Kommunen können Einfluss auf die Nutzung oder den Rückbau einer Immobilie nehmen.

Stuttgart - Als es darum ging, die Schnödenecksiedlung aus den 1920er Jahren in Sindelfingen in ihrem ursprünglichen Charakter als Arbeitersiedlung zu schützen, beschloss der Sindelfinger Gemeinderat eine Erhaltungssatzung. Die Mehrheit der Eigentümer begrüßte damals den Beschluss, da sie dadurch Konzepte an die Hand bekamen, wie mit der Bausubstanz umzugehen sei, erinnert sich Baubürgermeister Johannes Mescher.

 

In der Landeshauptstadt wird die geplante Erhaltungssatzung für das Nordbahnhofviertel hingegen mit gemischten Gefühlen gesehen. Dort geht es laut Baubürgermeister Matthias Hahn darum, die gebietstypische Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Stadtteil Auf der Prag zu erhalten und längerfristig eine sozial ausgewogene Entwicklung des künftigen Rosenstein-Viertels zu gewährleisten. Dabei soll nach dem Willen der Stadtväter „vorsorglich” ein Schutzwall gegen Luxussanierungen errichtet werden. Die Regelungen sollen die verhandelten Vereinbarungen zur Sozialcharta stützen und ergänzen, so Hahn weiter. Während zum Beispiel in einem Bebauungsplan festgelegt ist, wie und was gebaut werden darf, kann eine Erhaltungssatzung zusätzlich festlegen, dass für den Rückbau, die Änderung oder Nutzungsänderungen baulicher Anlagen eine zusätzliche Genehmigung bei der Kommune eingeholt werden muss oder die Gemeinde ein Vorkaufsrecht bei der Veräußerung von Gebäuden - gilt nicht bei Eigentumswohnungen - hat. Gedacht ist dieses besondere Städtebaurecht, um städtebauliche Eigenarten eines Gebietes zu erhalten, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem bestimmten Gebiet zu schützen oder städtebauliche Umstrukturierungsmaßnahmen zu unterstützen. Für die Landeshauptstadt geht es dabei in erster Linie um Bewohnerschutz, betont der Baubürgermeister. Pikant dabei: die Stadt war im Bieterwettstreit für diese Wohnungen unterlegen. Für Stuttgarts Haus- und Grundbesitzerverein ist diese „Reglementierung über das Planungsrecht” deshalb auch ein „grobes Foulspiel” gegenüber privaten Immobilieneigentümern, kritisiert deren Vorsitzender Dr. Klaus Lang. Diese Aufregung kann Matthias Hahn nicht nachvollziehen. Die Vorgehensweise sei nichts Neues. Das Nordbahnhofviertel sei bereits seit 1985 als Stadterneuerungsvorranggebiet ausgewiesen. Ziel der Vorranggebiete sei, die Lebensbedingungen für die Bewohner zu verbessern und vorhandene bauliche und infrastrukturelle Mängel zu beheben.

Zum Erhalt der Eigenart

In Esslingen sind Erhaltungssatzungen schon lange Bestandteil vieler Bebauungspläne, so Andreas Panter vom Stadtplanungs- und Stadtmessungsamts. Allerdings konzentriert man sich hier auf die städtebaulichen Akzente. Um die Eigenart der mittelalterlichen Kernstadt zu erhalten, seien sowohl die Errichtung als auch der Abbruch beziehungsweise der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung bei 80 Prozent der Gebäude oder baulichen Anlagen genehmigungspflichtig. Überdies wurde die Gesamtanlage Esslingen am Neckar, die die vier mittelalterlichen Stadtteile und die Stadterweiterungen der Industrialisierung Esslingens im 19. Jahrhundert beinhaltet, zur Bewahrung des Erscheinungsbildes mittels städtischer Satzung unter Denkmalschutz gestellt.

In Ludwigsburg gibt es bislang noch keine Erhaltungssatzung. Die Barockstadt überlegt aber derzeit, das vorhandene Instrumentarium zusätzlich durch eine Erhaltungssatzung zu ergänzen, so Pressesprecher Peter Spear. Dann hätte man zum Beispiel überall dort ein Rechtsmittel in der Hand, wo der Denkmalschutz nicht greift, aber städtebaulich prägende Gebäude erhalten werden sollen. Um den städtebaulichen Charakter der Barockstadt Ludwigsburg zu erhalten, baut man bislang vor allem auf den Denkmalschutz.

Wo der nicht ausreicht, setzt die Stadt Ludwigsburg auf monetäre Anreize. So stellt die Barockstadt durch die Ausweisung von Sanierungsgebieten auch Fördermittel zur Erhaltung und Sanierung von Gebäuden bereit, die nicht unter Denkmalschutz stehen. Durch einfache Bebauungspläne könne zudem die weitere Verdichtung der Stadt begrenzt und vorhandene Freiflächen gesichert werden, so Spear. Um den städtebaulichen Charakter Ludwigsburgs zu erhalten, habe die Beratung von Bauherren und Eigentümern durch die Baurechtsbehörde und die Stadtplanung einen hohen Stellenwert. Bislang hätten diese Maßnahmen ausgereicht, negative Entwicklungen zu verhindern.

Individuelle Satzungen

Auch in Waiblingen setzt man zur Sicherung der städtebaulichen Qualität bislang auf individuelle Satzungen, so Patrik Henschel von Fachbereich Stadtplanung. Durch die mit einer Sanierungssatzung verbundenen rechtlichen Instrumentarien wie Sanierungsgenehmigungen und Vorkaufsrechte könne die Stadt die Entwicklung in diesen Gebieten genauso gut wie mit einer Erhaltungssatzung steuern. Darüber hinaus setze man im Bedarfsfall auf das Instrument des Bebauungsplans, um städtebauliche Fehlentwicklungen zu vermeiden und städtebauliche Weiterentwicklungen zu ordnen.

Der Einsatz einer Erhaltungssatzung zur Steuerung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung findet derzeit in Waiblingen keine Anwendung, da die Stadt - so Henschel - bislang in Zusammenarbeit mit Investoren die städtischen Zielvorstellungen umsetzen und damit einem ausgewogenen Angebot unterschiedlicher Wohnformen Rechnung tragen konnte. In diesen Entwicklungsprozessen werde auch auf den Erhalt des jeweiligen Quartierscharakters geachtet. Im Falle einer Erhaltungssatzung werde die zeitliche Begrenzung kritisch gesehen, da hiermit langfristige Planungsziele schwer sicherzustellen seien. Zwar könnte man sich auch in Böblingen vorstellen, das Instrument der Erhaltungssatzung zur Unterstützung städtebaulicher Umstrukturierungen einzusetzen. Derzeit setzt die Stadt Böblingen bei der Erhaltung der städtischen Eigenart vorwiegend auf örtliche Bauvorschriften und das Ausweisen von Sanierungsgebieten, so Pressesprecher Wolfgang Pfeiffer.