Viele Forscher sehen den Menschen deshalb inzwischen als Superorganismus, als ganzes Ökosystem, das sie nur verstehen können, indem sie alle Arten untersuchen. Bei dieser Arbeit helfen neue Technologien, die es erstmals ermöglichen, einen Überblick über das Leben in und auf dem Menschen zu bekommen. "Früher musste man die Bakterien immer in der Petrischale kultivieren, heute kann man auch Bakterien nachweisen, die sich so gar nicht züchten lassen", sagt Michael Blaut vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke.

 

Die amerikanischen staatlichen Gesundheitsinstitute haben sich eine Art Volkszählung des Mikrobioms zum Ziel gesetzt. 2013 soll das Projekt abgeschlossen sein, aber eines der ersten Ergebnisse zeichnet sich bereits ab: Der Mensch hat mehr Besiedler als gedacht. "In den Lehrbüchern stand lange, dass es im Darm etwa 400 bis 500 Bakterienarten gibt. Inzwischen wissen wir, dass dort 1000 bis 3000 Arten leben", sagt Stephan Bischoff, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim.

Bakterien können Eigenschaften erlernen

Und Bakterien haben einen Vorteil: Weil bei ihnen eine Generation im Stunden- oder gar Minutentakt auf die nächste folgt, läuft die Evolution rascher ab als bei Menschen und Tieren. Sie können sich also rascher an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen. Hinzu kommt, dass sie große Mengen an Genen von anderen Bakterien aufnehmen können. Forscher nennen das lateralen Gentransfer. Auf der einen Seite werden Antibiotikaresistenzen und andere gefährliche Gene weitergegeben. Andererseits können die Mikroben im Darm so auch nützliche Eigenschaften erlernen.

So verkündeten französische Forscher 2010 im Fachblatt "Nature", dass die Darmbakterien von Japanern eine Art Sushigen aufgenommen hätten. Die Wissenschaftler um Mirjam Czjzek waren zuerst bei dem Meeresbakterium Zobellia galactanivorans, das sich von den Zellwänden von Algen ernährt, auf die Gene gestoßen. Zu ihrer Überraschung fanden die Forscher das gleiche Erbgut aber auch im menschlichen Darmbakterium Bacteroides plebeius - allerdings nur bei Japanern. Bei einer Gruppe von 18 Amerikanern war die Suche dagegen erfolglos. "Offenbar haben Menschen, die häufig Algen essen, auch diese Bakterien zu sich genommen, und die haben das Gen dann weitergegeben an die sesshaften Darmbakterien", sagt Czjzek.

Die Volkszählung des Mikrobioms

Viele Forscher sehen den Menschen deshalb inzwischen als Superorganismus, als ganzes Ökosystem, das sie nur verstehen können, indem sie alle Arten untersuchen. Bei dieser Arbeit helfen neue Technologien, die es erstmals ermöglichen, einen Überblick über das Leben in und auf dem Menschen zu bekommen. "Früher musste man die Bakterien immer in der Petrischale kultivieren, heute kann man auch Bakterien nachweisen, die sich so gar nicht züchten lassen", sagt Michael Blaut vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke.

Die amerikanischen staatlichen Gesundheitsinstitute haben sich eine Art Volkszählung des Mikrobioms zum Ziel gesetzt. 2013 soll das Projekt abgeschlossen sein, aber eines der ersten Ergebnisse zeichnet sich bereits ab: Der Mensch hat mehr Besiedler als gedacht. "In den Lehrbüchern stand lange, dass es im Darm etwa 400 bis 500 Bakterienarten gibt. Inzwischen wissen wir, dass dort 1000 bis 3000 Arten leben", sagt Stephan Bischoff, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim.

Bakterien können Eigenschaften erlernen

Und Bakterien haben einen Vorteil: Weil bei ihnen eine Generation im Stunden- oder gar Minutentakt auf die nächste folgt, läuft die Evolution rascher ab als bei Menschen und Tieren. Sie können sich also rascher an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen. Hinzu kommt, dass sie große Mengen an Genen von anderen Bakterien aufnehmen können. Forscher nennen das lateralen Gentransfer. Auf der einen Seite werden Antibiotikaresistenzen und andere gefährliche Gene weitergegeben. Andererseits können die Mikroben im Darm so auch nützliche Eigenschaften erlernen.

