Der ARD-Zweiteiler „Baron Münchhausen“ soll am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag die ganze Familie vor den Bildschirm locken. Jan Josef Liefers spielt dabei den spinnerten Abenteuerer.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Liefers ist Boerne, Boerne ist Liefers – die Rolle des neunmalklugen Rechtsmediziners im Münsteraner „Tatort“ scheint dem Schauspieler auf den Leib geschrieben. Auch wenn er seine Vielseitigkeit jenseits der Krimireihe immer wieder in der Darstellung unterschiedlichster Charaktere beweist: ein bisschen bleibt Jan Josef Liefers immer Karl-Friedrich Boerne, worüber er sich denn auch in einem „Spiegel“-Interview beklagt hat. Das muss er in Zukunft vielleicht nicht mehr: Als Baron Münchhausen, dem wortgewandten wie spinnerten Fabulierer und mit wiegendem Schritt durch die Welt tänzelnden Tausendsassa, der mit dem Mädchen Frieda Abenteuer erlebt, dürfte der 48-Jährige den „Tatort“-Professor, zumindest für eine Weile, in den Schatten stellen.

 

Im Jahr 2008 begründete die ARD mit der Märchenreihe „Sechs auf einen Streich“ zur Weihnachtszeit eine TV-Tradition; seither unternimmt sie jedes Jahr den Versuch, mit Märchen-Neuverfilmungen und Wiederholungen während der besinnlichen Tage die ganze Familie vor den Bildschirm zu locken. In diesem Jahr soll die Reihe mit einer Adaption der Münchhausen-Abenteuer, einer Gemeinschaftsarbeit von SWR, BR und HR, die von Teamworx zusammen mit der ARD Degeto realisiert wurde, ein Glanzlicht erhalten.

Eine Geschichte auf zwei Ebenen

Tatsächlich sind die Lügengeschichten des Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen wie gemacht für ein märchenhaftes TV-Event. Der Besuch auf dem Mond, die Enten, die ihn an Schnüren durch die Lüfte tragen, das Pferd, das er mitsamt seiner selbst aus dem Sumpf zieht, indem er sich am eigenen Schopfe packt, und natürlich der Kanonenritt – die Münchhausen-Coups verfügen über die genau richtige Mischung aus Fantastik, Exotik und Komik.

Die Lügenbaron-Legenden bilden aber nur das Gerüst für den von Drehbuchautor Marc O. Seng und Regisseur Andreas Linke verantworteten Zweiteiler; das an der Ludwigsburger Filmakademie ausgebildete Duo reichert die literarisch überlieferten Einzelepisoden zu einer Entwicklungsgeschichte mit einer zeitgemäßen Botschaft an: Eine (Patchwork-)Familie findet sich, und am Ende siegt Verantwortung über Freiheitsliebe. „Wir wollten die Geschichte auf zwei Ebenen erzählen, so dass sie sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht“, sagt Andreas Linke.

Katja Riemann spielt die durchtriebene Zarin

Dabei trifft der vom verwegenen Abenteurer zum abgehalfterten Aufschneider geschrumpfte Held in einem Gasthaus auf das Zirkuskind Frieda, das behauptet, seine Tochter zu sein. Münchhausen will von Vaterpflichten nichts wissen und beschließt, das Mädchen zu seiner Mutter nach Sankt Petersburg zu bringen. Ihnen schließt sich die unkonventionelle Landadlige Constanze von Hellberg an. Auf ihrer Reise erleben sie all jene Abenteuer, mit denen der Baron bisher in seinen Geschichten nur geprahlt hatte. In Sankt Petersburg angekommen, findet Zarin Katharina, die Ex-Geliebte des Barons, einen Weg, die elfjährige Frieda, die ihr erneutes Liebesglück stört, aus dem Weg zu räumen. Sie lässt sie als Sklavin in den Palast des Sultans verfrachten. Münchhausen erkennt, was ihm das Mädchen bedeutet, und macht sich mit seinen Gefährten auf zu einer tollkühnen Rettungsaktion ins Osmanische Reich.

Neben Liefers agieren Katja Riemann als maliziös-durchtriebene Zarin und Jessica Schwarz als verführerische, forsch-freche Landadlige – „tolle Schauspieler, die sich in ihre Figuren regelrecht verliebt haben und ihre Ideen, ihre Fantasie eingebracht haben“, wie Regisseur Linke sagt. Zu den Herausforderungen des Projekts zählten laut Linke die Umsetzung der Spezialeffekte, aber auch die unterschiedlichen Drehorte. Im Ludwigsburger Schloss etwa, wo die Szenen im Palast der Zarin entstanden, hatten während der Dreharbeiten im vergangenen Winter „minus zehn Grad“ geherrscht, erzählt Linke.

Traditionell erzählt, aber mit poetischen Momenten

Die Spielfreude der Schauspieler scheint die Kälte eher befeuert zu haben. Liefers Enthusiasmus trägt, im Zusammenspiel mit den in ihrer ersten Rolle erstaunlich natürlich spielenden Zwillingen Helen und Isabelle Ottmann als Frieda, den Film über manche langatmige Stelle hinweg. „Ich habe etwas übrig für Spinner, die der Realität ihre Fantasie entgegensetzen“, sagte Liefers bei der Premiere des Films im Ludwigsburger Schloss.

Ein Actionspektakel darf der Zuschauer nicht erwarten, stattdessen einen trotz knappen Budgets üppig daherkommenden, weitgehend traditionell erzählten Kostümfilm, dem es aber gelingt, immer wieder mit poetischen Momenten zu überraschen. Auf dem Mond begegnen der Baron und Frieda einem Eremiten (herrlich: Tilo Prückner), der Gesteinsbrocken ins All schleudert und so den Menschen Hoffnung spendende Sternschnuppen ans Firmament zaubert – ein Bild, das lange haften bleibt.