Die Lokführergewerkschaft GDL hat erneut bundesweite Streiks beschlossen. Dauer und Beginn will sie mit einem gewissen Vorlauf bekanntgeben. Die Bahn gibt sich fassungslos – die Tarifverhandlungen mit der GDL hätten kurz vor dem Ziel gestanden, versichert sie.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Wenn die Verantwortlichen von Bahn und Gewerkschaft schon ihr völliges Unverständnis über die andere Seite zeigen – wie soll da noch ein Außenstehender verstehen, warum der Tarifkonflikt bei der Bahn schon wieder eskaliert? Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen am Freitag plant die Lokführergewerkschaft für diese Woche neue Streiks. Dies hat am Sonntag der dreiköpfige geschäftsführende GDL-Vorstand entschieden. Der Ablauf wird noch geheim gehalten. Üblicherweise gibt die GDL 24 Stunden vor dem Beginn Details bekannt. Klar ist, dass ganz Deutschland betroffen sein solle, wie eine Sprecherin sagt.

 

Hatten sich beiden Seiten nicht am 23. Februar auf Eckpunkte einer neuen Tarifstruktur verständigt? Damals wurden der GDL die geforderten eigenständigen Tarifverträge für das gesamte Zugbegleitpersonal zugestanden, was als großer Durchbruch gefeiert wurde. Alles schien endlich auf dem besten Weg. Seither ist man in diversen Verhandlungen vorangekommen – bis zum Freitagabend. Nach dem Scheitern gibt sich die Bahn fassungslos: Das erneute Zerwürfnis entspreche „in keinster Weise“ dem Verhandlungsstand, kritisiert Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. „Wir verstehen diese Entscheidung in der Sache absolut nicht“, ergänzte seine Sprecherin gegenüber der StZ. Nie sei ein Streik so unsinnig gewesen. „Noch nie waren wir so nah dran, um das von der GDL gewünschte Zwischenergebnis zu erreichen.“ Es gebe ein weitgehendes Einvernehmen, „da kann die GDL noch so oft sagen, dass dies nicht stimmt“. In nahezu allen Punkten sei deren Wunschliste erfüllt worden. So soll es einen Flächentarifvertrag für alle geforderten Berufsgruppen geben: für Zugbegleiter, Disponenten, Bordgastronomen, Trainer und auch für die 3100 Lokrangierführer der Bahn. Für die letztgenannte Gruppe sei ein Übergangsmodell entwickelt worden, das sowohl der GDL als auch der Gewerkschaft EVG gerecht werden könne, die bis jetzt die Lokrangierführer organisiert. Die GDL hätte dafür schon grünes Licht gegeben – ohnehin habe diese ihrerseits Kompromisse gemacht. Die Bahn habe den bis Freitagabend verabredeten Stand dann aus formellen Gründen als Angebot formuliert. Daraufhin hätte die Gewerkschaft allerdings den Streik angedroht.

Weselsky beklagt Stillstand in Verhandlungen

GDL-Chef Claus Weselsky hat eine völlig konträre Sicht der Dinge: „Das mit dem Näherkommen ist so eine Sache“, sagt er. Der Personalvorstand wiederhole dies „wie ein Mantra“. Es gebe aber keinen Fakt, der seit dem 23. Februar unterschrieben auf dem Tisch liege. „Es geht vor, zurück, vor, zurück, Stillstand.“ Die bisherigen Angebote der Bahn seien „lächerlich und eine Provokation“. Weselsky beschuldigt Weber daher der Lüge, weil dieser nie bereit sei, den Verhandlungsstand „zu fixieren und den nächsten Schritt zu machen“. Der Zwischenstand liege schriftlich formuliert vor, kontert die Sprecherin von Weber. Es fehle praktisch nur noch die Unterschrift der GDL, dann könne man bei den nächsten geplanten Terminen am 27. und 29. April über mehr Lohn und weniger Arbeitsbelastung der Beschäftigten verhandeln.

Auch den Verzögerungsvorwurf Weselskys, wonach die Arbeitgeberseite die GDL so lange hinhalten wolle, bis im Sommer das Gesetz zur Tarifeinheit im Betrieb in Kraft tritt, weist sie strikt zurück: „Wir warten nicht auf das Gesetz – wir möchten mit den Gewerkschaften jeweils eine Lösung finden und den Tarifvertrag vorher abschließen.“ Zwar sollen unterschiedliche Tarifverträge für dieselben Berufsgruppen weiterhin verhindert werden, doch gebe es keine Vorbedingung gegenüber der GDL. Tarifkonkurrenz zu vermeiden sei „mühsam, aber es geht“. Weselsky widerspricht: „Der Bahnvorstand will kein Ergebnis erzielen und versucht hier als Pilotprojekt sozusagen, eine Berufsgewerkschaft nicht nur zu diskreditieren, sondern gezielt in Streiks zu treiben, um Streik als etwas Schmuddliges darzustellen“, betont er, denn dies sei das Ziel der Bahn.