Warum hängt der Euter so weit runter? Warum hat die Kuh einen Nasenring? Fragen wie diese haben Erstklässler beim Besuch auf dem Bauernhof der Familie Hiller gestellt. Doch im Mittelpunkt des Interesses stand ein ganz anderes Ereignis.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Die Geburt war von der Bauersfrau nicht geplant. Doch etwas Besseres konnte nicht passieren. „Das ist natürlich ein absolutes Highlight“, sagt Christine Knobloch-Hiller. Davon werden die Kinder noch lange sprechen, wenn sie von ihrem Besuch auf dem Bauernhof im Ramsbachtal erzählen. Während die zwei Dutzend Erstklässler der Freien Evangelischen Schule Möhringen vor der Scheune im Kreis saßen und ihre Becher mit frischer Milch geschlürft haben, hat nur ein paar Schritte entfernt eine Kuh gekalbt.

 

Da kann die Bäuerin lange winken

Für die Kinder ist das ein Ereignis wie aus dem Bilderbuch. Für das Tierbaby dürfte es derweil ein recht lautstarker Start ins Leben sein, denn die Mädchen und Jungen am Gatter kreischen, fiepsen und schreien vor lauter Verzückung. Da kann die Bäuerin lange winken und rufen „jetzt mal alle Kinder zu mir“, ihr hört einfach keiner zu. „Dagegen komme ich nicht an“, sagt Christine Knobloch-Hiller und meint das Kuhkind. Dann wird sie der Klasse halt etwas später erklären, was ihre Viecher, wie sie sie nennt, alles fressen.

Dass die Landwirtin – seit Kurzem übrigens die erste und einzige landwirtschaftliche Obfrau der Stadt – Kinder über ihren Hof führt, hat mit ihrer eigenen Liebe für den Beruf zu tun. Sie will den Mädchen und Jungen zeigen, wie die Milch in ihre Tasse kommt. Sie sollen sehen, was es bedeutet Bauer zu sein, kurzum: Sie will bei den Kleinen für die Landwirtschaft werben.

Es sind allerdings nicht nur Grundschüler, die den Hillerschen Hof besuchen. Auch Oberstufenschüler seien schon da gewesen, berichtet Christine Knobloch-Hiller. „Das hat mich besonders gefreut.“ Die hätten sich sicher auch an einem frisch geborenen Kalb erfreut, doch viel mehr haben sie sich für Daten und Fakten interessiert. Zum Beispiel: Wie rechnet sich das Bauerndasein in einer Großstadt?

Ohne Spezialisierung gehe es kaum, sagt die Landwirtin. Die Hillers konzentrieren sich auf die Milchviehhaltung; wie viel Liter sie melken, ist ein Betriebsgeheimnis, dass auf dem Hof circa 50 erwachsene Wiederkäuer und 20 Kälber leben, hingegen nicht. Ihr Mann pasteurisiere die Milch selbst, berichtet sie, ihr Schwiegervater liefert sie aus an Großküchen, Krankenhäuser, aber auch an kleinere Abnehmer.

Kühe brauchen keinen Kittel

Dafür interessieren sich die Erstklässler nicht. Dafür umso mehr für anderes: Das Kälbchen ist inzwischen aufgestanden, die Beinchen zittern noch etwas. Dann trifft Christine Knobloch-Hiller wie aus dem Nichts eine Warum-Welle. „Warum hängt der Euter so weit runter?“ „Warum guckt die Nabelschnur da noch hinten raus?“ „Warum habt ihr denn keine Bullen?“ „Warum hat die Kuh einen Nasenring?“ Die beschwichtigenden Hände der Degerlocher Bäuerin sagen stumm „langsam, langsam“ und greifen in den Futterberg vor den Kuhschnauzen. Nun will die Landwirtin erst mal ein paar Fragen stellen. „Wer weiß, was das ist?“, fragt sie in die aufgekratzte Kinderschar. „Schilasche“, ruft ein Junge. „Genau, was für eine Silage?“ „Maisschilasche, weil da so gelbe Körner drin sind.“

Der Maiwind pfeift an jenem Vormittag ungemütlich kühl über den Hiller-Hof. Die Kinder, teils in T-Shirts, frösteln. Denn die Kühe stehen in keinem geschlossenen Stall, sondern nur in einem überdachten. Das härte die Tiere ab und halte sie gesund. „Im Winter wächst ihnen ein dickes Fell, die brauchen keinen Kittel“, sagt die Bäuerin. Dann biegt die Gruppe um die Ecke und schlüpft durch einen Türspalt in die Scheune – in den Kuhkindergarten der Bauernfamilie Hiller. Zwei Kälbchen liegen im Stroh auf dem Boden. Die dürfen die Erstklässler nicht nur anschauen, sondern sogar anfassen. Da ist selbst das Neugeborene nebenan kurz vergessen.