Ein Kran auf der S-21-Baustelle im Bahnhof Feuerbach reißt eine Oberleitung herunter, die auf eine S-Bahn fällt. Der Vorfall verläuft glimpflich, doch er wirft Fragen auf – beispielsweise nach den Sicherheitsvorkehrungen für Kranarbeiten auf S-21-Baustellen.

Stuttgart - Die Bundespolizei ermittelt nach dem S-Bahn-Unfall mit einer durch einen Baukran am Bahnhof Feuerbach abgerissenen Oberleitung wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Das bestätigte ein Sprecher der Behörde gegenüber dieser Zeitung. Über den Inhalt der Ermittlungen könne zum jetzigen Zeitpunkt nichts gesagt werden. Aber es gebe Ermittlungsansätze, sagte der Sprecher. Nach Expertenmeinung kommen ein technischer Fehler und/oder menschliches Versagen in Betracht.

 

Ein Sprecher des S-21-Kommunikationsbüros wollte aufgrund der laufenden Ermittlungen keine Stellungnahme abgeben. „Das ist ein schwebendes Verfahren“, begründete er, „wir gehen aber davon aus, dass diese Baustelle wie unsere anderen rechtens und ordnungsgemäß eingerichtet war.“

150 Fahrgäste müssen die S-Bahn verlassen

Am Montag, 18. Juli, hatte auf der S-21-Baustelle im Bahnhof Feuerbach ein Baukran gegen 12.20 Uhr mit seiner Last eine Oberleitung abgerissen. Der mit 15 000 Volt geladene Fahrdraht traf eine S-Bahn der Linie S 4, die auf der Fahrt nach Marbach an Gleis 2 gehalten hatte. Erst nachdem der Strom abgeschaltet, die Oberleitung gesichert und alles geerdet war, konnten die 150 Fahrgäste, darunter 70 Kinder, die S-Bahn-Wagen verlassen. Es habe zum Glück keine Verletzten gegeben, sagte ein Sprecher der Bahnpolizei. Allerdings gab es bis in den Abend hinein zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen im gesamten S-Bahnverkehr.

Die Einschätzung, dass der Unfall glimpflich abgegangen ist, teilen viele Experten. Die unter Spannung stehende, herabfallende Stromleitung hätte, wenn die S-Bahn-Türen sich geöffnet hätten, die Fahrgäste unter Strom setzen und erheblich verletzen können. Auch ein tödlicher Stromschlag wäre nicht auszuschließen gewesen.

Angesichts dieser Gefährdung kritisieren S-21-Gegner wie die Ingenieure 22 die Kranarbeiten im Bahnhof Feuerbach und auf den verschiedenen S-21-Baustellen. Im Bereich des Nordausgangs des Bahnhofs am Kurt-Georg-Kiesinger-Platz würden die Kranen immer wieder Lasten über die für Fußgänger ausgeschilderten Wege hieven. Aber auch im Bahnhof Feuerbach monierten Beobachter, dass die Kranen die Lasten im Bereich der Oberleitungen und Schienen verschwenken. „Die Sicherheitsvorschriften für Kranbetrieb untersagen das Schwenken über Gleisanlagen mit spannungsführenden Oberleitungen und über dem Aufenthaltsbereich von Personen, also Bahnsteigen und Wegen“, sagt Hans Heydemann von den Ingenieuren 22.

S-21-Sprecher weist Vorwürfe wegen Kranarbeiten zurück

Die S-21-Kritiker halten ihre Beobachtungen in der Innenstadt und am Bahnhof Feuerbach fotografisch fest. Nach ihrer Ansicht belegen die Fotos ihre Vorwürfe, der S-21-Sprecher zweifelt dagegen die Aussagekraft wegen perspektivischer Verzerrungen an. Nach Angaben des Sprechers halten sich die Bahn und die von ihr beauftragten Bauunternehmen an die einschlägigen Vorschriften oder an anderweitige Sicherheitsvorkehrungen, die mit den Genehmigungsbehörden abgesprochen seien. So sei klar, dass Lasten nicht über öffentliche Gehwege transportiert werden dürften, wenn dort Passanten unterwegs seien.

Die Bahn, so Heydemann, habe Ausnahmen von ansonsten gültigen Sicherheitsvorkehrungen auch dadurch erreicht, dass „sie sich eine äußerst bedenkliche Ersatzlösung hat einfallen lassen: Die Kräne wurden so programmiert, dass sich nicht in die Gefährdungsbereiche einschwenken können“. Ohne diese Regelung müssten die Oberleitungen spannungslos gemacht werden, was den Stopp des Zugverkehrs zur Folge hätte, oder die Areale im Schwenkbereich müssten baulich abgesichert werden.

In mehreren Schreiben an das Eisenbahn-Bundesamt als Genehmigungsbehörde, das Regierungspräsidium, die Berufsgenossenschaft und das Gewerbeaufsichtsamt wiesen S-21-Gegner bereits vor Wochen auf die ihrer Meinung nach bestehende Gefährdung hin. Sie sehen sich durch den Unfall im Bahnhof Feuerbach bestätigt – eine Antwort der Behörden haben sie bisher aber noch nicht erhalten.