So verkündeten französische Forscher 2010 im Fachblatt "Nature", dass die Darmbakterien von Japanern eine Art Sushigen aufgenommen hätten. Die Wissenschaftler um Mirjam Czjzek waren zuerst bei dem Meeresbakterium Zobellia galactanivorans, das sich von den Zellwänden von Algen ernährt, auf die Gene gestoßen. Zu ihrer Überraschung fanden die Forscher das gleiche Erbgut aber auch im menschlichen Darmbakterium Bacteroides plebeius - allerdings nur bei Japanern. Bei einer Gruppe von 18 Amerikanern war die Suche dagegen erfolglos. "Offenbar haben Menschen, die häufig Algen essen, auch diese Bakterien zu sich genommen, und die haben das Gen dann weitergegeben an die sesshaften Darmbakterien", sagt Czjzek.

Erste Mikrobenaufnahme bei der Geburt

Im Mutterleib ist das Baby noch keimfrei. Doch die ersten Stunden im Leben eines Neugeborenen sind auch die Geschichte einer Besiedlung. Die ersten Mikroben nimmt das Baby im Geburtskanal auf. Dafür verändert sich pünktlich vor der Geburt sogar die Vaginalflora der Mutter: Es werden mehr Laktobazillen angesiedelt, damit das Kind zuerst mit diesen erwünschten Bakterien in Berührung kommt. Beim Stillen gesellen sich dann weitere Besiedler hinzu. Schon 24 Stunden nach der Geburt beherbergt das Baby auf jedem Quadratzentimeter Haut tausend Mikroben.

Die Besiedelung kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich verlaufen. "Die meisten Menschen haben zwar die gleichen Bakterienarten im Darm", sagt der amerikanische Mikrobiologe Martin Blaser. "Aber je genauer wir da hingucken, umso größer sind die Unterschiede."

Kaiserschnitt und Antibiotika wirken auf den Bakterienbestand

Sie können auch darüber entscheiden, ob ein Mensch krank wird oder nicht. So ist seit Jahren bekannt, dass Menschen, die eine hohe Zahl Bakterien der Art Oxalibacter formigenes beherbergen, ein geringeres Risiko haben, Nierensteine zu bilden. Denn Nierensteine bestehen häufig zu einem Teil aus Oxalsäure und die wird von diesem Bakterium gespalten. Forscher untersuchen inzwischen auch den Einfluss des Mikrobioms auf Schuppenflechte, ADHS, das Tourette-Syndrom und Diabetes. Auch zwischen übergewichtigen und dünnen Menschen haben sie Unterschiede in der Darmflora gefunden.

Martin Blaser glaubt, dass Veränderungen im Mikrobiom erklären könnten, weshalb Krankheiten wie Asthma viel häufiger auftreten als noch vor wenigen Jahrzehnten. "Wir haben heute sauberes Trinkwasser, Antibiotika, mehr Kaiserschnitte. Das alles hat auch unser Mikrobiom beeinflusst und damit vermutlich auch unser Risiko für bestimmte Krankheiten", sagt er. Blaser nennt es die "Hypothese des verschwindenden Mikrobioms". Bei einer Kaiserschnittgeburt kommt das Kind beispielsweise nicht mit den Laktobazillen der Mutter in Kontakt.

Tatsächlich gibt es Anzeichen für Blasers Hypothese: Helicobacter pylori trägt der Mensch seit mindestens 60.000 Jahren in sich. Früher war der Keim das häufigste Bakterium im Magen des Menschen. Aber seit es in den 80er Jahren als die häufigste Ursache von Magengeschwüren ausgemacht wurde, wird der Keim in vielen Fällen mit Antibiotika bekämpft. Inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass Helicobacter auch seine gute Seiten hat, vor allem in jungen Jahren. So könnte das Bakterium das Risiko reduzieren, als Kind Asthma zu entwickeln. "Möglicherweise wird man in Zukunft Kindern Helicobacter geben und dann bei Erwachsenen bekämpfen", sagt Blaser.

Hintergrund: Die Spur der Mikroben

Genetik Die Mikroben, die in und auf dem Menschen leben, sind ein Fenster in seine Vergangenheit. So lassen sich anhand des Magenbakteriums Helicobacter pylori die Wanderungen des Menschen nachvollziehen. Forschern am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin ist es gelungen, mit dieser Methode die Besiedelung des Pazifiks aufzuklären.

Ausbreitung In Proben von Ureinwohnern aus Taiwan, Neuseeland und den Philippinen konnten die Forscher eine neue Untergruppe von Helicobacter pylori isolieren, die für den pazifischen Raum typisch ist. Aus genetischen Vergleichen leiten sie ab, dass der Mensch von Taiwan aus vor etwa 5000 Jahren zunächst die Philippinen besiedelte und dann über die Molukken, Neuguinea und Fidschi zu den polynesischen Inseln gelangte, also unter anderem nach Neuseeland, Samoa und Hawaii.