Das Konzert des Jahres auszurufen, und zwar schon im Februar, ist vielleicht zu gewagt. Aber Balthazar waren im Schocken sooo gut. Und es gibt ja Gründe für dieses Urteil.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Das Konzert des Jahres auszurufen, und zwar schon im Februar, ist vielleicht zu gewagt. Deshalb muss im Zusammenhang mit dem Auftritt von Balthazar im Schocken am Mittwochabend ein “vorläufig” eingefügt werden. Das aber kann man mit Fug und Recht sagen: Hier war der bisher beste Pop-Moment des Jahres 2014 in Stuttgart zu erleben.

 

Das liegt auch daran, dass wahrscheinlich nur wenige Popfreunde Balthazar auf dem Zettel hatten, bevor der Auftritt im Schocken angekündigt worden war. Jedenfalls stellt sich da eine Band auf die Bühne, die was reißen will. Die außerdem eine überzeugende, zeitgenössische Version von Pop auf die Bühne bringt. 

Sieg auf ganzer Linie

Balthazar überzeugen in vielen Punkten. Das Songwriting: weit weg von klassischem Strophe-Refrain-Schemata. Der Gesang: mehrstimmig, nicht so Simon-and-Garfunkel-mäßig wie der Support Champs, aber im richtigen Moment sehr harmonisch und in den anderen so, dass die Songs dadurch intensiver rüberkommen.

Der Sound: fein geschichtet mit einem ganz bewundernswerten Bass, der schön picky klingt und im Refrain doch eine weiche, treibende Basis legt. In den Strophen transparent und im Refrain dicht wie flämische Tapisserie. Dazu das Geigenspiel von Patricia Vanneste - nicht folkig, sondern wie ein Synthesizer, leicht psychedelisch. Am Gesang: mit Jinte Deprez und Maarten Devoldere zwei hinreichend unterschiedliche Stimmen, die über weite Strecken klingen wie Alex Turner von den Arctic Monkeys oder dessen Projekt The Last Shadow Puppets.

Dazu kommt die coolste Art seit Johnny Cash, eine Akustikgitarre zu halten. Unschlagbar die Art, in der Maarten Devoldere sich das Saiteninstrument über die Schulter hängt. Kurz: Es ist was geboten, fürs Ohr und fürs Auge, gespielt werden ausschließlich hitverdächtige Songs, und noch einmal: Wer diese Musik davor nicht gekannt hat, fragt sich in jeder Minute des Abends, warum und wie man so etwas bisher verpassen konnte. Die Antwort: Wäre man halt dabeigewesen beim Popnotpop 2012. Oder im April 2013 im Keller Klub.

Hört mehr belgische Popmusik!

Aber jetzt sind sie ja da, die Belgier, und singen über Leipzig, sinkende Schiffe und, fast Hip-Hop-mäßig, über 15 Stockwerke. Das ist perfekter Pop, wichtiger noch: perfekt auf die Bühne gebrachter Pop-Sound, der so auch locker in den Wagenhallen funktionieren würde.

Man denkt da an die 2013-Auftritte von Junip oder den Shout Out Louds, nur dass Balthazar mehr Energie durchs Mischpult schicken respektive frischer klingen. Und man freut sich, dass diese Musik schon jetzt 200 Menschen anzieht. Die Underdog-Rolle, in der man diese Band aus dem kleinen Nachbarland vor dem Gig möglicherweise gesehen hat, ist jedenfalls nicht gerechtfertigt.

So wie überhaupt Belgien viele, hierzulande teils noch völlig unbekannte Popbands zum Entdecken bereithält: Girls in Hawaii zum Beispiel, Das Pop, die Veteranen Hooverphonic, Vive La Fête und Soulwax / 2manyDJs oder - Achtung, hierzulande noch nicht vertriebener Geheimtipp! - Piano Club.

Fazit: glücklich, wer am Mittwoch dabeisein durfte. Wer nicht dabei war, kriegt Balthazar gewiss bald wieder zu hören. Und für alle gilt: Hört mehr belgische Popmusik!