In der Bandserie stellen wir alle fünf Musiker und Bands vor, die für den Mars Zukunftsaward nominiert sind. Diesmal: Annagemina.

Stuttgart - Langsam schleppen sich die wuchtigen Breakbeats durch den Raum, tiefe Bassfrequenzen füllen die Lücken zwischen einzelnen Schlägen und darüber ergießt eine überladende, an allen Ecken zirpende Klanglandschaft. Als Kontrast zu dem Gewitter ertönt eine gerade zärtliche wie zerbrechliche weibliche Stimme und zwischendurch betritt ein Querflötist die Bühne. Keine Frage, das Duett Annagemina bietet sowohl auf Tonträger als auch live keinen profanen Radiopop – und fährt damit ziemlich gut. Ihr bisheriges Schaffen, darunter die zwei Alben „Uwaga!“ (2010) und „Realise?“, Ende 2012 erschienen, wurde nun mit einer Nominierung für den Mars Zukunftspreis Band/Musiker honoriert. „Das ist eine super Bestätigung, für das was wir machen“, meint die männliche Hälfte von Annagemina.

Das Zweiergespann, bestehend aus Anna Illenberger und Michael Fiedler, lief sich zum ersten Mal Ende 2008 in den Wagenhallen über den Weg. Fiedler war damals schon längst ein gestandener Vollblutmusiker und Labelbetreiber von Mutan Records. Unter dem Alias Tokyo Tower trat er in ganz Deutschland unter anderem an der Seite von Jan Delay oder Seeed auf. Dieses Jahr soll ein weiteres Tokyo Tower Album erscheinen – wie übrigens auch der dritte Annagemina Longplayer, erstmals sogar auf Vinyl.

Es läuft gut für Annagemina und das tat es schon nach relativ kurzer Zeit. Bereits drei Monate nach der Bandgründung erschien die erste EP, die so erfolgreich war, „dass wir die Band komplett aus deren Erlösen finanzieren konnten.“ Während man sich heutzutage die Schublade „Basspop“ auf die Fahne schreibt, was schon eine gewisse Wuchtigkeit impliziert, waren die ersten Songs auch musikalisch noch eher etwas feinfühliger und die Soundkulisse ummantelten vorsichtig-lieblich die filigrane Stimme der Sängerin. Dazu meint Fiedler, dass das Debütalbum „Uwaga!“ eher eine Zusammenfassung an Songs war, die sich in Illbenbergers „Liederbüchlein“ angesammelt haben. Das zweite Album wiederum entwickelte sich während ihrer zahlreichen Aufritte. „Viele der Songs haben wir über einen langen Zeitraum live gespielt, bevor wir diese im Studio aufnahmen.“

 

Man höre eben auch unterschiedliche Arten von Musik, so Fiedler weiter, „da ist von Techno, Dub, Singer/Songwriterkram und experimentellem Avantgardenoise alles dabei. Das fließt auch direkt in unsere Musik rein.“ Wie sich das Ganze weiterentwickelt wissen sie nicht, aber „es wäre nicht verwunderlich wenn das übernächste Album mit einer Triangel und einem Kazoo (ein kleines Membranohpon, d. Red.) eingespielt wird.“

Ob jene vermeintlichen Zukunftsnummern dann wiederum ihre Gigs kicken, steht in den Sternen. Gerade live spielen Annagemina ihre ganzen Qualitäten aus und überzeugen mit Leidenschaft ein bunt gemischtes Publikum von jung bis alt. Das erstaunt die Künstler mitunter manchmal selbst, denn schließlich fordert man die Hörer doch ziemlich „mit Noise, düstern Bassorgien und bösen Feedbackdelays“, so Fiedler.

Wiederum wahrscheinlich dank dieser Individualität sind Annagemina bei der Volkswagen Soundfoundation untergekommen, ein Musik-Förderungsprogramm des Wolfsburger Automobilherstellers. „Man bewirbt sich und wird aus hunderten Bewerbern herausgepickt und bekommt Workshops, Tourbus, Konzertgelegenheiten und prominente Wegbegleitung.“

Neben der musikalischen Individualität und Originalität basiert der (Bühnen-)Erfolg von Annagemina sicherlich auch auf ihrer Authentizität. „Wir sind eben nicht nur ein DJ-Playback-Horst und eine selbstverliebte Olle am Mikro, sondern zwei Musiker, die sich fallen lassen können und die Leute mitziehen, das Genre spielt dann irgendwann keine Rolle mehr.“ Und es ist doch immer wieder schön zu wissen, dass es noch Menschen gibt, die sich auf neue Musik einlassen und ebenfalls fallen lassen können.