Schöner wohnen für Menschenaffen: Zum ersten Mal hat die Wilhelma einen Einblick in die noch im Bau befindliche Menschenaffenanlage gewährt. Dort werden derzeit Flüsse und Felswände geschaffen – ein „Affenkino“ soll folgen.

Stuttgart - Bei der Menschenaffenanlage in der Wilhelma hangeln sich Planer und Bauarbeiter der Fertigstellung entgegen. Am Dienstag hat der Zoo erstmals auf der Baustelle die Türen geöffnet – und einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht. Das Großprojekt hat in den vergangenen Jahren eine Menge Ärger verursacht, immer wieder war es zu Verzögerungen gekommen, die Kosten waren gegenüber der ursprünglichen Kalkulation gestiegen.

 
Nun jedoch soll endgültig Klarheit herrschen – sowohl beim Eröffnungstermin der Anlage als auch bei der Frage nach dem Preis für das künftige Domizil von Gorillas und Bonobos: Ende des Jahres soll die erste Affenart in die neue Anlage umziehen, sobald sie sich an ihr Heim gewöhnt hat, zieht die andere Affenart nach. Insgesamt werden dann 20 Millionen Euro im oberen Bereich der Wilhelma verbaut worden sein – die Hälfte dieser Summe trägt das Land, die andere Hälfte übernimmt der Förderverein der Wilhelma, ohne den dieses Projekt nicht verwirklicht worden wäre.

Verbesserung der Wohnverhältnisse

Für die haarigen Bewohner der Menschenaffenanlage bringt der Umzug eine deutliche Verbesserung der Wohnverhältnisse mit sich: Die Fläche vergrößert sich fast um das 14-Fache, die Innenräume sind maximal sieben Meter hoch und bieten damit für die kletterfreudigen Bonobos völlig neue Anreize – im Vergleich zu den bisher beengten Verhältnissen. Zuletzt hatte die Organisation Great Ape Project die Haltungsbedingungen von Menschenaffen in deutschen Zoos untersucht und scharfe Kritik an diesen geübt (siehe nebenstehende Meldung und Kommentar).

Die Wilhelma verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die zusätzlichen Spielgeräte und andere Beschäftigungsmöglichkeiten für die beiden Menschenaffenarten. „Wir ermöglichen den Tieren, das Futter auch auf dem Dach der Gehege zu suchen“, sagte der Wilhelma-Direktor Dieter Jauch beim Baustellenrundgang. In den Innengehegen können die Tiere künftig in Becken planschen, auf einem Karussell herumtoben und sich anschließend in Hängematten ausruhen. Eine zusätzliche Bereicherung für die Affen soll außerdem das Bonobo-TV werden. Dabei können die Tiere künftig selbst aussuchen, was sie im Gehege anschauen wollen – Tierdokumentationen oder bunte Zeichentrickfilme.

Noch dominiert Sichtbeton

Noch ist das Affenkino jedoch nicht in der Anlage eingebaut. Bei der Besichtigung am Dienstag sind die erheblichen baulichen Fortschritte ebenso unübersehbar gewesen, wie der Umfang jener Arbeiten, die noch ausstehen. Der Architekt Sebastian Jehle führte durch den Innenbereich der Anlage. In diesem dominiert noch nüchterner Sichtbeton, die Bepflanzung fehlt, ebenso die Einrichtung der Gehege und die Spielgeräte für die Tiere. Jehle unterstrich, dass die Anlage vor allem den hygienischen und sicherheitstechnischen Anforderungen an die Tierhaltung gerecht werde. „Das ist ein sehr funktionales Gebäude – wir wollten kein Disneyland schaffen mit Fototapete von einer Regenwaldlandschaft.“

Tatsächlich verbirgt sich neben und hinter dem für die Besucher künftig sichtbaren Bereich der Anlage eine Menge an Technik und Logistik: Allein für die Tierärzte sind zwei Räume eingebaut worden, in einem weiteren Raum könnte jederzeit ein Pfleger übernachten, falls ein Affe an einer besonders gefährlichen Erkrankung leiden sollte. Völlig neue Möglichkeiten werden die Pfleger der Menschenaffen haben, weil sie von einem Raum aus über Monitore das Geschehen auf der gesamten Anlage überwachen können.

Begegnung zwischen Mensch und Gorilla

Diese ist weitläufig. Die Menschenaffenanlage befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Giraffen, den Somali-Wildeseln und den Zebras. Der Landschaftsarchitekt Hubert Möhrle hat am Dienstag das Außengelände der Gorillas als eine „Inszenierung einer Naturlandschaft“ bezeichnet. Die Affen werden dort künftig im Schatten einer Kunstfelsenwand leben, welche von der äußeren Anmutung her dem Cannstatter Travertin ähnelt. In den vergangenen Tagen haben die Bauarbeiter auf der Anlage unter anderem das Betonbett für einen künstlichen Fluss eingefügt – dieser wird einmal in einen See münden. Am Ufer des kleinen Gewässers kann es dann täglich zur Begegnung zwischen Mensch und Gorilla kommen: Keine Mauer und kein Zaun trennen die Besucher und die Affen, lediglich der sechs Meter breite See verhindert einen Kontakt. „Menschenaffen sind Nichtschwimmer“, erläuterte Marianne Holtkötter, die zuständige Kuratorin des Zoos, das Konzept. „Deswegen ist die Anlage sicher.“

Am Rande des Rundgangs äußerte sich Ilse Lange-Tiedje, die Leiterin des Amts für Vermögen und Bau Baden-Württemberg noch einmal zu den gestiegenen Kosten (ursprünglich war mit 13 Millionen Euro kalkuliert worden). Diese begründete sie mit der Hochkonjunktur in der Baubranche, welche die Preise in die Höhe getrieben habe. Der Architekt Sebastian Jehle bezifferte allein die Kosten für spezielle Hydraulikschieber an den Gehegen auf rund 600 000 Euro. Die Besucher werden sich bald selbst ein Bild davon machen – im ersten Quartal 2013 soll die Anlage für das Publikum eröffnet werden.