Der Spielzeughersteller Lego hat mit einem Schaufelradbagger sein bislang größtes Modell der Technic-Baureihe auf den Markt gebracht.

Stuttgart - „Jetzt habe ich es“, sagt Markus Kossmann und zieht seine Hand aus den Eingeweiden des Schaufelradbaggers. Der Designer hat den so genannten Powertrain wieder verbunden und die Kraft wird wieder vom Motor aufs Getriebe übertragen. Zu Demonstrationszwecken hatte Kossmann zuvor die Verbindung gekappt, sich die Bauanleitung für die Baumaschine noch einmal ins Gedächtnis gerufen. Versuchsweise legt der 47-Jährige einen Schalter um. Der Bagger erwacht zum Leben. Es surrt leise, als er seine Arbeit aufnimmt und kleine Bauteile auf seinen Förderbändern transportiert.

 

Markus Kossmann, Designer der Lego-Technic-Baureihe, führt seinen Schaufelradbagger auf einem Konferenztisch im dänischen Lego-Hauptquartier in Billund vor. Dessen Ausmaße sind gewaltig für ein Lego-Modell: 72 Zentimeter lang und 41 Zentimeter hoch. Hinter Kossmann reihen sich noch andere Lego-Meisterwerke: Hubschrauber, Rennwagen, Laster – die verschiedensten Fahrzeuge hat der gelernte Modellschreiner und Absolvent der Kölner International School of Design in den vergangenen 18 Jahren für Lego entworfen. „Der Schaufelradbagger ist das größte Modell, das wir bislang gebaut haben“, sagt er. Es besteht aus rund 3900 Bauteilen, so vielen wie kein Modell zuvor.

Ein Bagger für die Fans

Inzwischen wird Kossmanns Bagger ausgeliefert und soll nun in den Läden nicht nur Kinderaugen zum Leuchten bringen. Denn Baumaschinen gehen in Deutschland immer – und ein originalgetreuer Schaufelradbagger aus Lego-Steinen dürfte für viele Fans dieser Technik die Erfüllung eines Traumes sein. Wie in der Realität lässt sich der Ausleger und damit das Schaufelrad zum Graben absenken und Kies, Schutt und Geröll – symbolisiert durch kleine, mitgelieferte Bauteile – über Förderbänder in einen Laster befördern. Auf Gleisketten kann der Bagger in die gewünschten Positionen manövrieren.

Lego – das kennt jeder auf der Welt. Generationen spielen, grübeln und bauen seit über 60 Jahren mit den kleinen Kunststoffsteinen. Die Königsdisziplin dabei ist die Technic-Produktlinie. „Hier geht es darum, dass etwas nicht nur schön aussieht und leicht baubar ist, sondern dass es außerdem funktionieren muss“, sagt Kossmann. Doch bis ein voll funktionsfähiger Schaufelradbagger fertig entwickelt ist, muss ein weiter Weg zurückgelegt werden.

Was macht den Kern dieser Maschine aus?

Wie also entsteht ein solches Modell? Antwort scheint so kompliziert wie der Bausatz selbst. „Jedes Projekt beginnt mit dem Nachdenken über eine Funktion, die man umsetzen möchte“, erklärt Kossmann. Um zu zeigen, was er damit meint, legt er drei Schaufelräder auf den Tisch: „Ich komme ursprünglich aus Köln. Dort gibt es in der Nähe Braunkohle-Tagebaue und so dachte ich irgendwann, dass ich gern mal einen Schaufelradbagger bauen würde.“ Also setzte sich Kossmann hin und dachte über eine entsprechende Baumaschine nach: Was macht sie im Kern aus? Die Frage war schnell beantwortet: „Das Schaufelrad. Und so begann ich erst einmal, nur dieses zu entwickeln.“

Allein dabei gab es die unterschiedlichsten Details zu klären: Aufhängung, Drehmoment, Trägheit, Reibung, Materialaufnahme und -abgabe. Markus Kossmann war klar: Würde das Schaufelrad nicht von Beginn an gleich alle erforderlichen Eigenschaften besitzen, wäre das Projekt bereits gescheitert. „Also baute ich zunächst nur verschiedene Versionen des Rades.“ Schon hier zeigte sich: Eines würde später zu schwergängig sein, ein anderes die gebaggerten Teile nicht richtig auswerfen. Kossmann experimentierte mit verschiedenen Radien, größeren und kleineren Schaufeln, bis er das Gefühl hatte, dass nun alles in sich stimmig war. Erst dann folgte die Entwicklung der Auslegers, des Unterbaus und der Förderbänder.

