Schöner wohnen für Menschenaffen: Zum ersten Mal hat die Wilhelma einen Einblick in die noch im Bau befindliche Menschenaffenanlage gewährt. Dort werden derzeit Flüsse und Felswände geschaffen – ein „Affenkino“ soll folgen.
Stuttgart - Bei der Menschenaffenanlage in der Wilhelma hangeln sich Planer und Bauarbeiter der Fertigstellung entgegen. Am Dienstag hat der Zoo erstmals auf der Baustelle die Türen geöffnet – und einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht. Das Großprojekt hat in den vergangenen Jahren eine Menge Ärger verursacht, immer wieder war es zu Verzögerungen gekommen, die Kosten waren gegenüber der ursprünglichen Kalkulation gestiegen.
Hier sollen bald Gorillas und Bonobos einziehen.Foto: Achim Zweygarth
Verbesserung der Wohnverhältnisse
Für die haarigen Bewohner der Menschenaffenanlage bringt der Umzug eine deutliche Verbesserung der Wohnverhältnisse mit sich: Die Fläche vergrößert sich fast um das 14-Fache, die Innenräume sind maximal sieben Meter hoch und bieten damit für die kletterfreudigen Bonobos völlig neue Anreize – im Vergleich zu den bisher beengten Verhältnissen. Zuletzt hatte die Organisation Great Ape Project die Haltungsbedingungen von Menschenaffen in deutschen Zoos untersucht und scharfe Kritik an diesen geübt (siehe nebenstehende Meldung und Kommentar).
Die Wilhelma verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die zusätzlichen Spielgeräte und andere Beschäftigungsmöglichkeiten für die beiden Menschenaffenarten. „Wir ermöglichen den Tieren, das Futter auch auf dem Dach der Gehege zu suchen“, sagte der Wilhelma-Direktor Dieter Jauch beim Baustellenrundgang. In den Innengehegen können die Tiere künftig in Becken planschen, auf einem Karussell herumtoben und sich anschließend in Hängematten ausruhen. Eine zusätzliche Bereicherung für die Affen soll außerdem das Bonobo-TV werden. Dabei können die Tiere künftig selbst aussuchen, was sie im Gehege anschauen wollen – Tierdokumentationen oder bunte Zeichentrickfilme.
Noch dominiert Sichtbeton
Noch ist das Affenkino jedoch nicht in der Anlage eingebaut. Bei der Besichtigung am Dienstag sind die erheblichen baulichen Fortschritte ebenso unübersehbar gewesen, wie der Umfang jener Arbeiten, die noch ausstehen. Der Architekt Sebastian Jehle führte durch den Innenbereich der Anlage. In diesem dominiert noch nüchterner Sichtbeton, die Bepflanzung fehlt, ebenso die Einrichtung der Gehege und die Spielgeräte für die Tiere. Jehle unterstrich, dass die Anlage vor allem den hygienischen und sicherheitstechnischen Anforderungen an die Tierhaltung gerecht werde. „Das ist ein sehr funktionales Gebäude – wir wollten kein Disneyland schaffen mit Fototapete von einer Regenwaldlandschaft.“
Architekt Sebastian JehleFoto: Achim Zweygarth
Begegnung zwischen Mensch und Gorilla
Diese ist weitläufig. Die Menschenaffenanlage befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Giraffen, den Somali-Wildeseln und den Zebras. Der Landschaftsarchitekt Hubert Möhrle hat am Dienstag das Außengelände der Gorillas als eine „Inszenierung einer Naturlandschaft“ bezeichnet. Die Affen werden dort künftig im Schatten einer Kunstfelsenwand leben, welche von der äußeren Anmutung her dem Cannstatter Travertin ähnelt. In den vergangenen Tagen haben die Bauarbeiter auf der Anlage unter anderem das Betonbett für einen künstlichen Fluss eingefügt – dieser wird einmal in einen See münden. Am Ufer des kleinen Gewässers kann es dann täglich zur Begegnung zwischen Mensch und Gorilla kommen: Keine Mauer und kein Zaun trennen die Besucher und die Affen, lediglich der sechs Meter breite See verhindert einen Kontakt. „Menschenaffen sind Nichtschwimmer“, erläuterte Marianne Holtkötter, die zuständige Kuratorin des Zoos, das Konzept. „Deswegen ist die Anlage sicher.“
Am Rande des Rundgangs äußerte sich Ilse Lange-Tiedje, die Leiterin des Amts für Vermögen und Bau Baden-Württemberg noch einmal zu den gestiegenen Kosten (ursprünglich war mit 13 Millionen Euro kalkuliert worden). Diese begründete sie mit der Hochkonjunktur in der Baubranche, welche die Preise in die Höhe getrieben habe. Der Architekt Sebastian Jehle bezifferte allein die Kosten für spezielle Hydraulikschieber an den Gehegen auf rund 600 000 Euro. Die Besucher werden sich bald selbst ein Bild davon machen – im ersten Quartal 2013 soll die Anlage für das Publikum eröffnet werden.