Auszeichnung für Stuttgart: Die Baugruppen-Häuser der Architekten Bottega und Ehrhardt auf dem Stuttgarter Killesberg haben die Jury des Deutschen Architekturpreises 2015 überzeugt.

Stuttgart - Baugruppen galten in Stuttgart lange Zeit als Modell, das man besser den Tübingern überließ. In die Universitätsstadt schien diese als Sponti-Variante beargwöhnte Form privater Bauherrschaft, die als „Tübinger Modell“ längst auch überregional Nachahmer findet, irgendwie besser zu passen als nach Stuttgart, wo man das Immobiliengeschäft in der Hand von Investoren und Wohnungsbauunternehmen auf jeden Fall besser aufgehoben glaubt.

 

Beweisen kann man es nicht, aber möglicherweise wäre die Wohnungsnot in Stuttgart heute kleiner, wenn Baugemeinschaften hier schon früher eine Chance gehabt hätten. Ein probateres Mittel, auch Leuten mit normalem Einkommen zu individuellem und halbwegs bezahlbarem Wohneigentum zu verhelfen, gibt es kaum. Denn Bodenpreise, die sich allein fast niemand mehr leisten kann, lassen sich in der Gruppe eher finanzieren, und auch Planungs- und Baukosten reduzieren sich für den Einzelnen erheblich, wenn sie auf viele Köpfe umgelegt werden.

Am Nesenbach schlägt das zarte Pflänzchen Baugruppe aber erst seit ein paar Jahren zaghafte Wurzeln. Ob daraus jemals eine systematisch betriebene Strategie der Stadtentwicklung wird wie in Tübingen, steht zu bezweifeln, denn bisher beschränkt sich das Baugruppenmodell in Stuttgart auf wenige punktuelle Versuche – wie jüngst auch wieder beim Wettbewerb fürs Olgäle-Areal.

Anti-urbanes Eigenheim-Mischmasch

Ein bereits realisierter Versuch sind die Baugruppenhäuser an der „Grünen Fuge“ auf dem Killesberg. Drei Grundstücke vergab die Stadt 2011 an drei Baugemeinschaften für insgesamt fünf Gebäude: zwei langgestreckte Baukörper im Wechsel mit drei kompakteren Volumen. Im Prinzip hätte die Stadt hier auch einmal über ihren Schatten springen und das gesamte Gebiet für Baugemeinschaften ausweisen können. Der städtebauliche Siegerentwurf des Wettbewerbs zur Messenachnutzung von 2004 sah an dieser Stelle immerhin gereihte Häuser in ähnlicher Dichte vor wie auf dem Kochenhof. Aber wie es in Stuttgart mit der Stadtentwicklung nach Gefühl, Wellenschlag und Opportunität nun mal so läuft – am Ende setzte eine CDU-Gemeinderatsmehrheit durch, dass sich an dieser Stelle die besserverdienenden Häuslebauer austoben durften. Wenigstens zum Park hin zeigt die das Quartier abschließende Phalanx der mehrgeschossigen Baugruppenhäuser jedoch städtebaulich klare Kante. Zugleich verdeckt sie – aus der Perspektive der Grünen Fuge und des Zentrums Killesberghöhe vis-à-vis – auch gnädig das antiurbane Eigenheim-Mischmasch, das sich dahinter breitmacht.

Architektonisch liegen indes auch nur die beiden mittleren Häuser des Baugruppen-Ensembles über dem Durchschnitt. Geplant von den Stuttgarter Architekten Henning Ehrhardt und Giorgio Bottega für sich selbst, Familienmitglieder und Freunde, bieten sie in zwölf Wohnungen Platz für die unterschiedlichsten Lebensformen: vom Single-Apartment auf knapp siebzig Quadratmetern bis zur 160 Quadratmeter großen Vater-Mutter-Kinder-Wohnung. Dass sich zudem drei Generationen in den Häusern mischen, gehörte zum Konzept, das der Gruppe den Zuschlag bei der Grundstücksvergabe brachte.

Architektur ist nicht abstimmungsfähig

Die Villa Kunterbunt, die man für das ästhetische Baugruppenideal zu halten geneigt ist, war bei den (nach ihrem Baufeld benannten) BF-30-Häusern aber keineswegs Vorbild. Im Gegenteil, die scharfkantigen Kuben mit der anthrazitgrauen Fassade aus geschliffenen Eternitplatten und den eingeschnittenen Loggien wirken streng, fast ein bisschen düster. Wohnbauunternehmen und Makler würden derlei vermutlich für schwer vermarktbar halten. In die Fassadengestaltung ließen sich Bottega und Ehrhardt aber nicht reinreden. Architektur ist – auch unter Freunden – nicht abstimmungsfähig.

Mitspracherechte hatten diese aber natürlich bei der Formulierung ihrer individuellen Wohnbedürfnisse, zum Teil auch bei den Grundrissen. In zwei Ausnahmefällen wurde sogar einem zusätzlichen Fenster beziehungsweise einer Fenstervergrößerung zugestimmt. Doch selbst wenn der eine oder andere Sonderwunsch unerfüllt blieb, bekommen haben die Bewohner großzügig geschnittene, lichte Wohnungen mit raumhohen Fensterflächen zum direkt angrenzenden Park, mit geschützten Balkonen sowie einer Dachterrasse, die allen zur Verfügung steht – Stadtwohnen mit Gartenlust-Annehmlichkeiten. Die Architekten berichten denn auch von hoher Zufriedenheit ihrer Mitbewohner. Überzeugt haben die BF-30-Bauten aber auch die Jury des Deutschen Architekturpreises 2015, die jetzt eine Anerkennung für die Stuttgarter Baugruppen-Häuser auf dem Killesberg vergab.