischen Bautzen. Weltweit sollen rund 5000 Stellen gestrichen werden. Ende Juni war dazu bereits ein Eckpunktepapier unterzeichnet worden.

Nach Angaben der IG Metall hat man sich auch auf die künftigen Aufgaben der deutschen Standorte, Investitionen sowie verbesserte Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeiten für den Betriebsrat geeinigt. Der Konzernumbau war lange Zeit heftig umstritten und löste wiederholt Protestaktionen aus. Laut Fohrer macht BT in Deutschland seit 2012 zehn Milliarden Euro Umsatz und eine Milliarde Euro Verlust. Ziel sei zumindest eine schwarze Null.

Europas Bahnindustrie ist weltweit führend

Mit Bombardier Transportation, Siemens und der französischen Alstom ist Europas Bahnindustrie auf dem Weltmarkt führend, steht aber unter starkem Kosten- und Konkurrenzdruck. Besonders China schickt sich an, mit strategischen Operationen auch im internationalen Bahngeschäft ganz nach vorne zu kommen. Mit der Fusion der zwei größten dortigen Anbieter hat sich bereits der weltweit größte Hersteller von Schienenfahrzeugen formiert.

Als Reaktion laufen hinter den Kulissen Gespräche über weitere Allianzen zwischen Europas Herstellern. Seit Monaten wird in der Branche und an der Börse erneut über eine mögliche Ehe von BT und der Siemens-Bahnsparte spekuliert. Siemens soll aber auch erneut mit Alstom mögliche Allianzen sondieren. In den vergangenen Jahren blieben die Versuche letztlich ohne konkrete Ergebnisse.

Im Stammwerk Hennigsdorf wollte Bombardier die Produktion von Schienenfahrzeugen nahezu komplett aufgeben. Der Widerstand der Belegschaft und Gewerkschaft erreichte, dass mit einigen hundert Beschäftigten vorerst zumindest noch Kleinserien und Prototypen gefertigt werden. Der Standort soll künftig vor allem zentrales Entwicklungszentrum für S- und U-Bahnen sowie Regional- und Fernzüge sein. Rund 500 Stellen könnten insgesamt wegfallen.