Immer weniger Reisebüros verkaufen Bahnreisen. Der Grund: Mit einem neuen Provisionsmodell hat die Deutsche Bahn weitere Agenturen als Berater und Vertriebspartner verloren. Das Nachsehen haben vor allem hilfsbedürftige Reisende.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Zum Jahreswechsel haben weitere fast 300 Reisebüros der Deutschen Bahn den Ticketverkauf und die Beratung aufgegeben. Ursache ist in den meisten Fällen das neue Provisionsmodell des Staatskonzerns, das vor allem für umsatzschwächere Vertriebspartner das oft zeitintensive Geschäft noch weniger lukrativ macht.

 

Nach Angaben eins Bahnsprechers haben nur noch 2245 Reisebüro die neuen Agenturverträge unterschrieben, die drei Jahre laufen und noch stärker gestaffelte Provisionen festlegen. Zudem werden die Grundvergütungen teils deutlich verringert sowie Fern- und Nahverkehrserlöse erstmals getrennt berechnet. Der Deutsche Reiseverband (DRV) hatte vergeblich gewarnt, dass sich dadurch der Fahrscheinverkauf für kleinere Agenturen noch weniger noch lohne.

Immer weniger stationäre Vertriebspartner

Der kriselnde Konzern hatte die Kritik aber zurückgewiesen und behauptet, man erwarte keine größeren Rückgänge. Tatsächlich jedoch ist nun die Zahl der stationären Vertriebspartner auf einen Schlag von zuvor noch 2540 auf nur noch 2245 Agenturen gesunken. Fast jeder achte DB-Partner hat den Ticketverkauf zum Jahreswechsel aufgegeben.

Die Zahl der Reisebüros mit Bahnticketverkauf schrumpft seit Jahren stark. Noch 2007 gab es immerhin 3300 DB-Agenturen, seither hat fast jede dritte Vertriebsstelle dieses Geschäft eingestellt.

Für Bahnkunden wird es dadurch immer schwieriger, Fahrscheine mit persönlicher Beratung zu bekommen. Denn auch von den einst mehr als 1000 DB-Reisezentren in Bahnhöfen wurden nach der Jahrtausendewende mehr als 600 geschlossen und in den 400 verbliebenen das Personal ausgedünnt. Damals fuhr der Staatskonzern auf verschärftem Börsen- und Renditekurs, die Folge für die Reisenden sind bis heute oft lange Wartezeiten in den Reisezentren.

Kunden buchen verstärkt per Smartphone

Der marktbeherrschende Transportriese baut stattdessen den eigenen Direktvertrieb per Internet seit Jahren massiv aus. 2016 machte die DB bereits 35,2 Prozent ihrer Fahrschein-Umsätze online, die Kunden buchen verstärkt per Smartphone oder Computer. Der wichtigste Absatzkanal wächst damit weiter, 2015 lag der Anteil bei 32,6 Prozent.

Weitere 26,4 Prozent (2015: 27,5 Prozent) des Ticketumsatzes bringen DB-Automaten, deren Anteil sinkt. Nur noch 17,3 (17,9) Prozent der Erlöse werden in DB-Reisezentren erzielt, weitere 12,8 (13,2) Prozent per Callcenter, im Zug oder Ausland. Der Umsatzanteil der Agenturen ist 2016 auf lediglich 8,3 Prozent geschmolzen, 2015 waren es noch 8,8 und 2013 noch 10,2 Prozent.

Der Ticketkauf im Reisebüro ist vor allem für Bahnkunden hilfreich, die etwas aufwändigere Zugfahrten planen, zum Beispiel einen Urlaub im Ausland. Auch alle, die sich von Automaten und digitalen Angeboten eher abgeschreckt und überfordert fühlen, tun sich wegen des Schwunds der DB-Reisezentren und Agenturen immer schwerer, noch kompetente Beratung am Schalter zu finden.

Kompliziertere Tarif- und Vertriebssysteme

Diese Beratung wird aber gleichzeitig immer wichtiger, da die Tarif- und Vertriebssysteme auf der Schiene seit der Liberalisierung des Bahnverkehrs noch viel komplizierter und undurchsichtiger geworden sind. Zudem bringen häufige Betriebsstörungen und Hunderte Baustellen bundesweit den Schienenverkehr regelmäßig aus dem Takt und verärgern Bahnfahrer umso mehr, wenn sie sich schlecht über Störungen informiert fühlen.

Dennoch dünnt der Konzern seit Jahren den stationären Vertrieb aus und reduzierte schon mehrfach die Umsatzvergütungen der Agenturen. Zuletzt lösten die Kürzungen 2013 unter den damals noch 2900 DB-Vertriebspartnern einigen Ärger aus, auch Politiker kritisierten das Vorgehen. Die damalige Vertriebschefin Birgit Bohle, die inzwischen den DB Fernverkehr leitet, zog die Sparrunde dennoch durch. Zuvor war der spätere DRV-Präsident Jürgen Büchy für den DB-Vertrieb zuständig.

Deutsche Bahn weist Kritik zurück

Die DB weist Kritik am neuen Provisionsmodell zurück. Die Vertriebspartner könnten bis zu neun Prozent Umsatzvergütung für Tickets im Fernverkehr und bis zu 9,5 Prozent für Nahverkehrs-Fahrscheine erreichen. Gute Leistungen würden weiterhin honoriert. Allein 115 Agenturverträge seien wegen Neuorganisationen von Reisebüroketten zurückgegeben worden. Allerdings blieb die Zahl der deutschen Reisebüros in den letzten Jahren mit knapp 10 000 fast konstant und schrumpfte seit 2008 nur um gut ein Zehntel, die Zahl der DB-Partner dagegen sank derweil um fast ein Drittel.