Im November soll es am Aichelberg mit dem Bohren der Schnellbahntrasse losgehen. Doch schon jetzt beobachten zahlreiche Zaungäste das Spektakel in der Baugrube von einer Besucherplattform aus.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Aichelberg - Marius ist ziemlich verwirrt: „Die Männchen sind ja ganz schön klein, Papa.“ Und noch ehe der Papa etwas sagen kann, schiebt der sechsjährige Knirps eine Frage hinterher: „Sind die echt?“ – Patrick Scholz nickt und setzt zur Erklärung an: „Das sind Menschen, die bestimmt genauso groß sind wie ich.“ Doch der Gesichtsausdruck des Sohnemanns bleibt skeptisch. Denn in der Tat gleichen die Männchen, die sich auf der Baustelle für die Schnellbahnstrecke Stuttgart–Ulm vor dem Tunnelportal Aichelberg tummeln, Figuren, die einem Playmobilkasten entsprungen sein könnten.

 

Zumindest von der Besucherplattform aus, die von der Bahn oberhalb des Tunnelmunds errichtet worden ist, wirkt alles, was lediglich Normalgröße hat, winzig: Ob Lastwagen oder Schubkarre, ob Presslufthammer oder Schaufel – alles sieht aus wie Spielzeug. Diese Verschiebung der Realität ist den riesigen Gerätschaften geschuldet, die ansonsten in der großen Grube herumstehen, und den unglaublichen Dimensionen, die das Baufeld insgesamt aufweist. Darüber staunt im übrigen auch der Vater Patrick Scholz, der mit seiner Familie aus Esslingen angereist ist, „um das mal live und in Farbe zu sehen.“

Im November soll „angedreht“ werden

Nun ja, mit der Farbe ist das so eine Sache. Braun- und Grautöne dominieren das Bild. Der Riesenbohrer, dessen Schneidrad einen Durchmesser von mehr als elf Metern hat, ist hauptsächlich weiß, ebenso der so genannte Nachläufer, der dafür sorgt, dass der Aushub aus der Röhre heraus und die Wandverkleidungsteile, sogenannte Tübbinge, in diese hineinkommen. Farbtupfer bilden lediglich ein gelb-roter Mega-Kran, hellgrüne Baumaschinen sowie blaue Abdeckplanen, unter denen zurzeit fleißig montiert und geschraubt wird.

Im November soll die alles in allem rund 120 Meter lange Tunnelbohrmaschine einsatzfähig sein. Zehn bis zwölf Meter weit arbeitet sich das von 13 Motoren mit einer Leistung von 6200 PS angetriebene monströse Gerät dann Tag für Tag in den Berg hinein. Ein Besuch der Baustelle dürfte also noch interessanter werden, da auch die Anlieferung der Tübbinge vom Betonwerk unweit der Autobahnausfahrt mit einer eigens errichteten Stollenbahn und das Umladen beobachtet werden können. Obendrein sind auf dem Beobachtungsgerüst zahlreiche Informationstafeln zur Tunnelbauweise sowie zu der Bohrmaschine angebracht.

Martin Stiehle: Diese Baustelle ist einmalig

Martin Stiehle hat zumindest vor, „hier immer wieder mal vorbeizuschauen“ Der Servicetechniker für CNC-Maschinen wohnt in Bad Boll-Eckwälden und ist häufig mit dem Fahrrad unterwegs. „Da lässt man sich eine solch einmalige Baustelle natürlich nicht entgehen“, sagt er. Stiehle findet es gut, „dass die Bahn die Möglichkeit geschaffen hat, dass sich die Leute die Arbeiten aus nächster Nähe anschauen können“. Interessant sei das ja allemal.

Dieser Überzeugung scheinen auch etliche Bewohner aus Aichelberg zu sein. Bürgermeister Martin Eisele weiß von einigen „sehr interessierten Rentnern aus dem Ort“ zu berichten, die ihn auf den neuesten Stand darüber bringen, was sich am Tunneleingang gerade so tut. Auch seitens der Bahn fühlt sich der Schultes gut informiert. „Das hat sich eingependelt und zu einem echten Miteinander entwickelt“, betont er. Dass die Besucherplattform zudem von Auswärtigen rege genutzt wird, ist dem Rathauschef ebenfalls nicht verborgen geblieben: „Viele schauen sich das Spektakel an und fahren weiter. Einige bleiben aber auch und kehren in unseren Wirtschaften ein“. Andere kämen immer wieder.

Marius will demnächst auch wieder kommen – zumal er jetzt weiß, dass Papa Patrick recht hat. Als Jörg Zschage, einer der Bauüberwacher, mit einigen Gästen auf dem Stahlgerüst auftaucht, murmelt der Kleine so etwas wie: „Die Männchen sind ja doch nicht nicht so klein, wie ich dachte.“

Überall wird gebuddelt, gebohrt oder gesprengt

Albaufwärts ist die nächste Großbaustelle des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm im Umpfental bei Gruibingen zu finden, wo ein 948 Meter langer Stollen, ein sogenannter Zwischenangriff, angelegt wurde. Von diesem aus erfolgt der Vortrieb des 8808 Meter langen Boßlertunnels, zum einen in Richtung Aichelberg und zum anderen in Richtung Oberes Filstal zum Tunnelportal Buch. Der Bau erfolgt in konventioneller Spritzbetonbauweise – einem zyklischen Vortrieb aus Sprengen, Ausbrechen und Betonieren. Mit der Oströhre für das Gleis von Ulm nach Stuttgart ist man in Richtung Filstal bis jetzt knapp 48 Meter weit vorgedrungen, in Richtung Aichelberg fast 265 Meter. Die Arbeiten in der Weströhre haben noch nicht begonnen. Zudem wurde im Gruibinger Umpfental eine große Containersiedlung errichtet, in der bis zu 120 Tunnelarbeiter untergebracht werden können.

Mitte des nächsten Jahres will die Bahn mit dem Bau der Filstalbrücke bei Mühlhausen beginnen. Als erstes werden die Baugruben für die gewaltigen Brückenpfeiler erstellt. Zurzeit werden die notwendigen Baustraßen angelegt. Sie werden im Endzustand asphaltiert sein, um die Staubbildung zu minimieren. Außerdem werden stationäre Reifenwaschanlagen installiert. Das Portal Todsburg des Steinbühltunnels wird nicht von Mühlhausen her erschlossen, da parallel zur A 8 eine Verbindung von der B 466 zu den Eselshöfen gebaut wird. Über die Fils rollt der gesamte Baustellenverkehr auf einer vor kurzem fertiggestellten Brücke.

Im Steinbühltunnel ist bald die Hälfte geschafft

Die Arbeiten der beiden eingleisigen Röhren des 4847 Meter langen Steinbühltunnels von Hohenstadt aus sind am weitesten vorangeschritten. Der Südvortrieb mit 441 Metern beziehungsweise 430 Metern, von der Baugrube Pfaffenäcker aus, ist abgeschlossen. In Richtung des Filstals weisen beide Röhren eine Länge von mehr als 2000 Metern auf. Demnächst ist damit die halbe Strecke durch den Berg bewältigt. Anfang 2016 will die Bahn am Portal Todsburg ankommen.

Nach dem Willen der Verantwortlichen soll das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm, inklusive des Tiefbahnhofs, im Jahr 2021 in Betrieb gehen. Der Bereich Albaufstieg wird aller Voraussicht nach schon deutlich früher fertig. Ein genaues Datum könne aber zurzeit noch nicht genannt werden, sagte ein Sprecher des zuständigen Kommunikationsbüros.