Bartholomäus I., der oberste Vertreter der orthodoxen Christenheit, trifft die deutsche Staatsspitze und viele Vertreter der Kirche. Er ist ein hoch angesehener Gast. Neun Tage wird er Deutschland bereisen.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - „Er ist weltweit bekannt. Ihn besuchen regelmäßig alle wichtigen Politiker in seiner Istanbuler Residenz“. Das sagt der griechisch-orthodoxe Bischof Barthomolaios Kessidis über den Mann, dem Deutschland nun einen großen Empfang bereiten wird: Bartholomäus I., der das Ehrenoberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit ist, reist von Samstag bis zum 19. Mai durch die Republik. Er trifft nicht nur Angela Merkel, sondern auch Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Vertreter der Kirchen.

 

Dass Bartholomäus so viel Aufmerksamkeit zu Teil wird, liegt nicht nur an seinem Amt, sondern auch an seinem diplomatischen Geschick, seiner ökumenischen Offenheit und seiner Fortschrittlichkeit in manchen Fragen. So nennt man ihn auch „grünen Patriarchen“, weil er etwa auf Reisen nach Grönland und Brasilien die globalen Umweltprobleme anprangerte und frühzeitig für den Erhalt der Schöpfung eintrat. Wegweisend ist auch seine Absage an einen Nationalismus in den orthodoxen Kirchen, wie er zum Beispiel jetzt im Ukraine-Konflikt eine Rolle spielt.

Der Titel formuliert einen globalen Anspruch

Der 74-Jährige firmiert seit fast einem Vierteljahrhundert als „Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel“ und trägt so schon den globalen Anspruch im Titel. Ebenso weltgewandt präsentiert sich der kleine Mann mit dem langen schlohweißen Bart. Sieben Sprachen beherrscht der promovierte Kirchenrechtler, der einst in Rom, München und Thessaloniki studiert hat.

Seine Machtfülle allerdings ist mit der des Papstes nicht vergleichbar. Er hat kein unfehlbares Lehramt und kann die Gespräche mit anderen orthodoxen Kirchenoberhäuptern nur moderieren. Freilich ist ihm bei dieser heiklen Mission jüngst ein beachtlicher Erfolg geglückt: die Geistlichen einigten sich, 2016 ein panorthodoxes Konzil einzuberufen. Es wäre das erste dieser Art seit mehr als 1200 Jahren.

Der türkische Staat macht ihm das Leben schwer

Direkt unterstellt sind Bartholomäus lediglich etwa 3,5 Millionen Gläubige in Teilen Griechenlands sowie in der weltweiten Diaspora. Die Türkei wiederum macht ihm das Leben schwer. Ankara betrachtet Bartholomäus nur als Seelsorger der wenigen Griechisch-orthodoxen im Land. So wird er wohl gegenüber der deutschen Politik die Diskriminierung der Christen in der Türkei schildern. Bartholomäus fordert schon lange, dass die Behörden die 1971 geschlossene Priesterausbildungsstätte auf einer Insel vor Istanbul wieder frei geben.

Vor allem ist die Visite aber ein pastoraler Besuch. Man will das 50-jährige Bestehen der griechisch-orthodoxen Metropolie in Deutschland feiern, zu der 500 000 Christen gehören. Stationen der Reise sind Stuttgart, Esslingen, Frankfurt, Bonn, Berlin und München, wo es viele Gottesdienste und Ansprachen geben wird.