Die Bahn und die Stadt legen ihre Statistiken über Defekte an Aufzügen und Rolltreppen vor. Demnach liegen die Ausfälle an den Stationen Stadtmitte und Hauptbahnhof bei lediglich zwei Prozent.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Es muss nicht immer böser Wille sein. Deshalb spricht der Bahnhofsmanager Nikolaus Hepting lieber von „unsachgemäßem Gebrauch“. Als bildhaftes Beispiel dafür dient der Heimwerker, der sein Vierkantholz aus dem Baumarkt in der S-Bahn nach Hause transportieren wollte. Der hat im Hauptbahnhof „eine ganze Rolltreppe zerlegt“, sagt Hepting, „die stand dann drei Wochen“.

 

Gefühlt stehen alle Rolltreppen und Aufzüge in den Bahnstationen alle drei Wochen drei Wochen lang still. Der CDU-Bezirksbeirat Andreas Müller formuliert es so: „Schicken Sie mir einen Mitarbeiter hinterher, der hätte reichlich zu tun.“ Sein Herzmuskel sei gut trainiert – weil der Christdemokrat regelmäßig zwangsweise die Treppen der S-Bahnstationen empor steigt. Auf Müllers Wunsch war das Thema auf die Tagesordnung des Bezirksbeirat gesetzt worden.

Statistisch steht hingegen kaum einmal eine Rolltreppe oder ein Aufzug. Zwei Prozent Ausfälle hat der Ausrüster der Bahn für die Stationen Stadtmitte und Hauptbahnhof ermittelt, ausgelesen aus den Chips der Treppen und Lifte. Auf ähnliche Zahlen kommt das städtische Tiefbauamt. Den Betrieb teilen sich Bahn und Stadt. Beide sind stuttgartweit für jeweils knapp 110 Rolltreppen und rund 60 Aufzüge verantwortlich. Für deren gefühlt ständigen Stillstand „können Sie davon ausgehen, dass zu 75 Prozent Vandalismus dafür verantwortlich ist“, sagt Claus-Dieter Hauck, Abteilungsleiter im Tiefbauamt.

Abotage oder Pech sind schwer zu unterscheiden

Oder eben der unsachgemäße Gebrauch. Ob jemand absichtlich mit Scherben Rolltreppenstufen blockiert oder ob eine Flasche aus der Hand rutschte, ist eben schwer zu entscheiden. Selbst mit einer Büroklammer lässt sich die Mechanik blockieren. „Es gibt da einige Tricks“, sagt Hauck, „aber über die werde ich mich jetzt nicht verbreiten“ – aus Furcht, eine Gebrauchsanweisung zu veröffentlichen.

Unzweifelhaft ist hingegen, dass vor allem jugendliche Fahrgäste es für einen gelungenen Scherz halten, ohne Not die Notbremse zu ziehen. In Stationen, die nahe an Schulen liegen, häufen sich diese Fälle eindeutig. Theoretisch gehen die Anlagen nach einer vorbestimmten Frist allein wieder in Betrieb. Dies aber nur, wenn niemand die Rolltreppe betritt. Sonst meldet die Lichtschranke an ihrem unteren Ende Personen auf der Treppe. Der Sicherheit wegen darf der Elektromotor dann nicht zu laufen beginnen. Geschieht dies oft genug, legt die Technik sich endgültig lahm und kann nur von Menschenhand wieder in Gang gesetzt werden.

Die Motoren laufen 20 bis 21 Stunden täglich

Gemäß Zahlen der Bahn benutzen jährlich etwa eine Million Menschen die Aufzüge im Hauptbahnhof, rund 4,5 Millionen die Rolltreppen. 20 bis 21 Stunden täglich laufen die Motoren. „Daraus ergibt sich ein hoher Verschleiß“, sagt Hepting. Die nie stillstehende Anlage ist nicht einmal theoretisch möglich, weil die Mechanik regelmäßig gewartet und turnusmäßig vom Tüv geprüft werden muss. Die Stadt beschäftigt 15 Mitarbeiter im Dreischichtbetrieb, um Defekte zu beheben. Die Bahn hat einen Dienstleister beauftragt. In drei von vier Fällen gelingt die Reparatur innerhalb einer halben Stunde. Die Ursache längerer Stillstände sind laut Hauck zumeist Lieferprobleme, weil „die Firmen bei den Lagerhaltungskosten sparen“.

Weshalb die Stillstandszeiten gelegentlich sinnvoller in Monaten als in Tagen angegeben werden. Sechs Monate dauerte es, bis ein Aufzug im Bahnhof Untertürkheim saniert war, 20 gar, bis der in der Haltestelle Österreichischer Platz eingebaut war, letzteres auch wegen bautechnischer Probleme. An der Haltestelle Österfeld in Vaihingen sind die zwei Aufzüge offenbar Montagsmodelle. Dass sie ständig aufs Neue außer Betriebe sind, leugnet auch die Bahn nicht.

Wegen dauerhaften Stillstands in seiner Gemeinde „hat der Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd einen Tragedienst mit Flüchtlingen eingeführt“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle. Allerdings ist die Idee laut Hepting nicht neu: „Wenn wir planmäßig austauschen, haben wir auch einen Tragedienst.“