Für viele dürfte es ein unbezahlter Knochenjob sein, für Christoph Hey’l ist es der willkommene Ausgleich zum Büroalltag im Notariat. In seiner Freizeit kümmert er sich um zehn Streuobstparzellen am Sillenbucher Madenwald.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Sillenbuch - Mit der Kappe und den schweren Stiefeln verwandelt er sich. Wenn er sie angezogen hat, ist er nicht mehr Christoph Hey’l, der Notar, er ist dann Christoph Hey’l, der Baumpfleger. Mit Säge, Hacke und dem Taschenmesser am Hosenbund steht er an jenem unwirtlichen Nachmittag am Rand des Madenwalds in Sillenbuch. Die Sonne hat sich den ganzen Tag nicht blicken lassen, die knorrigen Äste der Obstbäume am hügeligen Hang wirken im Grau des zu Ende gehenden Tages schwärzer, als sie sind. Für Christoph Hey’l zählt dieses Stückchen Erde zu den schönsten, die er kennt. „Es dürfte die größte zusammenhängende Streuobstwiese in Sillenbuch sein“, sagt er. Natur pur am Rand der Großstadt. „So was findet man nicht mehr so oft. Mir liegt daran, dass das erhalten bleibt.“

 

Ausgleich zum Alltag im Büro

Daher hat sich der 47-jährige Familienvater ein Hobby zugelegt. Für viele wäre es ein unbezahlter Knochenjob, für Christoph Hey’l ist es ein willkommener Ausgleich zu seinem Alltag im Bezirksnotariat in Böblingen. „Andere Leute machen Sport“, sagt er. Er pflegt in seiner Freizeit ehrenamtlich Bäume.

Angefangen hat er 1983 auf einem Streifen ähnlich schmal wie ein Handtuch. Sein Urgroßvater, der Sillenbucher Steinbrecher Samuel Treiber, hat es einst erworben. Nach rund zehn Jahren war die Familienparzelle gut in Schuss, und Christoph Hey’l nicht mehr ausgelastet. Also hat er Grundstücksnachbarn gefragt, ob er für sie mit anpacken soll. Wer würde da Nein sagen? So kam es, dass er sich heute um rund zehn Parzellen kümmert.

Kümmern bedeutet in diesem Fall vor allem, Äste zu schneiden, Ernte einzufahren und Most, Saft und Schnaps herzustellen. „Oft müssen Sachen genau zu diesem Zeitpunkt gemacht werden, dann steh’ ich schon mal unter Druck. Manche halten mich ein bisschen für verrückt, dass ich mir das alles ans Bein binde“, sagt Christoph Hey’l. Dass ihm sein Hobby lästig ist, kommt aber kaum vor. Zu schön ist es, wenn er abends sieht, was er geschafft hat. Im Notariat verbirgt sich der Erfolg in Statistiken auf dem Papier, im Gewann Maden liegt er als Astberg vor ihm auf der Wiese.

Die lebenden Mähmaschinen sind umgezogen

Der Sillenbucher ist also gut beschäftigt. Dieses Jahr droht noch mehr Arbeit auf ihn zuzukommen – weil er seine lebendigen Mähmaschinen verloren hat. In den vergangenen Jahren hatten die Schafe der Tierärztin Annegret Sproesser die hügelige Baumwiese kurz geschoren. Vor Kurzem sind sie zusammen mit ihrer Besitzerin aus Stuttgart weggezogen. „Jetzt habe ich ein Problem: Was mache ich mit dem ganzen Heu?“, fragt Christoph Hey’l. Ganz zu schweigen von der Mäharbeit, „auf Dauer überfordert mich das“. Denn letztlich ist es nur ein Hobby, wenn auch ein geliebtes. Aber ohne Mahd geht es nicht, ansonsten wuchern schon nach kürzester Zeit die Brombeeren hüfthoch.

Ebenfalls ehrenamtlich erklärt Christoph Hey’l Anfängern, wie sie Obstbäume richtig schneiden (siehe auch Textende). Er fragt dann meistens in die Runde, wofür sich die Leute mehr interessieren: für den Erziehungsschnitt bei Jungbäumen oder für einen Verjüngungsschnitt bei Greisen. „Zwei Drittel strecken beim Verjüngen“, erzählt er. Weil sich Bäume aber, genauso wie Menschen, nicht ewig jung halten lassen, versucht er, bei den Schnittkursen dafür zu werben, dass die Menschen neue Bäume anpflanzen. Anstelle eines alten. „Man muss sich von einem Baum auch trennen können“, sagt er. Er mag die jungen Bäumchen ganz besonders. Versonnen schaut er zu einem rüber. „Irgendwie setze ich mir da auch ein Denkmal“, sagt er. Er pflanzt etwas, was vermutlich in hundert, gar zweihundert Jahren noch lebt.

Zwei Termine für Anhänger:

Es empfiehlt sich, Obstbäume regelmäßig zu schneiden, um den Ertrag zu steigern oder stabil zu halten, um den Baum gesund zu halten und um letztlich die Lebensdauer zu verlängern. Wichtig ist, dass der Baumschnitt zu einer Zeit gemacht wird, in der der Saftfluss ruht.

Der Obst- und Gartenbauverein Sillenbuch lädt am Samstag, 28. Februar, zu einem Schnittkurs ein. Von 13.30 Uhr an zeigen Christoph Hey’l und Werner Dürr Anfängern, worauf es bei Schnitt und Neupflanzungen ankommt. Treffpunkt ist an der Madenstraße vor den Gebäuden Nummer 37 und 39.

Ebenfalls am Samstag, 28. Februar, und ebenfalls von 13.30 Uhr an zeigt der Obst- und Gartenbauverein Heumaden im Garten Lucas in der Schwende, wie der Sommerschnitt bei Beeren-, Kern- und Steinobst funktioniert. Nähere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 44 00 73 66.