Der Landwirt Thomas Rott wehrt sich gegen eine Romantisierung der Landwirtschaft: bei ihm werden Kälber artgerecht von Kühen aufgezogen, danach aber ohne Bedauern geschlachtet.

Aidlingen – - Thomas Rott bewirtschaftet unweit Aidlingens einen Bauernhof wie aus dem Bilderbuch: auf der Wiese schnattern die Gänse, im Stall sucht ein Kälbchen das Euter der Mutter, während Schwalben zu ihrem Nest fliegen. Der Landwirt lädt gerne Besucher auf den Kirchtalhof ein. Das war schon vor 25 Jahren so, als auf dem Hof die Aktion „Gläserne Produktion“ begründet wurde, bei der Landwirtschaftsbetriebe ihre Türen für die Bürger öffnen. Wichtig ist Rott aber ein realistischer Blick auf die Landwirtschaft.
Herr Rott, Sie bezeichnen sich selbstbewusst als Bauer. Klingt der Ausdruck für Sie nicht abschätzig?
Dass die Berufsbezeichnung Bauer für manche abwertend klingt, liegt vielleicht an Sendungen wie „Bauer sucht Frau“. Wie mich jemand nennt, ist mir relativ egal. Wichtig ist mir aber, dass die Leute verstehen, dass ich ein Unternehmer bin, der seine Familie ernähren muss.
Den Kirchtalhof haben Sie vor 17 Jahren von Ihrem Vater übernommen. Ist es seitdem schwieriger geworden, ein Auskommen zu finden?
Es ist nicht schwieriger geworden, aber ich musste mich immer wieder auf Kehrtwenden in der Agrarpolitik einstellen. Auch die direkte Vermarktung meiner Produkte im Hofladen ist nicht einfacher geworden. Das liegt einerseits an der Geiz-ist-geil-Mentalität mancher Verbraucher, andererseits haben auch Wettbewerber die Direktvermarktung entdeckt.
Sie halten weiße Charolais-Rinder als Mutterkühe – was ist das Besondere daran?
Kühe für die Milchproduktion werden nach ihrer Geburt von ihren Kälbern getrennt, damit ihre Milch gemolken werden kann. Die Kälber werden mit sogenanntem Milchaustauscher aufgezogen. Das ist bei uns anders: Die Mutterkühe säugen ihre Kälber in den ersten zehn Lebensmonaten. Mit etwa einem Jahr werden die Kälber dann geschlachtet.
Neben der Viehhaltung setzen Sie auch auf die Erzeugung von Sonnen- und Biogasenergie. Sind Sie auch ein Energiebauer geworden, wie solche Landwirte genannt werden?
Ich erwirtschafte zwar inzwischen die Hälfte meines Einkommens mit Energieerzeugung, aber als Energiebauer sehe ich mich nicht. Die andere Hälfte kommt ja aus der Vermarktung unserer Lebensmittel. Was mir allerdings wichtig ist, sind geschlossene Kreisläufe. Etwa die Hälfte der produzierten Sonnenenergie verbrauchen wir auf dem Hof, und in der Biogasanlage wird Mist von unseren Tieren und Gras von den Weiden vergoren.
Sie teilen viele Ihrer Grundsätze mit den Grünen – Sie setzen auf artgerechte Haltung und produzieren erneuerbare Energien. Allerdings sitzen Sie für die CDU im Aidlinger Gemeinderat und im Böblinger Kreistag. Wie kommt es, dass Sie sich nicht bei den Grünen engagieren?
In der Landwirtschaft habe ich viele Berührungspunkte mit den Grünen, in anderen Bereichen habe ich aber ganz andere Werte – beispielsweise in der Schulpolitik. Wir arbeiten aber pragmatisch zusammen.
Neben der Arbeit auf dem Hof setzen Sie auch auf pädagogische Vermittlung – im Rahmen der Aktion Lernort Bauernhof kommen jedes Jahr etwa zwanzig Schulklassen auf Ihren Hof. Für viele Kinder ist das wie ein Ausflug in eine fremde Welt, oder?
Es gibt tatsächlich Kinder, die in der fünften Klasse eine Kuh das erste Mal aus der Nähe sehen. Meistens kommen aber Grundschulkinder, die sich alle Tiere ansehen, Kartoffeln ernten oder Apfelsaft pressen können. Dass die Kälber später geschlachtet werden, erzähle ich ihnen auch. Mir macht das nichts aus, schließlich habe ich zu den Tieren kein persönliches Verhältnis. Es ist mir wichtig, den Kindern ein realistisches Bild von einem Bauernhof zu vermitteln – wir sind schließlich kein Streichelzoo.