Verständnis für Technik vermitteln

„Ich unterteile ein Projekt in mehrere Einzelschritte: Klappt eine Funktion wie gewünscht, so füge ich die nächste hinzu“, erläutert Kossmann. So denke er sich schrittweise durch die gestellte Aufgabe: Übersetzungen von Rotations- in Linear-Bewegungen, Kraftübertragung, Hydraulik oder Pneumatik – es gibt kein ingenieurtechnisches Thema, mit dem er es nicht zu tun hat. „Mein Ziel ist, dass der Bausatz Verständnis für Technik vermittelt.“

Ein nicht zu unterschätzendes Problem dabei: Für ein neues Modell sind oft neue Bauteile nötig, die noch nicht gibt. So entwarf Kossmann etwa für das Schaufelrad Viertelkreise, aus denen es sich zusammensetzen lässt. Allerdings: „Man entwickelt solche Teile nie im luftleeren Raum“, sagt Kossmann. Anders gesagt: Sie müssen sich nahtlos ins bestehende Bausystem einfügen, kompatibel mit jedem nur erdenklichen Element der Legowelt sein.

Manche Probleme kommen erst zum Schluss

Bevor das endgültige Design steht, entwickelt Markus Kossmann mehrere Prototypen, um Fragen zu beantworten: Für welche Lösung werden mehr neue Teile benötigt, für welche weniger? Welche Lösung ist eleganter, welche macht mehr Spaß? „So nähere ich mich dem Thema immer weiter.“ Dennoch würden manche Probleme erst ganz zum Schluss auftauchen. Als Beispiel bewegt Kossmann den Ausleger seines Baggers um die Drehachse, wobei dieser in jeder gewünschten Position verharrt. Er lächelt, denn das war nicht immer so. „Während der Entwicklung wollte der Ausleger, an dessen einem Ende das Schaufelrad sitzt, einfach nicht im Gleichgewicht bleiben, auch wenn ich noch so viel Gegengewicht ans andere Ende packte“, erinnert er sich. Erst seine Idee, den gesamten Motor samt Batterie in den Ausleger zu verfrachten, löste das Problem.

Insgesamt ein Jahr lang hat die Entwicklung des Schaufelradbaggers nun gedauert – so lange, dass Kossmann die Bauanleitung trotz der 3900 Teile komplett im Kopf hat. Noch – denn bald wird ein neues Modell seine Aufmerksamkeit und Kreativität erfordern. Woran er aktuell arbeitet, verrät der Designer noch nicht. Nur so viel: Gemeinsam mit neun Kollegen tüftelt er derzeit an verschiedenen neuen Modellen. Nun freut er sich aber erst einmal darüber, dass der Schaufelradbagger endlich auf den Markt gekommen ist.

Die Legosteine

Unternehmen
Die Lego-Gruppe hat ihren Firmensitz im dänischen Billund. Deutschland ist einer der Hauptabsatzmärkte. Weltweit produzieren 2600 Spritzgußmaschinen Millionen Elemente täglich. Hierzu werden zwischen 80 und 100 Tonnen Kunststoff-Granulat verbraucht

Vielfalt
Es gibt 3600 verschiedene Element-Designs, eingefärbt in 60 verschiedenen Farben. Die Toleranzgrenze für jeden Stein liegt bei nur 0,004 mm – das ist dünner als ein Haar. Allein im dänischen Billund lagern über 420 000 Kisten mit Milliarden Einzelteilen.